Ein Workshop des Chemnitzer Kolloquiums zur Erforschung des mittelalterlichen Krieges am 19./20. September 2018
Sandra Venzke
Tagungsbericht
Veröffentlicht am: 
04. Juni 2021
DOI: 
https://doi.org/10.15500/akm.27.05.19

Vom 19.–20.09.2018 versammelten sich in Chemnitz NachwuchsforscherInnen der Mediävistik zu einem von der Professur für die Geschichte Europas im Mittelalter und der Frühen Neuzeit der TU Chemnitz (Martin CLAUSS) ausgerichteten und vom Arbeitskreis Militärgeschichte e. V. geförderten Workshop mit dem Titel „Aktuelle Forschungen zum Krieg im Mittelalter“. Dieser Workshop verfolgte das Ziel, NachwuchswissenschaftlerInnen zusammenzubringen, die sich in ihren Forschungsprojekten – bei allen handelt es sich um Dissertationsprojekte – mit dem Krieg im Mittelalter auseinandersetzen. Er bot den TeilnehmerInnen die Möglichkeit, die eigenen Projekte vorzustellen, um im Anschluss gemeinsam die Themen und einzelne Aspekte sowohl inhaltlich als auch methodisch zu diskutieren. Martin Clauss eröffnete den Workshop und hob in einem kurzen Eingangsstatement die Wandlungen hervor, welche sich in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die mediävistische Erforschung kriegerischer Konflikte feststellen lassen.

Als erster Teilnehmer stellte Fabian FELLERSMANN (München) sein Dissertationsprojekt vor, in dem er die mittelalterliche Schlacht im Zeitraum von 1075–1315 untersucht. Ziel ist dabei eine Annäherung an die Wirklichkeit des Schlachtfeldes, wobei ein Fokus auf dem Agieren des mittelalterlichen Heeres als Personenverband liegt. Er wies anhand mehrerer Ausschnitte historiographischer Quellen auf ein wiederkehrendes Narrativ mittelalterlicher Geschichtsschreiber hin, welche in ihren Werken die ‚deutschen‘ Kämpfer als bevorzugt zu Fuß kämpfend darstellten. Mit dieser Kampfweise grenzten sie diese explizit von anderen Gruppen ab, vor allem von den beritten kämpfenden ‚französischen‘ Kriegern. Seinem Forschungsinteresse folgend stellte Fabian Fellersmann die Frage, inwiefern man dieses Bild als Topos oder Realität bewerten könne. Hierbei wies er darauf hin, dass die angesprochenen Zeugnisse allesamt Außenwahrnehmungen darstellten, die Parallelen zu Völkerstereotypen in antiken und byzantinischen Quellen aufwiesen. Demgegenüber schilderten zeitgenössische Historiographen aus dem Reichsgebiet selbst die ‚deutschen‘ Krieger in der Schlacht fast immer als beritten kämpfend.

Das Forschungsprojekt von Sebastian SCHAARSCHMIDT (Chemnitz) rückte das Verhältnis zwischen Königtum und Krieg im Hochmittelalter in den Mittelpunkt der Diskussion. Es untersucht die zeitgenössische Perspektive auf dieses Wechselverhältnis für die Zeit der Stauferkönige. Das Projekt fragt einerseits, wie auf der Darstellungsebene König und Kriegsgeschehen in einen Zusammenhang gestellt wurden. Dabei werden die Rollen, welche ein König im Krieg einnehmen konnte, kategorisierend als Krieger, Feldherr und Kriegsherr beschrieben. Mit Hilfe diskursanalytischer und narratologischer Ansätze analysiert das Projekt die Funktionen der aufgerufenen Bilder und untersucht schließlich, was über den König und den Krieg sagbar war und was nicht. Da auch Königinnen als Teil des Königtums durchaus in einer Beziehung zum Krieg standen, widmet sich Sebastian Schaarschmidt nicht zuletzt auch den Bildern von weiblicher Herrschaft im Kontext organisierter Gewalthandlungen.

Mit einem der prominentesten Vertreter der Familie der Staufer setzte sich wiederum Thilo TREß (Freiburg) auseinander. Seine Arbeit untersucht die Heldendarstellung Friedrich Barbarossas in der zeitgenössischen Historiographie und Epik. Ein zentrales Problem stellt dabei die Frage dar, welche Handlungsweisen und Eigenschaften für die mittelalterlichen Zeitgenossen heroisierbar waren und welche nicht. In diesem Zusammenhang nimmt die Dissertation auch die Darstellung von und den Umgang mit Gewalt in den Quellen in den Blick. Thilo Treß zeigte auf, dass sich bei der Perspektive auf Gewalt im Mittelalter ein Wandel vollzogen hat. Vermied man es lange, Helden mit gewaltsamen Handlungen in einen direkten Bezug zu setzten, erhielt zur Zeit des staufischen Herrschers vom Kaiser ausgehende, auch exzessive Gewalt in den historiographischen Quellen nun eine größere Akzeptanz. Eine Erklärung für diesen Wandel in den Darstellungskonventionen könnte Thilo Treß zufolge – neben durch historische Ereignisse wie etwa dem Investiturstreit oder der Kreuzzugsbewegung veränderten Rahmenbedingungen – im Gattungswandel der Historiographie liegen, die nun stärker von der Epik beeinflusst wurde und der sich so neue darstellerische Möglichkeiten erschlossen.

Die letzte Sektion des Workshops beschäftigte sich dann mit dem Projekt von Sandra VENZKE (Paderborn). Sie untersucht die Handlungsweisen der Sieger mittelalterlicher Schlachten nach dem Kampf und vertritt dabei die These, dass diese – im günstigen Fall – einen doppelten Transformationsprozess schufen. So überführten diese sie einerseits den militärischen Erfolg auf eine politische Ebene und leiteten andererseits vom Krieg in den Frieden über. Anhand eines Fallbeispiels – den Maßnahmen des siegreichen Philipps von Schwaben nach dessen Begegnung mit Otto IV. bei Wassenberg im Jahr 1206 – wurden methodische Aspekte, aber auch die militärische und politische Bedeutung von Schlachten im Mittelalter diskutiert. Mit der Frage nach der Identifikation von Schlachten in Abgrenzung zu Scharmützeln und Gefechten und der Definition des Begriffs gelang letztlich wieder der Bogenschlag zur ersten Sektion des Workshops.

Weitere Aspekte machten im Verlauf des Workshops immer wieder die Anschlussfähigkeit der Forschungsprojekte untereinander deutlich. Zugleich gelang es aber durch ihre unterschiedliche thematische Verortung, ein weites Feld der neueren mediävistischen Kriegsforschung aufzuspannen und zu zeigen, welche Räume hier noch zu besetzen sind. Das nächste Chemnitzer Kolloquium zur Erforschung des mittelalterlichen Krieges wird voraussichtlich im August 2019 stattfinden.

 

 

Tagungsprogramm

Mittwoch, 19.09.18

Prof. Martin Clauss: Begrüßung und Einführung

 

Donnerstag, 20.09.18

Prof. Martin Clauss: Aktuelle Forschung zum Krieg im Mittelalter

Fabian Fellersmann: Die Schlacht 1075–1315. Annäherung an einen Sonderfall mittelalterlicher Kriegführung

Sebastian Schaarschmidt: Königtum und Krieg in der Stauferzeit

Thilo Treß: Der Herrscher als Held? Friedrich Barbarossa in der zeitgenössischen Historiographie und Epik

Sandra Venzke: Handlungsweisen der Sieger nach der mittelalterlichen Schlacht

 

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