Heidelberg, 28.-30. September 2022
Betrachtet man die Erinnerungskultur zum Zweiten Weltkrieg aus einer nicht-europäischen Perspektive, so fällt beim Besuch beispielsweise US-amerikanischer oder australischer Museen schnell auf, dass der Pazifikkrieg in der dortigen Wahrnehmung des Zweiten Weltkriegs einen zentralen Stellenwert einnimmt. Im Gegensatz dazu sind Facetten dieses global geführten Krieges im deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskurs noch immer unterrepräsentiert und werden nur randständig berücksichtigt. Dabei lassen sich Fragen etwa zur Kriegsstrategie, zur Militärorganisation, zum Kriegsgefangenenwesen, zum Einsatz von Zwangsarbeit oder zu Besatzungspraktiken im transnationalen Vergleich gewinnbringend diskutieren. Auch weitere asiatische Kriegsschauplätze wie die des Russisch-Japanischen Krieges oder die des Vietnamkriegs sind hinsichtlich ihrer globalen Bedeutung bislang nur unzureichend erörtert worden; antike und moderne Kriegsphänomene wie der „Mongolensturm“ auf Europa sowie die asiatischen Kriege im Kontext der imperialen Expansion und inner-asiatischer Konflikte bieten sich als weitere Themenfelder an, um die Breite des Feldes zu verdeutlichen. Auch die (militärische) Interaktion und Verflechtung zwischen Asien und Europa stehen im Fokus der Analyse.
Um sich diesen skizzierten, übergeordneten Frage anzunähern und das Feld im deutschsprachigen Raum zu etablieren, soll bei der Tagung der „Kriegsschauplatz Asien“ chronologisch breit durch alle Epochen untersucht werden – und das auch mit seinen Aus- und Wechselwirkungen mit dem „Westen“ (Europa und die USA). Im historischen Längsschnitt sollen dabei militärische Konflikte in Asien – lokale Schlachten, nationale Bürger- und Revolutionskriege, Kolonialkriege, der asiatisch-pazifische Raum als Schlachtfeld zweier Weltkriege, die in Asien geführten „heißen Kriege“ des Kalten Kriegs oder auch der etwa in Indonesien und auf den Philippinen geführte „War on Terror“ – und damit verbundene militärgeschichtliche Themenkomplexe aus den verschiedensten Blickwinkeln und Perspektiven thematisiert werden. Darunter fallen beispielsweise auch Fragen nach einem spezifisch „asiatischen Fuß- oder Fingerabdruck“ des Sujets Krieg, einer dezidiert „asiatischen Erinnerungskultur“, einer „Asian Culture of War“ oder einer „asiatischen Kriegsjustiz“. Das um 500 v.Chr. entstandene Werk „Sunzi Bingfa“ (Über die Kriegskunst) zählt beispielsweise in der Militärgeschichte bis heute zu den absoluten Klassikern für Strategie. Gerne werden Vergleiche zwischen diesem aus der Feder des Chinesen Sunzi stammenden Werk mit Clausewitz‘ „Vom Kriege“ gezogen. Eine der übergeordneten Fragen lautet dabei, ob und wenn ja inwiefern es Unterschiede zwischen einer „asiatischen“ Kriegskunst, -entwicklung, -strategie und -kultur und einer westlichen, „amerikanisch-europäischen“ gibt.
Diesen und weiteren Themenfeldern zum „Kriegsschauplatz Asien“ in historischer und geografischer Breite widmet sich die Fachtagung. Ausgewählte Beiträge werden in einem Tagungssammelband veröffentlicht.
Organisation: Prof. Kerstin von Lingen (Universität Wien) und Dr. Takuma Melber (Heidelberg)
In Kooperation mit dem Arbeitskreis Militärgeschichte e.V. und der Professur für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt der Universität Potsdam
Teilnahme: Eine Konferenzteilnahme ist ausdrücklich nur nach schriftlicher, verbindlicher Voranmeldung per E-Mail an takuma.melber@hcts.uni-heidelberg.de unter dem Betreff „AKM 2022 – Anmeldung“ möglich, da die Teilnehmerzahl im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg einer strengen Begrenzung unterliegt. Die Plätze werden nach dem „Windhundprinzip“ vergeben. Die Organisatoren bitten um Verständnis!
TAGUNGSPROGRAMM
Mittwoch, 28. September 2022
Veranstaltungsort: Heidelberg Centre for Transcultural Studies (HCTS), Voßstr. 2, 69115 Heidelberg, Raum 400.02.12
17 Uhr: Begrüßung
Prof. Kerstin von Lingen (Wien) und Dr. Takuma Melber (Heidelberg)
17:15 – 19:00 Uhr: Keynote
Prof. Stig Förster (Bern); Globalisierte Gewalt. Asien und die Geschichte der Weltkriege
19:30 Uhr: Abendessen
Donnerstag, 29. September 2022
Veranstaltungsort: IWH, Hauptstraße 242, 69117 Heidelberg
9:30 Uhr: Einleitung
Dr. Takuma Melber (Heidelberg): Einführung in die Thematik anhand von Schlüsselereignissen asiatischer Kriegsgeschichte
10:00 – 11:30 Uhr: Panel I: Kriegsstrategien und militärische Expansion in vormoderner Zeit
Chair: Prof. Martin Clauss (Chemnitz)
Simon Puschmann, M.A. M.Ed. (Bochum): "Jeder Krieg ist anders. Jeder Krieg ist gleich" – Überlegungen zu einer asiatischen und europäischen Kunst des Krieges anhand Sun Zi und den antiken Militärschriftstellern
Pattrick Piel, M.A. (Heidelberg) Perspektiven auf die Versorgung steppennomadischer Feldzüge. Das Beispiel der mongolischen Logistik
Prof. Dr. Markus Koller (Bochum): Militärische Gewaltkulturen im Indischen Ozean - die osmanisch-portugiesische Rivalität im 16. Jahrhundert
11:30 – 13:30 Uhr: Mittagessen
13:30 – 14:30 Uhr: Panel II: Die Modernisierung asiatischer Armeen
Chair: Dr. Christin Pschichholz (Potsdam)
Johannes Nagel (Bielefeld): Der China-Japan-Vergleich im amerikanischen Militärreformdiskurs 1865-1900
Daniel Schneider, M.A. (Freiburg im Breisgau): Ein Beispiel westlicher Kanonenbootdiplomatie in Asien: Der Einsatz des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders der Kaiserlichen Marine in Fernost
14:30 – 15:00 Uhr: Kaffeepause
15:00 – 16:00 Uhr: Panel III: Der Russisch-Japanische Krieg (1904/1905) als Auftakt zum Zeitalter der Weltkriege
Chair: Prof. Hans Martin Krämer (Heidelberg)
Dr. Lukas Grawe (Bremen): Kriegervolk und "Preußen des Ostens". Japanbilder deutscher Militärbeobachter während des Russisch-Japanischen Krieges
Dr. Andreas Eichleter (Heidelberg): Der Krieg und die Presse – Die Deutsche Japan Post und der Russisch-Japanische Krieg
16:00 – 16:30 Uhr: Kaffeepause
16:30 Uhr: Verleihung der Wilhelm-Deist-Preise 2020, 2021 und 2022
Im Anschluss: Vorstellung des Portal Militärgeschichte
19:30 Uhr: Conference Dinner
Freitag, 30. September 2022
Veranstaltungsort: IWH, Hauptstraße 242, 69117 Heidelberg
09:30 – 11:00 Uhr: Panel IV: Asien und der Erste Weltkrieg
Chair: Prof. Tanja Penter (Heidelberg)
Dr. Christin Pschichholz (Potsdam): Bevölkerungsgruppen als geopolitische Manövriermasse. Deutsche Perspektiven auf Vorderasien während des Ersten Weltkrieges
Dr. Daniel Marc Segesser (Bern): "Far West and Near North": Australische Nachkriegsperspektiven auf Kriegsschauplätze in Asien während des Ersten Weltkrieges, 1918–1942
David X. Noack, M.A. (Mannheim): Britische, deutsche und sowjetische Perspektiven auf und die Rolle Großbritanniens und der Sowjetunion im Afghanischen Bürgerkrieg 1928/1929
11:00 – 11:30 Uhr: Kaffeepause
11:30 – 12:30 Uhr: Panel V: Der Zweite Weltkrieg in Asien
Chair: Dr. Takuma Melber (Heidelberg)
Dr. Tino Schölz (Berlin): Disziplin und Insubordination im Kaiserlich Japanischen Heer während des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1937–1945
Alexandra Valdez, M.A. (Heidelberg): Witnessing and Remebering the "Typhoon of Steel": Personal Accounts of the Battle of Okinawa
12:30 – 14:00 Uhr: Mittagessen
14:00 – 15:30 Uhr: Panel VI: Asien und das Zeitalter des Kalten Krieges
Chair: Prof. Kerstin von Lingen (Wien)
Dr. Marcel Berni (Zürich): Stellvertreterkriege in Asien: Überlegungen zu einer transnationalen Strategiegeschichte
Prof. Dr. Bernd Greiner (Hamburg): Die USA in der Glaubwürdigkeitsfalle: Der Krieg in Vietnam
Dr. Wolfgang Form (Marburg): Das Pol Pot Regime und das Narrativ vom "Cambodian Genocide"
Im Anschluss: Abschlussdiskussion/Fazit und Verabschiedung der Teilnehmer*innen
Wir danken dem AKM, der Professur für Zeitgeschichte (Vergleichende Diktatur-, Gewalt- und Genozidforschung) der Universität Wien und der Professur für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt der Universität Potsdam für finanzielle Unterstützung der Tagung.
Dem Heidelberg Centre for Transcultural Studies (HCTS) und dem Internationalen Wissenschaftsforum der Universität Heidelberg (IWH) danken wir für die Überlassung ihrer Räume.