Der Arbeitskreis Militärgeschichte e. V. (AKM) wurde im Jahr 1995 ins Leben gerufen. Die Idee der Gründung entstand nach dem Deutschen Historikertag 1994 in Leipzig. Damit wollten die Gründungsmitglieder die wachsende Beliebtheit der Militärgeschichte in Deutschland aufgreifen, um sie gezielt unterstützen zu können. Das Ziel war von Anfang an, interdisziplinäre und epochenübergreifende Forschung zu Militär und Krieg sowie kollegialen Austausch zu fördern. Dabei spricht der Arbeitskreis Interessierte in- und außerhalb der Geschichtswissenschaft an, mit dem Ziel, diese auch miteinander ins Gespräch und in fachliche Diskussionen zu bringen. Im Vordergrund stand und steht bis heute die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die besonders in der jährlichen Verleihung des Wilhelm-Deist-Preises ihren Ausdruck findet.1
Um das 25-jährige Bestehen des AKM angemessen zu würdigen, fand am 25. März 2021 das Jubiläumspanel im Rahmen der Fachtagung „Ordnung und Gewalt. Wechselwirkungen zwischen Militär und Politik in der Neuzeit“ statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Jubiläumspanel, das ursprünglich im Rahmen der Tagung im Herbst 2020 geplant war, in ein digitales Format via Zoom verlegt und aufgezeichnet.
Nach über einem Vierteljahrhundert Vereinsgeschichte wurde es Zeit, die Geschichte des AKM und seine Entwicklung gebührend Revue passieren zu lassen. Mit namhaften Militärhistorikerinnen und Militärhistorikern und vor breitem Publikum wurden ein Rückblick auf die Vereinsgeschichte und ein Ausblick auf kommende Schritte des Vereins geworfen. Zudem wurde über anstehende Herausforderungen der Militärgeschichte debattiert. Konzipiert und organisiert wurde das Panel von WENCKE METELING (Washington, D.C.) und CHRISTOPH NÜBEL (Potsdam).
Zunächst begrüßte MARTIN CLAUSS (Chemnitz), Erster Vorsitzender des AKM, das Publikum. Den Impulsvortrag über Militärgeschichte und die Geschichte des AKM hielt SÖNKE NEITZEL (Potsdam). An der von CHRISTA EHRMANN-HÄMMERLE (Wien) moderierten Podiumsdiskussion unter dem Titel „Verein(te) Militärgeschichte: Der Arbeitskreis Militärgeschichte e. V. und die Entwicklung einer historischen Subdisziplin“ nahmen STIG FÖRSTER (Bern), MARIAN FÜSSEL (Göttingen), WENCKE METELING (Washington, D.C.), SÖNKE NEITZEL (Potsdam) und MARKUS PÖHLMANN (Potsdam) teil.
In seinen Begrüßungsworten ging MARTIN CLAUSS auf die 25-jährige Erfolgsgeschichte des AKM ein. Er würdigte die Arbeit des Vereins und hob dabei besonders die 23 Jahrestagungen hervor, die seit 1997 abgehalten wurden und in 15 Tagungsbänden ihren Niederschlag fanden. In ihrer Themenvielfalt leisteten sie einen wesentlichen, geschätzten und wichtigen Beitrag zur Militärgeschichte. Darüber hinaus finanzierte der AKM eine Vielzahl an Workshops und Exkursionen. Dabei habe, so Clauss, immer der Vereinszweck, also die Förderung der Militärgeschichte, im Mittelpunkt gestanden. Bei dieser Gelegenheit sprach er die personellen Veränderungen des Vereins an: Der AKM hatte insgesamt 14 Vereinsvorstände und 32 Vorstandsmitglieder mit sehr unterschiedlichen Aufgabengebieten, die sich um den Verein besonders verdient gemacht haben. In diesem Zusammenhang dankte Clauss besonders den Ehrenvorsitzenden, wie dem 2003 verstorbenen Gründungsvorsitzenden Wilhelm Deist, der den Vorstand von 1996 bis 2002 geleitet hatte, mit Gerd Krumeich als Zweitem AKM-Vorsitzenden von 1996 bis 2005. Stig Förster hatte das Amt des Ersten Vorsitzenden des AKM von 2002 bis 2017 inne. Clauss betonte, dass die beiden Letztgenannten bis heute dem Verein treu geblieben seien und dem aktuellen Vorstand mit Rat und Tat zur Seite stünden. Um das Verhältnis zwischen alten und neuen Vorstandsmitgliedern zu vergleichen, griff Clauss auf ein Sprachbild aus dem 12. Jahrhundert zurück: „Nanos gigantum humeris insidentes“ („Zwerge auf den Schultern von Riesen sitzend“). Der Philosoph Bernhard von Chartres († 1124) habe das Verhältnis von Gelehrten wie folgt beschrieben: Die Jüngeren sahen mehr und weiter als die Älteren. Nicht weil sie jung waren, sondern weil sie wie Zwerge auf den Schultern von Riesen saßen. So könnten auch die Jüngeren auf die vergangenen 25 Jahre Vereinsarbeit erfolgreich aufbauen. Clauss blickte auf etliche Neuerungen und Weiterentwicklungen des Vereins zurück, darunter die Einrichtung des „Portal Militärgeschichte“ als Internetpräsenz des Vereins und wissenschaftliche Publikationsplattform. Heute ist die Seite für den Verein ein Aushängeschild und eine feste Größe in der nationalen und internationalen Wissenschaftskommunikation.
Es folgte abschließend die Verleihung des Wilhelm-Deist-Preises 2020, welchen der AKM seit 2006 in Erinnerung an sein namhaftes Gründungsmitglied und Ersten Vorsitzenden, Wilhelm Deist, vergibt. Im Jubiläumsjahr wurden – erstmals – zwei Preisträgerinnen und Preisträger gekürt: Linus Birrel (Universität Freiburg) wurde für seine Masterarbeit mit dem Titel „Die Rezeption der deutschen Stoßtruppen des Ersten Weltkrieges in der Weimarer Republik“ und Monique Lichtenberg (Universität Zürich) für ihre Masterarbeit „Zwei Schweizer Ärzte im fernen Osten. Wissenschaft niederländischer Imperialismus, das Schweizer Bürgertum und die Kolonie als Kapital (ca. 1879–1935)“ ausgezeichnet.
Der Impulsvortrag von SÖNKE NEITZEL befasste sich mit besonderen Leistungen und künftigen Perspektiven des AKM sowie der Militärgeschichtsforschung im deutschsprachigen Raum, insbesondere Deutschland, in den zurückliegenden 25 Jahren. Zunächst skizzierte der Referent die Geschichte des AKM, die er als Gründungsmitglied mitgetragen und besonders als langjähriger Zweiter Vorsitzender (2005–2015) aktiv mitgestaltet hat. Bereits die mit 79 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besuchte Gründungssitzung am 21./22. Oktober 1995 in Freiburg im Breisgau und das schnelle Anwachsen des Vereins in vergleichsweise kurzer Zeit habe das im deutschsprachigen Raum vorhandene, rege wissenschaftliche Interesse an Militärgeschichte gezeigt. Um die Frage nach dem Erfolgsrezept des heute mehr als 500 Mitglieder umfassenden Arbeitskreises zu beantworten, zeichnete Neitzel im Anschluss die Entwicklung des Arbeitskreises und der militärgeschichtlichen Forschung in Deutschland nach, wobei er die bedeutendsten Impulsgeber und Gestalter dieser Prozesse (u.a. Wilhelm Deist, Stig Förster, Gerd Krumeich, Gerhard Hirschfeld, Bernd Wegner und Bernhard R. Kroener) und deren Vernetzung vorstellte. Neben diesen Netzwerkverbindungen arbeitete der Referent auch die bereitwillige Rezeption neuer Forschungstrends als ein Erfolgsgeheimnis des Vereins heraus. Dabei verwies er besonders auf die Adaption kultur- und mentalitätsgeschichtlicher Fragestellungen, die Anfang der 1990er Jahre immer stärker in den Mittelpunkt der Forschung rückten und später noch um geschlechtergeschichtliche Aspekte erweitert wurden. Ferner sei auch der Zeitpunkt der Vereinsgründung günstig gewesen, da das gesellschaftliche Interesse an Themen wie Sicherheitspolitik, Militär und dem Phänomen Krieg in den Jahren vor und um die Jahrtausendwende deutlich angestiegen sei. Als eine weitere große Stärke des Vereins identifizierte Neitzel die Bandbreite methodisch-theoretischer Zugänge, die der Arbeitskreis in sich vereinigt habe, ohne dass es zu destruktiven Richtungsstreits gekommen sei. Vielmehr sei es ein Charakteristikum des Vereins, dass teils gegensätzliche Standpunkte stets für die Forschung gewinnbringend in einen offen geführten Meinungsaustausch und Wettstreit der Argumente eingebettet werden konnten. Ferner schrieb er den AKM-Jahrestagungen nicht nur eine hohe Bedeutung als Bühne aktueller Trends der Forschung zu, sondern stellte auch ihre Rolle als liberalen, universitär geprägten Begegnungs- und Diskussionsraum unter den angehenden und etablierten Vertreterinnen und Vertretern der Militärgeschichtsforschung heraus.
Neitzel zeigte aber auch Defizite und Perspektiven in der Ausgestaltung des Vereins, seiner institutionellen Verknüpfung und der Verankerung der Militärgeschichte als Fachdisziplin in der akademischen Forschungslandschaft auf. Resümierend konstatierte Neitzel zwar das vorläufige Ende einer ersten, besonders prosperierenden Phase der Militärgeschichtsforschung in Deutschland. Dabei betonte er aber auch, dass der Fortbestand der Fachdisziplin durch neue Akteure ebenso gesichert sei, wie durch die institutionelle Verankerung der Militärgeschichte im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Dem AKM sei es ferner gelungen, den für Vereine neuralgischen Punkt des Generationenwechsels im Vorstand hervorragend zu vollziehen und sich auch medialen Entwicklungen durch die Einrichtung des Portal Militärgeschichte als Kommunikationsmedium anzupassen. Abschließend forderte der Referent dazu auf, diese positive Geschichte fortzuschreiben und das liberale, integrative und vom wissenschaftlichen Diskurs geprägte Wesen des Vereins auch in Zukunft zu bewahren.
In drei Blöcke gegliedert schloss sich die von CHRISTA EHRMANN-HÄMMERLE moderierte Podiumsdiskussion an den Impulsvortrag an. STIG FÖRSTER, MARIAN FÜSSEL, WENCKE METELING, SÖNKE NEITZEL und MARKUS PÖHLMANN führten mit ihren fachlichen, teils persönlichen Ansichten, Erfahrungen und Meinungen zum AKM und seiner Geschichte sowie zur Militärgeschichte im Allgemeinen die thematische Richtung fort. In einer Einführungsrunde schilderten die Diskutanten ihren Weg hin zur Militärgeschichte, wobei grundlegendes Interesse mit (wissenschaftlichen) Zufällen einherging. Der erste Schwerpunkt der Diskussionsrunde widmete sich der Geschichte des AKM – seiner Gründung, seinen Formaten und Aktivitäten, den Weichenstellungen, Stolpersteinen sowie der Nachwuchsförderung. Die Idee zur Gründung eines militärhistorischen Vereins, berichtete Förster, war in Zeiten neu aufkommenden Interesses am Sujet in einem privaten Gespräch auf der Terrasse geboren, bevor sie auf dem Leipziger Historikertag 1994 präsentiert wurde. Sie traf den Zeitgeist und schon bald wuchs die Zahl der Mitglieder stetig an. Mittlerweile beträgt diese, wie bereits erwähnt, über 500 Personen. Die Stärken des AKM lägen, so Meteling, in der epochenübergreifenden Ausrichtung bei klarem Gegenstandsbezug auf das Militär in der Gesellschaft. Exkursionen, so war man sich einig, würden das Gemeinschaftsgefühl stärken und Geschichte erfahrbar machen.
Der zweite Block beleuchtete die Entwicklung, den Ruf sowie die Innovationskraft der deutschsprachigen Militärgeschichte, auch in Wechselbeziehung zur internationalen Forschung. Hier aufgeworfene Fragen waren unter anderem: Wie ist das Verhältnis zu verwandten wissenschaftlichen Disziplinen? Wie trugen und tragen weiterhin der AKM und weitere Institutionen wie etwa das ZMSBw zum Stand der deutschsprachigen Militärgeschichte bei? Die Publikationssprache Deutsch wurde dabei einerseits als ein Schlüsselelement herausgestellt. Insbesondere der Vergleich mit der New Military History und ihren Spezifika in englischsprachigen Ländern drängte sich aufgrund persönlicher Erfahrungen der Diskutierenden auf, doch wurde andererseits auf die positive Wirkung deutscher Veröffentlichungen in Osteuropa und weit darüber hinaus bis nach Japan aufmerksam gemacht. Trotz sprachbedingter Verständigungsbarrieren sei es um die Außenwirkung deutschsprachiger (erweiterter) Militärgeschichte durchaus gut bestellt. Nach innen entpuppe sie sich hingegen trotz starker Institutionen wie dem ZMSBw weiterhin als eine vergleichsweise marginale Subdisziplin der Geschichtswissenschaften, zumindest was Lehrstühle an Universitäten angehe. Dabei wäre eines ihrer Charakteristika und zugleich eine wesentliche Stärke moderner Militärgeschichte das Arbeiten an der Schnittstelle zu und mit angrenzenden Forschungsgebieten: Exemplarisch genannt seien hier etwa Gewalt- und Konfliktforschung, die (empirischen) Sozialwissenschaften, aber auch Fächer wie Klimaforschung, Theologie und Kunstgeschichte, die zum Verständnis von Krieg und Militär ganz wesentlich beitragen.
Abschließend widmeten sich die an der Diskussionsrunde Teilnehmenden den Problemen und Perspektiven der Disziplin im Spannungsfeld von wachsendem Interesse an Militärgeschichte auch in der breiten Öffentlichkeit und der mangelnden theoretischen Fundierung sowie Ausrichtung von Lehrstühlen. Es liege nun, so Neitzel, an der nächsten Generation, auf den von den Älteren geschaffenen Fundamenten aufzubauen, nach außen und innen, das heißt in die Wissenschaft neue Erkenntnisse zu tragen sowie den Anschluss an breitere, über die Militärgeschichte hinausgehende Diskurse zu finden. Marian Füssel verwies hierbei mehr auf konzeptionelle als institutionelle Herausforderungen: Bei aller theoretischen Erweiterung dürften die Methoden nicht überfordern. Er plädierte für Längsschnitte, um die Stärken der Militärgeschichte, vor allem die interepochale Perspektive, auszuspielen. Begriffsschärfungen seien dabei unabdingbar, ergänzte Markus Pöhlmann. Von den Anfängen des AKM war somit der Bogen bis zur Zukunft der Disziplin gespannt: Bei allen aktuellen und kommenden Herausforderungen verweist der AKM als einer der größten Geschichtsvereine hierzulande auf ein ungebremstes Interesse an Militärgeschichte.
Zitierempfehlung: Christina Kecht/Marie-Kristin Reischl/Florian Wieninger, Jubiläumspanel 25 Jahre Arbeitskreis Militär-geschichte e. V. „Verein(te) Militärgeschichte: Der Arbeitskreis Militär-geschichte e. V. und die Entwicklung einer historischen Subdisziplin“, in: Portal Militärgeschichte, 23. August 2021, URL: https://portal-militaergeschichte.de/kecht_reischl_wieninger_jubilaeumspanel, (Bitte fügen Sie in Klammern das Datum des letzten Aufrufs dieser Seite hinzu).