Die Tendenz zum totalen Krieg, 1792-1945
Stig Förster
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
05. November 2012

Schon im 19. Jahrhundert finden sich Beispiele für eine entgrenzte Kriegführung. In den beiden Weltkriegen wurde die Tendenz zur Totalisierung des Krieges unübersehbar. Der Wunsch nach totaler Sicherheit führte dazu, dass im Krieg die Trennlinien zwischen Kombattanten und Zivilisten verwischt wurden. Die Folge war die totale Unsicherheit.

I. Die Staatsgewalt

"A king is ... the origin of stability and possession. If royalty did not exist, the storm of strife would never subside, nor selfish ambition disappear. Mankind, being under the burden of lawlessness and lust, would sink into the pit of destruction; the world, this great market place, would lose its prosperity, and the whole earth become a barren waste. But by the light of imperial justice, some follow with cheerfulness the road of obedience, whilst others abstain from violence through fear of punishment; and out of necessity choice of the path rectitude." 1

Mit diesen Worten begründete um 1590 Abul Fazl Allami, ein Würdenträger am Hofe des indischen Mogul-Herrschers Akbar, die Notwendigkeit der Errichtung eines staatlichen Gewaltmonopols. Auch Temüjin, nach der Unterwerfung der mongolischen Steppe zum Tschingis Khan erhoben, beanspruchte auf der Reichsversammlung des Jahres 1206 das Gewaltmonopol für den nunmehr gegründeten Staat. 2 Viele andere, weit in die Geschichte zurückreichende Beispiele ließen sich anfügen. Die Idee des staatlichen Gewaltmonopols scheint fast so alt zu sein wie das Konzept der Staatlichkeit selbst, und sie ist keineswegs auf Europa beschränkt. Ja, es ist geradezu eine zentrale Aufgabe des Staates und die Quelle seiner Legitimation, für die Sicherheit der in ihm versammelten Menschen nach innen und außen zu sorgen. Dafür aber bedarf es starker Machtmittel und der Durchsetzung des Gewaltmonopols. Andererseits hat die Geschichte allzu oft die Umkehrung dieses Prinzips erlebt, nämlich dass die Sicherheit des Staates selbst und damit der ihn beherrschenden Eliten zur obersten Maxime erklärt wird. Unter dieser Prämisse wird die Sicherheit der Masse der Bewohner zum zweitrangigen Gut. Dann wird der Staat zur Bedrohung. Es ist diese Ambivalenz, welche das Problem der Sicherheitspolitik unter den Bedingungen des staatlichen Gewaltmonopols maßgeblich geprägt hat und welche zum Ausgangspunkt des alten Streites zwischen den Überlegungen eines Thomas Hobbes und eines Jean-Jacques Rousseau geworden ist. 3

Wolfgang Reinhard hat die Geschichte der Staatsgewalt als eine Art Alleinstellungsmerkmal insbesondere der neuzeitlichen europäischen Geschichte dargestellt. 4 Auch wenn der Autor dieses Aufsatzes aus den oben genannten Gründen mit dieser Verengung nicht einverstanden ist, so soll doch im folgenden dieses Argument insofern aufgegriffen werden, als die westliche Staatenwelt im Mittelpunkt der Analyse stehen wird. Diese Zugangsweise ist dem Umstand geschuldet, dass vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts europäische und europäisierte (wie vor allem die USA) Staaten unbestritten an der Spitze der historischen Entwicklung standen. Sie stellten nicht nur wirtschaftlich und gesellschaftlich die Speerspitze in der Herausbildung der Moderne dar, sondern waren führend in der Schaffung organisierter Staatlichkeit und überragender Machtmittel. 5

Es war aber auch diese im Kern transatlantische Welt, in der sich jene Problematik entwickelte, die das Thema dieses Aufsatzes sein wird: staatliche Sicherheitspolitik im Spannungsfeld zwischen Gewaltmonopol und revolutionären Umbrüchen. Dabei wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Problem der äußeren Sicherheit liegen, was unweigerlich das Phänomen Krieg zum Gegenstand der Betrachtung macht. Natürlich war die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols zunächst einmal eine nach innen gerichtete Veranstaltung. Gerade im Gefolge von Revolutionen, die das lange 19. Jahrhundert und auch das 20. Jahrhundert wesentlich prägten, ging es wiederholt um das Problem, wie funktionierende Staatlichkeit wiederhergestellt werden konnte. Überdies schuf die Intensivierung der staatlichen Strukturen die Notwendigkeit und auch die Möglichkeit, die innere Sicherheit mittels entwickelter Polizeigewalt durchzusetzen. Dies eröffnete spätestens im 20. Jahrhundert den Weg in den totalen Staat, wobei auch westliche Demokratien von dieser Tendenz nicht verschont blieben. Als Katalysator in dieser Entwicklung aber wirkte der Krieg. Seit der Französischen Revolution und unter dem Einfluss wachsender staatsbürgerlicher Partizipation durchlief er nämlich einen Prozess der Entgrenzung, zwar nicht linear aber doch tendenziell. Sicherheitspolitik nach innen war somit die Grundlage für die Sicherheitspolitik nach außen, denn es ging zunehmend um die Mobilisierung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen für den Ernstfall. Damit wurde die Tendenz zur Totalisierung des Krieges geboren, welche die sicherheitspolitischen Parameter entscheidend verschob. All dies soll im Folgenden skizzenhaft analysiert werden. Es wird sich um einen Ritt durch die neueste Geschichte handeln, der die Dinge auf wenigen Seiten natürlich nur umreißen kann. Dabei wird es vor allem darum gehen zu zeigen, dass in dieser von radikalen Umbrüchen geprägten Epoche der Wunsch nach Sicherheit unter staatlicher Ägide das genaue Gegenteil bewirken konnte: die Abwesenheit jeglicher Sicherheit.

II. Revolution und Krieg

"Der Krieg war plötzlich wieder eine Sache des Volkes geworden, und zwar eines Volkes von 30 Millionen, die sich alle als Staatsbürger betrachteten." 6

Mit diesen Worten beschrieb Carl von Clausewitz die sozialen und politischen Umwälzungen im Gefolge der Französischen Revolution von 1789 und deren Rückwirkungen auf den Charakterwandel des Krieges. Die Forschung ist in den letzten Jahrzehnten dieser Analyse Clausewitz' grundsätzlich gefolgt, hat sie verfeinert, an manchen Stellen differenziert, aber doch im Kern bestätigt. Grob skizziert ergibt sich daraus folgendes Bild: Die Revolutionen in Nordamerika und vollends jene in Frankreich führten Ende des 18. Jahrhunderts zur prinzipiellen Abwendung von dem bis dahin in weiten Teilen Europas gültigen Beziehungsgeflecht zwischen Staat, Gesellschaft und Krieg. Die Monarchen und Fürsten verloren ihren in der vorangegangen Epoche mühselig errungenen Monopolanspruch auf die Gewaltausübung nach innen und außen, welchen sie mit Hilfe von vergleichsweise zahlenmäßig kleinen Berufsarmeen durchgesetzt hatten. Das revolutionäre Prinzip der staatsbürgerlichen Partizipation hob die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft auf eine neue Ebene. Dies hatte enorme Rückwirkungen auf den Charakter des Krieges. Tendenziell ersetzte nun der Krieg der Staatsbürger den Kabinettskrieg, wie der Zeitzeuge Carl von Clausewitz in seinem Diktum andeutete. Die Massenheere, mit denen das revolutionäre und danach das napoleonische Frankreich Europa überrannte, verfügten über eine nahezu unwiderstehliche Durchschlagskraft. Der Krieg nahm größere und gewaltigere Dimensionen an. Dadurch, dass das Volk zum Träger der Kriegsanstrengungen geworden war, geriet allerdings das staatliche Gewaltmonopol in Gefahr. Der Krieg wurde sozusagen von unten politisiert und wurde daher unkontrollierbarer. Er konnte auch zum Bürgerkrieg mutieren, wie etwa in der Vendée. In Spanien, in Tirol und in Kalabrien brach sich die damalige Tendenz zur Entstaatlichung des Krieges durch die Erfindung des Guerillakrieges endgültig Bahn. Wollte der Staat angesichts derartiger Entwicklungen das Szepter in der Hand behalten, ohne gleichzeitig auf die neuartige Waffe der Volksmobilisierung zu verzichten, mussten neue Wege gefunden werden. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht erwies sich als das probate Mittel, Volksmassen in den Krieg zu werfen, ihnen eine halbwegs brauchbare militärische Ausbildung angedeihen zu lassen, die Disziplin der Truppe einigermaßen zu gewährleisten und auf diese Weise die Mobilisierung unter der Kontrolle des Staates zu behalten. Während die Kriegführung sich somit auf hoher Ebene verstetigen konnte, wie vor allem Napoleon Bonaparte demonstrierte, intensivierte der Staat nach innen den Zugriff auf seine Bürger. Gerade erst gewonnene Freiheiten wurden durch neue Verpflichtungen ersetzt. Staat und Krieg hatten dialektisch eine neue Entwicklungsstufe erreicht. 7

Unter den Bedingungen immer neuer und härterer Kriege, die sich zwischen 1798 und 1815 zu einem regelrechten Weltkrieg 8 verdichteten, wurden die hehren Prinzipien der Revolution an den Rand gedrängt. So fiel die Idee des Rechtsstaats, welche durch die siegreiche Revolution eigentlich einen entscheidenden Durchbruch hätte erzielen sollen, auf dem europäischen Kontinent einer Orgie von Gewalt zum Opfer. Selbst der berühmte Code Napoleon, der in Frankreich und anderswo für einigermaßen rechtsstaatliche Stabilität sorgen sollte, wurde unter dem Diktat Bonapartes zum Zwecke der Herrschaftsstabilisierung und der Mobilisierung von Ressourcen für fortgesetzte Kriege polizeistaatlich unterwandert. Auch in der britischen Monarchie, die über vergleichsweise starke Traditionen bei der Sicherung der Rechte ihrer Untertanen verfügte, herrschte offene Willkür, wenn es darum ging, Sympathisanten der Revolution auszuschalten. Viele Menschen wurden ohne fairen Prozess eingekerkert oder gar nach Australien deportiert. Obendrein lässt sich von geradezu hemmungsloser Klassenjustiz sprechen. Auf britischen Kriegsschiffen herrschte kein Recht, sondern nackte Barbarei. Der mehr als zwanzigjährige Krieg gegen Frankreich lieferte für derlei Missstände den Vorwand, ja war sogar der Grund dafür, dass sich die Verhältnisse verschlechterten. Einzig in den USA, wo das Prinzip der staatsbürgerlichen Partizipation in der Verfassung festgeschrieben wurde, blieben die positiven Ansätze zur Entwicklung eines Rechtsstaates weiterhin erkennbar, was natürlich nicht für schwarze Sklaven galt. Bis auf die Auseinandersetzung mit Großbritannien (1812-1814) wurde das neue staatliche Gebilde allerdings auch vom Krieg verschont. 9

Neuere Forschungen haben so manche Aspekte der These von der Revolutionierung des Krieges in jener Epoche infrage gestellt. So wurde das Ausmaß der taktischen Neuerungen ebenso bezweifelt, wie der revolutionäre Elan der französischen Soldaten. Manchen Historikern erscheint die nationale Mobilisierung gar als Mythos. 10 In der Tat lässt sich kaum leugnen, dass vom sozialen Gruppendruck bis hin zum staatlichen Zwang eine ganze Reihe von weniger romantischen Motiven im Spiel waren, wenn es um die Rekrutierung von Soldaten und die Unterstützung der Kriegsanstrengungen durch die Zivilbevölkerung ging. Vor allem unter Napoleon übernahm der Staat wieder das Kommando und zwar stärker als je zuvor. Auf der anderen Seite waren gerade die radikalsten Formen des Volkskrieges, der Aufstand und der Guerillakrieg, von deutlich rückwärts gewandten Motiven geprägt, wie etwa in der Vendée, in Kalabrien, in Tirol und in Spanien. 11

Und doch war die Schockwirkung, welche von den Revolutionskriegen ausging, groß genug, um das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Krieg auf eine neue Ebene zu heben. Die Kriege, welche zwischen 1792 und 1815 Europa verheerten, wurden immer umfangreicher und blutiger. Auf ihrem Höhepunkt mobilisierte Napoleon mehr als 600.000 Mann, um über Russland herzufallen. Nur ein kleiner Teil dieser Armee kehrte lebend zurück. Auch 1813/14 wurde unter Einsatz von für damalige Verhältnisse gewaltigen Armeen bis zur Abdankung des Kaisers der Franzosen gekämpft. Dabei trug ausgerechnet das vergleichsweise rückständige und autokratische Russland die Hauptlast der militärischen Anstrengungen der siegreichen Verbündeten.12 Ein derartiger Aufwand konnte nur durch große Mobilisierungsleistungen der beteiligten Staaten betrieben werden. Dennoch ist es eine Übertreibung, wenn David A. Bell in diesem Zusammenhang von totalem Krieg spricht, ohne diesen Begriff näher zu bestimmen. 13 Wie noch zu zeigen sein wird, ist nämlich von einem inflationären und unreflektierten Gebrauch dieses Schlagwortes abzuraten. Gleichwohl war nicht nur die gesteigerte Fähigkeit des Staates auffällig, die Gesellschaft für den Krieg zu mobilisieren, sondern auch die wachsende Bereitschaft zur Anwendung rücksichtsloser Gewalt. Dies kam nirgendwo radikaler zum Ausdruck als in der hemmungslosen Brutalität, mit welcher französische Soldaten gegen die Aufständischen in der Vendèe, in Kalabrien und in Spanien vorgingen. 14 Der Staat, ob revolutionär oder in Form eines populistischen Kaiserreiches, nahm sich das Recht heraus, nach innen und außen zum Mittel des systematischen Terrors zu greifen, wenn er seine Sicherheitsinteressen bedroht sah. Dies war zweifellos ein Menetekel für eine Zukunft, die im 20. Jahrhundert zur Realität werden sollte.

III. Staatliche Sicherheitspolitik zwischen Restauration und Volkskriegssyndrom

"Die Zeit der Kabinettskriege liegt hinter uns, - wir haben jetzt nur noch den Volkskrieg ... Meine Herren, wenn der Krieg, der jetzt schon mehr als zehn Jahre lang wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern schwebt, - wenn dieser Krieg zum Ausbruch kommt, so ist seine Dauer und ist sein Ende nicht abzusehen. Es sind die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegen einander in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in zwei Feldzügen so vollständig niedergeworfen werden, dass sie sich für überwunden erklärte, dass sie auf harte Bedingungen hin Frieden schließen müsste, dass sie sich nicht wieder aufrichten sollte, wenn auch erst nach Jahresfrist, um den Kampf zu erneuern. Meine Herren, es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißigjähriger Krieg werden, - und wehe dem, der Europa in Brand steckt, der zuerst die Lunte in das Pulverfass schleudert!" 15

Mit dieser Warnung vor der Zukunft fasst der greise ehemalige preußische Generalstabschef Helmuth von Moltke in seiner letzten Rede vor dem Deutschen Reichstag seine Erfahrungen aus den Entwicklungen des 19. Jahrhunderts seit dem Ende Napoleons zusammen. Er machte damit eindringlich deutlich, dass alle Versuche der letzten Jahrzehnte, das Phänomen des Volkskrieges im Gefolge der Französischen Revolution von 1789 wieder einzuhegen, letztlich gescheitert waren. Vielmehr war gegen Ende des 19. Jahrhunderts die allgemeine Bedrohung für die Sicherheit der Staaten durch die tendenzielle Entgrenzung des Krieges größer als je zuvor.

Dabei hatte die Entwicklung, zumindest aus konservativer Sicht, zunächst recht hoffnungsvoll begonnen. Friedrich Gentz, einer der engsten Berater des Fürsten Metternich, hatte aus den Revolutionskriegen gelernt, dass der Einfluss des Volkes auf das politische Geschehen eingedämmt werden musste, wollte man die Wiederholung einer derartigen Katastrophe vermeiden. Was liberalen und national gesinnten Köpfen als reaktionäre Restaurationspolitik erschien, war somit zumindest von der Grundüberlegung her, eine keineswegs unvernünftige Antwort auf die schrecklichen Erfahrungen der vorangegangenen Jahre.16 Diese Ansicht setzte sich zunächst durch. Nach 1815 bemühten sich die konservativen Regimes in Europa, die für sie gefährlichen Tendenzen der Phase von Revolution und Krieg zu unterbinden. Die staatsbürgerliche Partizipation am politischen Geschehen wurde weitgehend unterdrückt, Kriege wurden vermieden, die Armeen wurden verkleinert und die allgemeine Wehrpflicht außer in Preußen zur Farce degradiert, wenn nicht überhaupt abgeschafft. Sicherheitspolitik bedeutete unter diesen Umständen primär eine Politik der Systemerhaltung. Aber auf Dauer ließ sich diese konservative Stabilität nicht bewahren. Neuerliche Revolutionen, gesellschaftlicher Wandel und die einsetzende Industrialisierung kombinierten sich zu einem erheblichen Veränderungsdruck. Das Prinzip der staatsbürgerlichen Partizipation wurde erneut thematisiert und häufig auch umgesetzt. Der Verfassungsstaat, der die Rechte seiner Bürger garantierte, setzte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas durch. Aber auch der Krieg der Staatsbürger meldete sich zurück, diesmal obendrein verbunden mit den Anfängen industrialisierter Kriegführung. 17

Das volle Ausmaß dieser neuen Entwicklung wurde jedoch zuerst auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans sichtbar. Der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865) stellte in vieler Hinsicht den ersten wirklich modernen Krieg dar. Industriell bewaffnete und zahlenmäßig sehr umfangreiche Armeen, die mit Eisenbahnen transportiert und versorgt wurden, bekämpften einander. Zudem handelte es sich um einen wirklich "politischen" Krieg, denn auf beiden Seiten nahm die öffentliche Meinung regen Anteil und beeinflusste das Kriegsgeschehen maßgeblich. Immerhin bekämpften sich zwei Demokratien. Unter diesen Umständen veränderte sich auch die Rolle des Staates. Generell nahm der Staatsinterventionismus zu. Die Wehrpflicht wurde eingeführt. Vor allem im Süden, aber auch teilweise im Norden, griff der Staat lenkend in die Wirtschaft ein. Derlei Maßregeln brachen mit den Traditionen der USA. Aber auch um die Bürgerrechte war es schlecht bestellt. Im Norden, wie im Süden wurde zu Beginn des Bürgerkriegs die Habeas-Corpus-Akte aufgehoben. Pressezensur, willkürliche Verhaftungen und verschärfte Polizeikontrolle folgten. In New York City wurde ein Aufstand gegen die Wehrpflicht vom Militär mit großer Brutalität niedergeschlagen. Auch in anderen Teilen des Landes kam es zu Bürgerkriegen im Bürgerkrieg.

Eine weitere Tendenz trat hervor, die den modernen Krieg kennzeichnen sollte: Die Grenzen zwischen Zivil und Militär erodierten. Der amerikanische Historiker James McPherson sprach deshalb im Hinblick auf den Bürgerkrieg übertreibend von totalem Krieg. 18 Aber Ansätze in diese Richtung waren zweifellos vorhanden. Nun zeigte sich schließlich, dass selbst in Nordamerika die relativen Erfolge beim Aufbau eines Rechtsstaates den Belastungen eines Krieges von großen Dimensionen nicht oder nur teilweise standhielten. In der Union fanden zwar im Jahre 1864 demokratische Präsidentschaftswahlen statt. Mit dem Lieber-Code wurde sogar die Grundlage des modernen Kriegsvölkerrechts gelegt. 19 Doch die zahlreichen Willkürmaßnahmen gegen Teile der eigenen Bevölkerung auf beiden Seiten und die oft brutale Kriegführung gegen die feindliche Zivilbevölkerung ließen die Frage aufkommen, ob rechtsstaatliche Ansätze nicht eine Schönwetterveranstaltung darstellten.20

Friedrich Engels gewann dem Amerikanischen Bürgerkrieg demgegenüber durchaus positive Seiten ab, als er am 24. November 1864 an den mit ihm befreundeten Unions-Obersten Joseph Weydemeyer schrieb: "Solch ein Volkskrieg, auf beiden Seiten, ist noch nie dagewesen, seitdem große Staaten bestehen, und er wird jedenfalls der Zukunft von ganz Amerika auf Hunderte von Jahren hinaus die Richtung anweisen." 21 Grundsätzlich hatte Engels mit seinem revolutionären Impetus recht: Auf beiden Seiten hatten sich Hunderttausende für den Krieg selbst mobilisiert oder später mobilisieren lassen. Da war es also wieder, das Volkskriegsyndrom. Aber kriegerischer Enthusiasmus in der Bevölkerung reichte nicht aus, um die vorhandenen Mittel für eine effiziente Kriegführung zum Einsatz zu bringen. So waren die Kriegsanstrengungen auf beiden Seiten letztlich durch den Staat organisiert worden, der den Bürgern notgedrungen das Heft aus der Hand nahm. Der staatlich gelenkte Volkskrieg erreichte, wie schon unter Napoleon, enorme Dimensionen, aber diesmal unter den Bedingungen der einsetzenden Industrialisierung. Das staatliche Gewaltmonopol wurde halbwegs gesichert, auch wenn es in Nordamerika traditionell brüchig war und im Bürgerkrieg an den Rändern häufig außer Kraft gesetzt wurde. 22 Aber die Gewaltexplosion des von oben organisierten Volkskrieges war eine furchtbare Bedrohung für die Sicherheit von Staaten. Ein Krieg zwischen Staaten, die ihre Volkskraft und ihre materiellen Ressourcen zu mobilisieren und zu organisieren wussten, konnte daher in einer Katastrophe münden. Der Krieg war auf dem besten Wege, zu einem gänzlich unkalkulierbaren Risiko zu werden. Etwaige Illusionen aber, das Volkskriegssyndrom sei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allenfalls ein Phänomen unter den Bedingungen nordamerikanischer Pöbelherrschaft, wurden schnell eines Besseren belehrt.

Unterdessen vollzog sich auf dem europäischen Kontinent eine erhebliche Verschiebung der Machtbalance. Die kleinste der fünf Großmächte, Preußen, hatte als einzige die allgemeine Wehrpflicht im Kern beibehalten. Die Befreiungskriege gegen Napoleon hatten nämlich gezeigt, dass Preußen angesichts seiner beschränkten Ressourcen nur auf der Grundlage dieser Maßregel den anderen Mächten einigermaßen gewachsen war. In den Jahrzehnten nach 1815 verfügte Preußen jedoch nicht über die finanziellen Mittel, um die Wehrpflicht vollständig umzusetzen. Dies änderte sich seit den 1850er-Jahren. Die nun einsetzende rasche Industrialisierung bewirkte einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung und spülte viel Geld in die bis dahin klamme Staatskasse. Kriegsminister Albrecht von Roon nutzte die neuen Möglichkeiten zum Ausbau der Armee. Roons heftig umstrittene Heeresreform, die im Landtag zu massiven Auseinandersetzungen mit den Liberalen führte und Preußen in eine Staatskrise stürzte, war eigentlich nichts anderes als ein kräftiger Aufrüstungsschritt. Allerdings war diese Maßnahme mit der militärisch durchaus sinnvollen Herabstufung der bürgerlich geprägten Landwehr zugunsten einer Verstärkung der Linientruppen verbunden. Dieser Umstand rief unter den Liberalen Empörung hervor. 23 So ganz falsch lagen sie damit nicht, denn die Roonsche Reform drängte die von Scharnhorst und Gneisenau herrührenden Ansätze zur Schaffung eines Bürgerheers entschieden zurück und stärkte das Prinzip des Königsheers. Unter den Bedingungen einer semiparlamentarischen Monarchie baute der preußische Staat sein Gewaltmonopol aus und vergrößerte mit Hilfe der Wehrpflicht seine militärischen Machtmittel. Doch ganz ohne Gegenleistung kam die Monarchie in diesem Prozess nicht davon. Eine Verfassung war ja schon im Nachklang der Revolution von 1848 gewährt worden. Sie machte den parlamentarischen Sturmlauf gegen die Roonsche Reform überhaupt erst möglich. In der Folgezeit des Verfassungskonflikts zeigte sich die Regierung dann durchaus willig, den Liberalen auf anderen Feldern Konzessionen zu machen. 24

Otto von Bismarck, 1862 auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts zum preußischen Ministerpräsidenten berufen, um dem Kriegsminister seine Reform und König Wilhelm I. seine Krone zu retten, erwies sich als Meister des Paradoxen. Statt wie allseits erwartet den Erzreaktionär zu geben, leitete er eine Politik der Revolution von oben ein, die den Liberalen einen Herzenswunsch erfüllte: die deutsche Einheit. Die Aufrüstung der Armee gab ihm die Machtmittel in die Hand, um die Ziele seiner aggressiven Außenpolitik notfalls mit Gewalt zu verwirklichen. 25 Bei den nun folgenden Einigungskriegen behielt allerdings der Staat das Heft fest in der Hand. An der königlichen Kommandogewalt über das Heer wurde nicht mehr gerüttelt. Wenn es sich hierbei um Volkskriege handelte, dann waren sie von oben gelenkt. Kriegerische nationale Begeisterung wurde durch die allgemeine Wehrpflicht kanalisiert und durch die vom König ausgehende Befehlskette streng reguliert. Damit schien die Versöhnung des Volkskriegssyndroms mit dem staatlichen Monopolanspruch gelungen.

Bei all dem half zweifellos, dass es sich bei den Kriegen gegen Dänemark und Österreich um relativ kurze Feldzüge handelte, die trotz erheblicher Verluste siegreich verliefen. 26 Auch der von Bismarck auf zynische Weise provozierte Krieg mit Frankreich 27 schien zunächst in den gleichen Bahnen zu verlaufen. In harten, siegreichen Kämpfen drangen die deutschen Truppen unter preußischem Kommando tief nach Frankreich ein. Den Höhepunkt stellte die Schlacht von Sedan am 1. September 1870 dar, in der eine ganze französische Armee vernichtet wurde. Unter den Gefangenen war auch Kaiser Napoleon III. Damit hätte der Krieg eigentlich beendet sein können. Aber Bismarck und Generalstabschef Moltke begingen den kapitalen Fehler, die politischen Kriegsziele gegenüber Frankreich zu überdehnen. Mit ihren exorbitanten Forderungen zwangen sie die französische Übergangsregierung in Paris, den Krieg trotz aller Niederlagen fortzusetzen. Léon Gambetta und Charles de Freycinet propagierten nun den guerre à outrance und riefen die levée en masse aus. Das neue Frankreich setzte die allgemeine Wehrpflicht um und verschärfte den Kampf gegen die Invasoren. Neue Armeen wurden formiert, und anstelle des scheinbar unmittelbar bevorstehenden deutschen Sieges zog sich der Krieg noch weitere sechs Monate hin, in dessen Verlauf zwölf zusätzliche Schlachten geschlagen wurden. Die deutschen Armeen wurden bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gefordert, zumal sie sich jetzt einem zahlenmäßig überlegenen, wenn auch schlechter ausgebildeten Gegner gegenüber sahen. Obendrein mussten 100.000 Soldaten zum Schutz der rückwärtigen Verbindungen gegen francs tireurs abgestellt werden. Beide Seiten begannen, den Kampf mit zunehmender Grausamkeit zu führen. Dies war kein Feldzug mehr gegen eine reguläre feindliche Armee sondern ein Krieg gegen ein ganzes Volk. Wie wenige Jahre zuvor im Amerikanischen Bürgerkrieg trat nunmehr auch in Europa das Phänomen des industrialisierten Volkskriegs zutage. 28

Natürlich hatte sich Gambetta bemüht, die Kontrolle über den guerre à outrance zu behalten. Doch die hinter den Linien operierenden Guerillas handelten zumeist auf eigene Faust. Colmar von der Goltz, der spätere Generalfeldmarschall, schrieb nach dem Krieg trotzdem bewundernd, dass der Volkskrieg das probate Mittel sei, um die Invasion einer überlegenen Armee zurückzuschlagen. 29 Er übersah dabei geflissentlich, dass die Ereignisse schließlich gänzlich außer Rand und Band gerieten, als die Pariser Commune sich mit der Niederlage Frankreichs nicht abfinden wollte und zum revolutionären Aufstand überging. Nur mit indirekter deutscher Hilfe und mit äußerster Brutalität gelang es der französischen Regierung, den Geist des Volkskrieges wieder in die Flasche zu verbannen. 30

Aber auch auf deutscher Seite hatten sich Tendenzen breit gemacht, den Kriegsgott Mars vollends von der Kette zu lassen. Im Winter 1871 trennte Moltke sich von seinem Konzept des kurzen, harten Krieges. Er drängte nunmehr darauf, den guerre à outrance mit der Radikalisierung der deutschen Kriegführung zu beantworten. Unter voller Ausnutzung der deutschen Wehrkraft wollte er Frankreich gänzlich zerschlagen und besetzen. Ohne Rücksicht auf politische Überlegungen sollte die militärische Führung die alleinige Verantwortung für diese Art der Kriegführung übernehmen. Moltke spielte in diesem Moment mit der Idee des Vernichtungskrieges gegen den feindlichen Staat, der an die Stelle der von ihm bislang praktizierten Strategie eines Feldzugs zur Vernichtung der feindlichen Armeen treten sollte.31 Bismarck, der nicht zuletzt um seine Position innerhalb der preußischen Führungstroika fürchtete und seit Kriegsbeginn ein angespanntes Verhältnis zu Moltke entwickelt hatte, verhinderte jedoch die Umsetzung der Forderungen des Generalstabschefs, zumal er eine weitere Verlängerung des Krieges angesichts möglicher Probleme an der Heimatfront und angesichts der drohenden Intervention dritter Mächte ablehnte. 32

Der Krieg konnte aus deutscher Sicht schließlich doch noch siegreich beendet werden. Aber der Schock über die Erfahrungen des Winters 1871 saß tief. Vor allem aber tat sich nun ein Dilemma auf, das die strategischen Planer des Reiches bis 1914 nicht mehr ruhen lassen sollte. Wie sollte das Reich einen möglichen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland überstehen, wenn es unter den Vorzeichen des Volkskrieges keine schnellen und entscheidenden Siege mehr geben konnte? Moltke äußerte sich darüber bereits im April 1871 in einer Denkschrift: "Deutschland ... ist gezwungen, seine Heeresmacht nach Osten und Westen zu teilen. Es darf nicht hoffen, durch eine rasche und glückliche Offensive in letzterer Richtung sich in kurzer Zeit von dem einen Gegner zu befreien, um sich dann gegen den anderen zu wenden. Wir haben eben erst erlebt, wie schwer es ist, selbst den siegreichsten Kampf gegen Frankreich zu beenden." 33 Das Volkskriegssyndrom wurde im Hinblick auf einen Krieg an zwei oder mehreren Fronten zu einem fundamentalen Sicherheitsproblem für das neu gegründete Reich. Die Sicherheitspolitik des Deutschen Reiches wurde deshalb nach 1871 zunehmend hektischer.

Bismarck suchte mit den Mitteln der Diplomatie und der Bündnispolitik die Gefahr zu entschärfen. Doch die Generale gaben sich mit diesen Bemühungen nicht zufrieden. Sie suchten eigene Lösungen. Als ein Ausweg erschien vielen von ihnen der Präventivkrieg, um die feindliche Koalition zu zerschlagen, bevor sie sich endgültig gebildet hatte. In den 1880er-Jahren und vor allem 1887 drängten Moltke, sein Stellvertreter Graf Waldersee und andere wiederholt zum Krieg gegen Frankreich oder Russland. Doch Bismarck lehnte mit Entschiedenheit ab, denn man wolle doch keinen Selbstmord aus Angst vor dem Tode begehen.34 Doch bis 1914 sollten die Präventivkriegsforderungen nicht mehr verstummen.

Ein anderer Weg bestand in der operativen Planung des Generalstabs. Doch Moltke und Waldersee gelang es nicht, auf diese Weise das strategische Dilemma zu lösen. Umso verantwortungsloser waren ihre Präventivkriegsforderungen. Nach ihnen versuchte sich der neue Generalstabschef Alfred Graf Schlieffen an der Lösung des Problems. Ende 1905 verfasste er seine berühmte Denkschrift, in welcher er durch minutiöse Planung einen schnellen Sieg über Frankreich erreichen wollte. Doch dieser Plan war unausgegoren und an entscheidenden Punkten vage. Vor allem war er undurchführbar. Entgegen dem Selbstbild des Generalstabs handelte es sich hierbei um ein Produkt "unsachlichen" Denkens. Er beruhte auf der Obsession, um jeden Preis - auch den des Realitätsverlustes - eine Art Blitzkrieg führen zu wollen, denn Wirtschaft und Gesellschaft, so die durchaus berechtigte Einsicht Schlieffens, waren nicht in der Lage, einen langwierigen Krieg zu verkraften. Er konnte sich aber nicht dazu durchringen, überhaupt vom Krieg abzuraten. Damit hätte er ja auch die gesellschaftliche Stellung des Generalstabs untergraben. 35

Seit 1890 hatte sich die sicherheitspolitische Lage des Reiches zudem weiter verschlechtert. Das Bündnis zwischen Frankreich und Russland war zur Realität geworden und obendrein näherte sich Großbritannien zusehends den potentiellen Gegnern an. Letzteres war auch ein Resultat des vom Deutschen Reich provozierten maritimen Rüstungswettlaufs, der das Inselreich herausforderte. 36 Als noch gravierender aber erwies sich auf Dauer die sich beschleunigende Rüstungsspirale zu Lande. Hier tickte eine wahre Zeitbombe, denn wenn das Reich diesen Rüstungswettlauf wegen innenpolitischer und finanzieller Probleme verlor, war ein Krieg an mehreren Fronten so gut wie aussichtslos. Aber selbst wenn es nicht dazu kam, so schmälerte doch die Aufstellung von Millionenheeren auf allen Seiten und die rasante waffentechnologische Entwicklung, welche die Defensive begünstigte, die Aussichten auf schnelle und durchschlagende Erfolge in einem Krieg entscheidend. 37

Helmuth von Moltke der Jüngere, Neffe des Siegers von Sedan, sah den Dingen klar ins Auge, wie er dem Kaiser bei einem Gespräch im Januar 1905 verdeutlichte: "Es wird ein Volkskrieg werden, der nicht mit einer entscheidenden Schlacht abzumachen sein wird, sondern ein langes, mühevolles Ringen mit einem Lande sein wird, das sich nicht eher überwunden geben wird, als bis seine ganze Volkskraft gebrochen ist, und der auch unser Volk, selbst wenn wir Sieger sein sollten, bis aufs äußerste erschöpfen wird." 38 Trotz dieser pessimistischen Einschätzung ernannte Wilhelm II. ihn wenig später zum Nachfolger Schlieffens als Generalstabschef. Moltke blieb auch in den folgenden Jahren bei seiner Ansicht, auch wenn er sie nur selten öffentlich zum Ausdruck brachte. Die Änderungen, die er an Schlieffens Plan vornahm, deuteten jedenfalls darauf hin, dass er mit einem langwierigen Krieg rechnete. 39 Zudem drückte er rüstungspolitisch zunehmend aufs Tempo, um den Anschluss an Frankreich und Russland nicht zu verlieren. Doch auf diesem Gebiet hatte er gegen die Marineleitung und die Finanzpolitiker einen schweren Stand. Zwar kam es 1912 und erst recht 1913 zu zwei größeren Heeresvermehrungen, aber Moltke war damit längst nicht zufrieden. 40 So erhob er Präventivkriegsforderungen, um seinem rüstungspolitischen Drängen Nachdruck zu verleihen, denn er wusste aus Erfahrung, dass die politische Führung lieber eine neue Heeresvorlage einbrachte, als einen Krieg vom Zaun zu brechen. Zu Moltkes Erstaunen und auch Entsetzen griff Reichskanzler Bethmann Hollweg nach dem Attentat von Sarajewo allerdings die Anregung des Generalstabschefs auf und trieb Europa im Sommer 1914 in den bis dahin größten Krieg seiner Geschichte. Dabei hoffte Bethmann wohl, durch einen radikalen Schnitt das sicherheitspolitisches Dilemma des Reiches gewaltsam lösen zu können. 41 Aber er hatte sich verkalkuliert. Die nun folgenden beiden Weltkriege trieben das Problem der Sicherheitspolitik unter den Bedingungen des staatlichen Gewaltmonopols auf die Spitze, mit entsetzlichen Resultaten.

IV. Der totale Krieg

"Die Engländer behaupten, das deutsche Volk wehrt sich gegen die totalen Kriegsmaßnahmen der Regierung (Rufe: "Nein!"). Es will nicht den totalen Krieg, sondern die Kapitulation. (Stürmische Rufe, u. a.: "Nein!", "Pfui!"). Ich frage Euch: Wollt Ihr den totalen Krieg? (Stürmische Rufe: "Ja!" Starker Beifall.) Wollt Ihr ihn (Rufe: "Wir wollen ihn!"), wenn nötig totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können? (Stürmische Rufe: "Ja!" Beifall.)" 42

Mit diesen Formulierungen verhalf Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in seiner berüchtigten Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 dem Unwort "Totaler Krieg" zu bleibender Berühmtheit. Nach 1945 hat die internationale Geschichtswissenschaft diesen Begriff gerne, aber häufig unreflektiert aufgegriffen, um die Epoche der Weltkriege im 20. Jahrhundert zu charakterisieren. Dabei ist wiederholt vom "Zeitalter des totalen Krieges" die Rede gewesen. Im Kontext dieses Aufsatzes erscheint es sinnvoll, der entsprechenden Begrifflichkeit auf einer abstrakteren Ebene genauer nachzugehen, denn das Konzept des totalen Krieges implizierte letztlich die Vorstellung von einer Maximierung des staatlichen Gewaltmonopols zum Zwecke der Herstellung vollständiger Sicherheit, zumindest nach innen. Der Anspruch war derart total, dass unter bestimmten Umständen nicht einmal vor dem Genozid zurückgeschreckt wurde. Doch der Totalitätsanspruch, den man auch als Reaktion auf die Krisen des 19. Jahrhunderts und deren Kulminationspunkt, den Ersten Weltkrieg, verstehen kann, produzierte vor allem eines: das maximale Chaos. Dieses Paradoxon steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.

Im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts wurde das Wort vom totalen Krieg geprägt und fand weite Verbreitung. Damit verbunden war die Vorstellung, dass der Staat die totale Mobilisierung aller gesellschaftlichen Ressourcen für die Kriegführung lenken sollte. Erich Ludendorff propagierte 1935 in seiner Schrift "Der totale Krieg" sogar, dass der Staat primär die Aufgabe habe, einen solchen Krieg vorzubereiten und dann auch zu führen. So gesehen lief das Konzept des totalen Krieges darauf hinaus, Staat und Krieg zu einer Einheit zu verschmelzen, um auf diese Weise den verstaatlichten Krieg auf die Spitze zu treiben. Ludendorff war vielleicht ein besonders extremer Vertreter derartiger Ansichten, sah er sich doch selbst in der Rolle des Militärdiktators, dem sich alles unterzuordnen hatte. Doch andere dachten durchaus ähnlich. Zum Beispiel propagierte Ernst Jünger vergleichbare Vorstellungen. Im Hinblick auf die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg wurde das Konzept des totalen Krieges in den 1920er- und 1930er-Jahren sogar zum zentralen Aspekt einer internationalen militärpolitischen Debatte über den Charakter eines zukünftigen Großkrieges, an der sich auch Stimmen aus Italien, Frankreich, Großbritannien und den USA beteiligten.43

Ein wesentliches Kennzeichen der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert war die Tatsache, dass wiederholt Versuche unternommen wurden, das Konzept des totalen Krieges in die Realität umzusetzen. Derartige Bemühungen implizierten zwangsläufig eine Neuinterpretation der Rolle des Staates gegenüber Gesellschaft und Wirtschaft. Im Kern lief dies auf verstärkten Staatsinterventionismus auf allen Ebenen hinaus, denn sämtliche Lebensbereiche sollten nunmehr dem Interesse einer erfolgreichen Kriegführung untergeordnet werden. Die Freiheiten der Bürger, ja sogar der Rechtstaat gerieten auf diese Weise in äußerste Bedrängnis, und zwar keinesfalls nur in totalitären Diktaturen, wo sie bereits im Frieden abgeschafft worden waren, sondern auch in demokratisch verfassten Staaten, wie etwa Großbritannien und den USA.

Experten verschiedener Disziplinen haben in einer internationalen Konferenzserie zwischen 1992 und 2001 versucht, die historische Entwicklung des totalen Krieges und seiner Implikationen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945 zu analysieren.44 Die wichtigsten Ergebnisse im Hinblick auf die Begriffsklärung sollen im Folgenden kurz dargelegt werden. Dabei bezieht sich die empirische Grundlage der Ausführungen in diesem Zusammenhang auf die beiden Weltkriege. Besonderes Augenmerk wir dabei auf das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft unter den Bedingungen sich radikalisierender Kriegführung gelegt. 45

Trotz aller Bemühungen hat sich im Verlauf der Konferenzserie eine griffige Definition des totalen Krieges nicht herausarbeiten lassen. Dazu ist die Problematik zweifellos zu komplex und gingen die Meinungen der Teilnehmenden vielfach zu weit auseinander. Es wurde aber deutlich, dass die Problematik des totalen Krieges vier zentrale Aspekte beinhaltet, die sich sowohl aus theoretischen Überlegungen wie auch aus empirischen Beobachtungen ableiten lassen. Diese vier Aspekte können wie folgt charakterisiert werden:

1. Totale Kriegsziele: Die Tendenz zur Radikalisierung von Kriegszielen zeichnete sich seit den Kriegen im Gefolge der Französischen Revolution ab. Sie hing, wie oben gezeigt, mit dem Übergang zum Krieg der Staatsbürger zusammen. Gegenüber einer aufgeputschten öffentlichen Meinung ließ sich eine zurückhaltende Kriegszielpolitik immer weniger verfolgen, erst recht nicht, wenn es darum ging, die Massen für den Krieg zu mobilisieren. Je höher das Ausmaß der Kriegsanstrengungen war, desto radikaler mussten demgemäß die Kriegsziele werden.

Während des Ersten Weltkrieges liefen zum Beispiel sowohl die französischen wie auch die deutschen Kriegsziele auf die Beseitigung des gegnerischen Großmachtstatus und sogar die Zerstückelung des gegnerischen Staates hinaus. Beide Kriegsparteien betrachteten sich nämlich gegenseitig als fundamentale Bedrohung für die eigene Existenz. Derartige Kriegsziele waren keinesfalls nur rhetorische Verlautbarungen, wie der Friedensvertrag von Brest-Litowsk und die Haltung der französischen Führung bei Kriegsende demonstrierten. In Versailles lag die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation förmlich in der Luft, wenn es auch schließlich nicht ganz so weit kam.

Im Zweiten Weltkrieg spielten totale Kriegsziele eine noch größere Rolle. Am radikalsten war das Vorhaben der nationalsozialistischen Führung, die Sowjetunion zu vernichten und die Bevölkerung in den eroberten Gebieten zu versklaven oder umzubringen ("Generalplan Ost"). Aber auch die Alliierten verschärften im Verlauf des Krieges ihre Kriegsziele. Auf der Konferenz von Casablanca vereinbarten Churchill und Roosevelt, von den Feindmächten die bedingungslose Kapitulation zu fordern und die Kampfhandlungen nicht eher einzustellen, als bis dieses Ziel erreicht war. Stalin hat sich diesem Konzept später ebenfalls angeschlossen. Damit tendierten die Alliierten ebenfalls zu totalen Kriegszielen. Die Verfolgung totaler Kriegsziele führte zu einer wechselseitigen Radikalisierung der Kriegführung. Der Zweite Weltkrieg war hierfür ein Paradebeispiel. Angesichts der Kriegslage im Winter 1942/43 und der unglaublichen Brutalität, mit der insbesondere Nazideutschland und Japan vorgingen, hätten sich Churchill und Roosevelt kaum mit weniger als einer bedingungslosen Kapitulation zufrieden geben können, denn mit diesen Feinden war ein Verhandlungsfrieden schlechterdings unmöglich geworden.

2. Totale Kriegsmethoden: Kriege waren auch in früheren Epochen alles andere als menschenfreundliche Angelegenheiten. Um die schlimmsten Auswüchse einzudämmen, waren vor 1914 die Genfer und Haager Konventionen abgeschlossen worden. Doch die Hoffnungen, durch internationale Übereinkommen den Krieg zivilisieren zu können, wurden in den beiden Weltkriegen zerschlagen. Beide Weltkriege zeichneten sich dadurch aus, dass die entsprechenden Konventionen von den Kriegsparteien wiederholt und immer häufiger missachtetet wurden. Kriegsverbrechen wurden auf allen Seiten begangen. Mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg setzte sich die deutsche Führung im Ersten Weltkrieg eindeutig über internationales Recht hinweg. Gleiches galt für die britische Hungerblockade gegen das Deutsche Reich. Verletzt wurde dieses Recht auch durch den Einsatz von chemischen Waffen, durch Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg und durch die systematischer Zerstörung ganzer Regionen und der darin enthaltenen zivilen Einrichtungen. Generell wurden in beiden Kriegen Zivilisten zur Zielscheibe militärischer Gewaltanwendung. Zahlreiche andere Beispiele ließen sich erwähnen. Auch das Schicksal der Kriegsgefangenen verschlechterte sich. Im Ersten Weltkrieg hielt man sich bei der Behandlung von Kriegsgefangenen im Großen und Ganzen noch an international akzeptierte Regeln, obwohl es auch hier bereits zu erheblichen Übergriffen kam. Im Zweiten Weltkrieg wurden Millionen von Kriegsgefangenen auf verschiedenen Seiten geradezu unmenschlich behandelt. Ausgesprochen verbrecherisch gingen die deutschen Stellen vor, als sie die Mehrzahl ihrer sowjetischen Kriegsgefangenen wissentlich und gezielt in den Tod trieben.

Die Radikalisierung der Kriegsmethoden fand auch in den Maßnahmen zur Ausschaltung angeblicher oder tatsächlicher Partisanen Ausdruck. Dies begann bereits mit dem brutalen Vorgehen deutscher Soldaten in Belgien im Sommer 1914 und erreichte seinen Höhepunkt in der "Partisanenbekämpfung" von Wehrmacht und SS in den besetzten Gebieten der Sowjetunion. Gewaltmaßnahmen gegen das "Bandenunwesen" wurden zu Beginn des Holocaust zudem oft als Vorwand zur Ermordung von Juden benutzt. Es gibt Hinweise darauf, dass der Völkermord an den europäischen Juden im Zusammenhang mit der Radikalisierung der Kriegsmethoden stand. Zumindest hat die nationalsozialistische Führung die Dinge offenbar so betrachtet. Im allgemeinen Kriegsgemetzel gewöhnten sich die Menschen zudem allem Anschein nach an Massentötungen.

Die Radikalisierung der Kriegsmethoden korrespondierte in vielfacher Weise mittelbar oder unmittelbar mit der Totalisierung der Kriegsziele. Das brutale Auftreten deutscher Truppen in Belgien im Jahre 1914 zielte zum Beispiel darauf ab, den Widerstandswillen der feindlichen Bevölkerung zu brechen. Die alliierten Bombenangriffe gegen die feindliche Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg waren wesentlicher Bestandteil einer Strategie welche die bedingungslose Kapitulation der Gegner mit herbeiführen sollte. Und schließlich war die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen auch ein Resultat der nationalsozialistischen Völkermordpläne gegen die "Slawen".

3. Totale Mobilisierung: Die Vorstellung vom totalen Krieg wird gemeinhin mit der vollständigen Mobilisierung gleichgesetzt. Doch dies vereinfacht die Dinge über die Maßen. Die totale Mobilisierung aller menschlichen und materiellen Ressourcen war allerdings eine Hauptforderung von Befürwortern des totalen Krieges wie Ludendorff und Goebbels. Derartig extreme Ideen ließen sich in der Realität jedoch kaum verwirklichen. Auch unter extremem behördlichem Druck fand eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen immer wieder Möglichkeiten, der totalen Mobilisierung zu entkommen und die vorhandenen Ressourcen für andere Zwecke als die Kriegsanstrengungen zu nutzen.

Im Deutschen Reich bemühten sich Staat und Militär im Verlauf des Ersten Weltkrieges in wachsendem Maße, Wirtschaft und Gesellschaft für den Krieg zu mobilisieren. Ab 1916 verfolgte auch die britische Regierung einen ähnlichen Kurs. In den Vereinigten Staaten verschärfte die Regierung Wilsons nach dem Kriegseintritt im Jahre 1917 die staatliche Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft in einem Ausmaß, wie man es seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gesehen hatte. Doch zu einer totalen Mobilisierung kam es nie. Im Deutschen Reich untergrub das Hindenburg-Programm die Moral an der Heimatfront und scheiterte, zumal innere Reformen als flankierende Maßnahmen ausblieben. Die Folge waren Massenstreiks und nach der militärischen Niederlage der Ausbruch der Revolution. In Großbritannien und in den USA vermieden es die Regierungen, die Schraube zu überdrehen. Der britische Premierminister Lloyd George sicherte sich zudem durch Reformbereitschaft breite Unterstützung.

Im Zweiten Weltkrieg ließ das nationalsozialistische Regime lange Zeit eine gewisse Zurückhaltung walten, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen für einen totalen Kriegseinsatz ging. Nicht zuletzt deshalb hielt Goebbels seine Hetzrede im Sportpalast, denn er wollte Hitler von einer härteren Gangart überzeugen. Tatsächlich streifte das Regime erst ab 1944, als es schon zu spät war, die letzten Hemmungen ab. 46 In Großbritannien und vor allem in der Sowjetunion wurde demgegenüber schon frühzeitig zu radikalen Mobilisierungsmaßnahmen gegriffen. Allerdings konnte von einer wirklich totalen Mobilisierung selbst in diesen Fällen keine Rede sein. Doch unbezweifelbar bleibt, dass zwischen 1914 und 1945 eine starke Tendenz zur totalen Mobilisierung wirksam war. Gesellschaft und Wirtschaft wurden in einem Ausmaß den Gewaltapparaten unterworfen, wie es bis dahin in der Geschichte staatlich organisierter Kriegführung noch nie geschehen war. Gleichwohl zeigt gerade das Problem der totalen Mobilisierung, dass es sich beim totalen Krieg um einen Idealtyp handelt, der sich letztlich nicht vollständig in die Praxis umsetzen lässt. Während der Weltkriege des 20. Jahrhunderts wurde in mehreren Staaten unter enormem Energieaufwand versucht, diesem Idealtyp so nahe wie nur eben möglich zu kommen. Je effizienter und je besser organisiert der jeweilige Staatsapparat war, desto besser standen auch die Chancen, die totale Mobilisierung in hohem Maße zu verwirklichen. 4. Totale Kontrolle: Die Politik der totalen Mobilisierung zog zwangsläufig die Tendenz zur totalen Kontrolle nach sich. Etwaiger Widerstand gegen die Mobilisierung musste gebrochen werden. Die Behörden konnten sich nicht auf die Kriegsbegeisterung der Bürger verlassen, sondern mussten mit Propaganda und behördlichem Druck nachhelfen. Obendrein war der administrative Aufwand für die Erreichung einer maximalen Mobilisierung immens. Schlendrian und Ineffizienz konnten unter diesen Umständen nicht geduldet werden. Dieser vierte Aspekt liefert die wohl deutlichsten Hinweise auf die Rolle des Staates im Konzept des totalen Krieges.

Sicherlich die augenfälligste Institution der Zwangsmobilisierung war die Wehrpflicht. Die Wehrpflicht lieferte den notwendigen Nachschub an "Menschenmaterial" für die Schlachtfelder und stärkte darüber hinaus die Macht der Behörden. Unter dem Vorzeichen des totalen Krieges wurde jedoch aus der Wehrpflicht tendenziell die Dienstpflicht für alle Bevölkerungsteile, mit Ausnahme von Kleinkindern und Gebrechlichen. Eine Politik des totalen Krieges bedeutete daher nichts anderes, als praktisch jeden Bereich menschlicher Existenz der zentralistischen Kontrolle der Führung zu unterwerfen.

Die entsprechenden Entwicklungen waren in beiden Weltkriegen mehr als deutlich zu erkennen. Die Wehrpflicht wurde zum Normalzustand, selbst in den angelsächsischen Staaten, die sich mit dieser Maßregel traditionell schwer taten. Im Jahre 1916 führte Großbritannien die Wehrpflicht ein. Die USA folgten im Jahre 1917. Aber auch mit der Dienstpflicht wurde experimentiert, so etwa im Deutschen Reich. Opposition gegen diese Mobilisierungsmaßnahmen wurde wiederholt mit Brachialgewalt unterdrückt. Auf die Freiheit des einzelnen wurde höchstens dann noch Rücksicht genommen, wenn die entsprechende Person zu den "besseren Kreisen" gehörte. Zensur und Propaganda waren an der Tagesordnung und galten den Behörden als "kriegsnotwendig". Im Zweiten Weltkrieg nahmen diese Tendenzen sogar noch zu, auch und gerade in Großbritannien. Anderswo ging es noch radikaler zu: Terror war systemischer Bestandteil der nationalsozialistischen und der sowjetischen Kriegsanstrengungen. Mit jeglichem Widerstand wurde dort kurzer Prozess gemacht. 47

Die Kontrolle über die Wirtschaft war von zentraler Bedeutung für das Konzept des totalen Krieges, ging es doch hierbei um die Mobilisierung der materiellen und humanen Ressourcen für die Kriegsanstrengungen. Als Beispiele hierfür mögen der von Ludendorff angestrebte "Kriegssozialismus" und Albert Speers totale Kriegswirtschaft gelten, mit der sich dieser noch im Nachhinein brüstete. Die sowjetische Kommandowirtschaft glich ohnehin dem Versuch, bereits in Friedenszeiten unter dem Vorzeichen des Klassenkampfes und des Aufbaus des "Sozialismus in einem Lande" eine totale Kriegswirtschaft durchzusetzen. Im Krieg konnte die sowjetische Führung auf diesem System aufbauen und die staatliche Kontrolle weiter vorantreiben. Viele dieser Zentralisierungsmaßnahmen erwiesen sich als durchaus effektiv. Bei genauerem Hinsehen werden jedoch auch Leerlauf und Ineffizienz erkennbar. Zudem litten derartige Kriegsanstrengungen unter dem inhärenten Problem jeder dirigistischen Wirtschaftspolitik: Die Gefahr von Fehlplanungen war erheblich und führte wiederholt zur Vergeudung von Ressourcen. Hinzu kamen noch divergierende Interessen von Behörden, Betrieben, Branchen, sowie von staatlichen und militärischen Instanzen. So bleibt zweifelhaft, dass je eine volle Kontrolle erreicht wurde. Zudem war das Konzept des totalen Krieges von einem grundlegenden Paradox gekennzeichnet: Der Versuch, totale Kontrolle zu errichten, endete nur zu leicht in totalem Chaos. Eines der eindrucksvollsten Beispiele hierfür waren die Konsequenzen von Erich Ludendorffs Bemühungen zur Totalisierung der Kriegführung, deren Scheitern schließlich zum Zusammenbruch, zur Revolution und zum Untergang des Deutschen Kaiserreiches führte.

Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass die Bestrebungen in Richtung auf den totalen Krieg zu einer wesentlichen Steigerung staatlicher Kontrolle und zur Mobilisierung enormer Gewaltmittel führten. Insofern erreichten die Tendenzen zur Radikalisierung zwischenstaatlicher Kriege seit 1792, die sich allerdings keineswegs linear entwickelten, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zweifellos ihren Höhepunkt. Sicherheitspolitik war zur Domäne des Maßnahmenstaates geworden, der den Anspruch erhob, das Gemeinwesen zum Zwecke des Krieges zu kontrollieren und die vorhandenen Fähigkeiten unter seiner Leitung für den "Endsieg" zum Einsatz zu bringen. Dennoch geriet der Krieg in vielerlei Hinsicht außer Kontrolle. Das Ausmaß der gegenseitigen Gewaltanwendung überforderte die Fähigkeit der Staatsapparate, die Vorgänge insbesondere im Detail zu kontrollieren. Zudem schufen die extremen Kampfhandlungen Regionen, die sich staatlicher Kontrolle ganz oder teilweise entzogen. In den Partisanengebieten handelten die Akteure oft auf eigene Faust, was sich gerade für das auf maximale Kontrolle fixierte stalinistische Regime als schwerwiegendes Problem erwies. Unter diesen Umständen blieb der Krieg trotz aller staatlichen Anstrengungen zur Verwirklichung vollständiger Kontrolle, was er immer war: Ein unkontrollierbares Risiko.

Die hier diskutierten vier Teilaspekte des totalen Krieges liefen letztlich auf das Niederreißen der Grenzlinien zwischen zivilem und militärischem Bereich hinaus. Die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit wurde Subjekt und Objekt des Krieges. Dies bedeutete für die Zivilbevölkerung, dass sie einerseits das Rückgrat der "Heimatfront" und damit neben dem Militär die zweite tragende Säule aller Kriegsanstrengungen bildete. Aber andererseits wurde sie dadurch auch zur direkten Zielscheibe der Angriffe des Feindes. Damit war, um mit Clausewitz zu sprechen, der Krieg endgültig zu einer Sache des Volkes geworden. Allerdings implizierte dies auch, dass das Volk vollständig in den Krieg involviert wurde und zwar in einem Ausmaß, wie es in der Geschichte selten zuvor geschehen war. Der Staat übernahm dabei die Rolle des Katalysators. Mit seinem Anspruch auf Kontrolle, seiner Forderung nach der Mobilisierung aller Bürger, seiner Entgrenzung der Gewaltanwendung und seiner Radikalisierung der Kriegsziele machte er seine Bewohner nicht nur zu Komplizen und Helfern, sondern legitimierte geradezu den direkten Angriff des Feindes auf diese Menschen. Insofern fand der staatlich regulierte Volkskrieg des 19. Jahrhunderts im Konzept des totalen Krieges des 20. Jahrhunderts seine logische Konsequenz.

Der Absolutheitsanspruch und die innere Widersprüchlichkeit eines derart formulierten Konzeptes deuten aber auch darauf hin, dass sich die Idee des totalen Krieges in der historischen Wirklichkeit niemals vollständig umsetzen ließ. So sind bereits Einzelaspekte wie die totale Mobilisierung oder die totale Kontrolle in der Praxis undurchführbar. Das Zusammenspiel aller vier Teilaspekte ist zudem niemals zur vollen Entfaltung gelangt. In der Tat handelt es sich bei der Idee des totalen Krieges um einen in der Wirklichkeit unerreichbaren Idealtypus. Wohl aber hat es in der Geschichte Annäherungstendenzen an den Idealtypus gegeben. In beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts traten diese Tendenzen auf vielfache Art deutlich in Erscheinung. Man sollte daher diesen Begriff nicht leichtfertig verwenden, wenn es um die historische Analyse geht. Eine differenzierte Betrachtung jedoch, welche die vier Teilaspekte gebührend berücksichtigt, die Einebnung der Grenzen zwischen Militär und Zivilbevölkerung als markantes Merkmal herausarbeitet und den Allmachtsanspruch des Staates in seiner Bedeutung richtig verortet, wird das Phänomen des industrialisierten Massenkrieges im 20. Jahrhundert als extreme Entwicklung in der Geschichte der Sicherheitspolitik unter den Bedingungen des staatlichen Gewaltmonopols besser verstehen können.

Dabei waren es keineswegs nur totalitäre Regimes, die im Zuge der Tendenz zum totalen Krieg rechtstaatliche Prinzipien über Bord warfen. Vielmehr schuf eine derartige Kriegführung ein Umfeld, in dem auch demokratische Systeme dazu übergingen, ihre rechtsstaatlichen Errungenschaften auszuhöhlen. Schon kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurden im Britischen Empire und in Frankreich sogenannte feindliche Ausländer, auch solche, die sich hatten einbürgern lassen, drangsaliert, interniert und enteignet. Noch krasser gingen die Behörden in Australien gegen deutschstämmige Bürger vor. Sie wurden enteignet, in Lager gesteckt und nach dem Krieg deportiert. Der Kriegseintritt der USA löste dort mit behördlicher Unterstützung eine hysterische Gewaltwelle gegen die deutsche Minderheit aus. Noch schlimmer erging es den US-Bürgern japanischer Herkunft im Zweiten Weltkrieg.

Auch jene Bürgerinnen und Bürger, die im vollen Genuss der Staatsbürgerschaft verbleiben durften, waren wiederholt behördlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. Während des Ersten Weltkrieges wurden in Großbritannien Oppositionelle und Wehrdienstverweigerer systematisch verfolgt. Ähnlich erging es Sozialisten, Kommunisten und anderen kritischen Geistern in den USA. Im Zweiten Weltkrieg gab es in beiden Ländern erneut willkürliche Verfolgungen, welche sich allerdings angesichts der äußerst schwachen Opposition in vergleichsweise engen Grenzen hielten. In beiden Kriegen wurden auch in demokratischen Ländern Pressezensur und Propaganda als Instrumente staatlich gelenkter Einflussnahme auf die Bevölkerung eingesetzt. Diese und andere Maßnahmen, wie etwa die Zwangsmobilisierungen, waren umso erfolgreicher, als sich demokratisch verfasste Gemeinwesen durchweg auf eine Mehrheitsmeinung stützen konnten, was die Verfolgung angeblich oder tatsächlich oppositioneller Minderheiten erleichterte. 48

Den rigorosen Maßnahmen im Innern entsprach die geradezu menschenverachtende Art der Kriegführung gegen die äußeren Feinde. Die britische Seeblockade gegen das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg nahm in zynischer Weise den Tod Tausender Zivilisten in Kauf. Die strategischen Flächenbombardements gegen deutsche und japanische Städte im Verlauf des Zweiten Weltkrieges richteten sich direkt gegen die feindliche Zivilbevölkerung, deren Kriegsmoral durch gewaltige Zerstörungen und hohe Verlustzahlen gebrochen werden sollte. Den Höhepunkt dieses skrupellosen Gewalteinsatzes stellte schließlich der Abwurf zweier Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki dar.49 Die allgemeine Verrohung, die im Verlauf der beiden Weltkriege um sich griff, ging auch an den westlichen Demokratien nicht spurlos vorüber. Die Tendenz zum totalen Krieg sorgte dafür, dass auch dort die Hemmschwelle zur Anwendung maximaler Gewalt sank.

Dass es noch schlimmer ging, stellte die nationalsozialistische Führung unter Beweis. Sie betrieb im Osten einen regelrechten Vernichtungskrieg, der sich nicht etwa nur gegen die feindlichen Streitkräfte sondern gegen ganze Völker richtete. Mit dem Unternehmen "Barbarossa" begann die fürchterlichste Mordkampagne des Zweiten Weltkrieges. So gab es, wie bereits erwähnt, seitens der Wehrmachtführung keine Planungen für die Unterbringung und Versorgung der Massen von Kriegsgefangenen. Millionen sowjetischer Soldaten, die in deutsche Hände gerieten, wurden einfach dem Hungertod überlassen.50 Die nationalsozialistische Führung und die Planungsstäbe der SS steuerten darüber hinaus in der Sowjetunion eine demographische Katastrophe an, damit die Ressourcen des eroberten Landes rücksichtslos für eigene Zwecke genutzt werden konnten. Hermann Göring und Mitarbeiter am zweiten "Generalplan Ost" sprachen offen vom Hungertod von 30 Millionen Menschen. In den besetzten Gebieten tobten die Mordkommandos der SS, unterstützt von der Wehrmacht, und brachten Menschen in Scharen um. 51 Die Bevölkerung von Leningrad und wohl auch die Einwohner von Moskau sollten durch Aushungern vernichtet werden. 52 Nur das militärische Scheitern der deutschen Angriffspläne verhinderte die vollständige Umsetzung dieses gigantischen Völkermords.

Die NS-Führung und ihre Schergen verfügten jedoch allzu lange über die Mittel, einen anderen Genozid durchzuführen: Die Ermordung der europäischen Juden. Der Krieg gegen die Juden war für Hitler ein zentrales Anliegen. Die Maßnahmen der NS-Führung befanden sich sicherlich mit dem Fortschreiten des Krieges in einem Prozess fortlaufender Radikalisierung. Selbstgeschaffene Zwangslagen trugen dazu erheblich bei. 53 Aber all dem lag die extrem sozialdarwinistische "Weltanschauung" der Nationalsozialisten zugrunde, deren Rassismus die Welt in "Herrenmenschen", "Untermenschen" und auszurottende Todfeinde einteilte. 54 In dieser Gedankenwelt gab es keinen Frieden. Es gab nur Sieg oder Untergang. Der Völkermord war Ergebnis dieser Denklogik. Es war nur eine Frage des Zeitpunkts, der Umstände und der Gelegenheit, bis es zur Tat kam. Dabei war es sicherlich kein Zufall, dass der Holocaust genau zu jenem Zeitpunkt in voller Schärfe einsetzte, als mit der Kriegserklärung an die USA der Weltkrieg Wirklichkeit geworden war. Damit fiel die letzte Hemmschwelle, denn auf die Weltmeinung brauchte nun endgültig keine Rücksicht mehr genommen zu werden. 55 Selbst als der allgemeine Krieg verloren ging und der Untergang unausweichlich wurde, taten die Nationalsozialisten alles, um wenigstens ihren Krieg gegen die weitgehend wehrlosen Juden zu gewinnen. 56

Im schwersten aller Staatsverbrechen, dem Genozid, kulminierte die Totalisierung der Kriegführung. Die Vernichtung ganzer Völker war als grundsätzliche Möglichkeit in dem auf Entgrenzung angelegten Konzept des totalen Krieges immer vorhanden, schließlich ging es ja um den bis zum Äußersten getriebenen Kampf zwischen Nationen. Auch die Unterscheidung zwischen Menschen mit Kombattantenstatus und Zivilpersonen wurde in diesem Kontext massiv abgeschliffen. Dass es dabei allerdings die europäischen Juden am härtesten traf, war das Ergebnis der verquasten Vorstellungswelt der Nationalsozialisten und der obsessiven Furcht vor der angeblichen jüdischen Weltverschwörung. Sicherheitspolitik nahm unter diesen Vorzeichen einen vollständig pervertierten Charakter an, was zum Einsatz der staatlichen Machtmittel bei der Ermordung von Männern, Frauen, Kindern und Greisen mit dem Ziel der Ausrottung des jüdischen Volkes führte. Im Holocaust erhielt somit das staatliche Gewaltmonopol eine neue und entsetzliche Dimension: Dieser Staat wurde zum Feind jeglicher Menschlichkeit.

Letztendlich stellt sich die Frage, von wem und für wen Sicherheitspolitik im 19. und 20. Jahrhundert eigentlich betrieben wurde. Am Beispiel der Julikrise 1914 haben Richard F. Hamilton und Holger H. Herwig schlüssig aufgezeigt, dass nur eine winzige Gruppe von fünfzig bis achtzig Männern in den europäischen Hauptstädten als Entscheidungsträger fungierten und den Kontinent schließlich in Brand setzten. Natürlich unterlagen sie äußeren Einflüssen und standen unter dem Eindruck ihrer Erfahrungen aus den vorangegangenen Jahren. Aber am Ende definierten sie ganz allein die sicherheitspolitischen Interessen ihrer Staaten, ohne die Öffentlichkeit zu informieren oder sie gar zu befragen. So waren denn die sicherheitspolitischen Vorstellungen dieser extrem schmalen Elite von bestimmender Bedeutung für den Verlauf jener Kriegskrise. 57 Tatsächlich wird sich kaum bezweifeln lassen, dass die Sicherheitspolitik der Staaten schon immer eine Angelegenheit kleiner Eliten war. Dabei propagierten die Entscheidungsträger durchweg den Anspruch, im Sinnen einer wie auch immer definierten Staatsräson zu handeln. Doch hinter diesem abstrakten Gedankengebilde standen häufig harte Partikularinteressen. Napoleon Bonaparte trat als Retter der französischen Bourgeoisie vor den revolutionären Unterschichten im Innern und den Feinden im Ausland auf. Bismarck verstand sich als Garant für den Fortbestand der Hohenzollernmonarchie. Winston Churchill wollte nicht nur das Empire bewahren, sondern auch die Strukturen der britischen Klassengesellschaft. Der breiten Masse des Volkes kam bei alldem eine instrumentelle Funktion zu. Doch genau in Letzterem bestand zwischen 1789 und 1945 ein fundamentales Problem. Sicherheitspolitische Entscheidungen ließen sich vielleicht im Verborgenen treffen, doch wenn es zum Krieg kam, war die staatsbürgerliche Partizipation der Bevölkerung zunehmend unverzichtbar, wollte der moderne Staat all seine Machtmittel entfalten, um zu siegen. Die sich in zwischenstaatlichen Kriegen wechselseitig steigernde Massenmobilisierung der menschlichen und materiellen Ressourcen schuf jene Tendenz zur Radikalisierung der Kriegführung, die in diesem Aufsatz im Mittelpunkt stand. Dies hatte Rückwirkungen auf die Sicherheitspolitik, die sich in Richtung auf die Totalisierung veränderte, wie spätestens der Zweite Weltkrieg demonstrierte.

  • 1. Abul Fazl Allami, The Aini Akbari, 3 Bde., 3. Aufl., Kalkutta 1977, Bd.1, S. 2.
  • 2. Stig Förster, Die Militarisierung der Steppe. Tschingis Khan. In: Stig Förster/Markus Pöhlmann/Dierk Walter (Hrsg.), Kriegsherren der Weltgeschichte. 22 Historische Porträts, München 2006, S. 110-127.
  • 3. Vgl. Stig Förster, Krieg und Genozid. Überlegungen zum Problem extremer Gewalt in universalhistorischer Perspektive. In: Mittelweg 36 18 (2009), S. 71-87.
  • 4. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999.
  • 5. Siehe etwa die glänzende Studie von Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009.
  • 6. Carl von Clausewitz, Vom Kriege. Hrsg. von Werner Hahlweg, 16. Aufl., Bonn 1952, S. 686f.
  • 7. Siehe hierzu Geoffrey Best, War and Society in Revolutionary Europe, 1770-1870, London 1988 S. 15-183; Wolfgang Kruse, Die Erfindung des modernen Militarismus. Krieg, Militär und bürgerliche Gesellschaft im politischen Diskurs der Französischen Revolution, 1789-1799, München 2003; Eric J. Hobsbawm, The Age of Revolution, 1789-1848, London 1962, S. 19-179. Zur Einführung und Entwicklung der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen: Dierk Walter, Preußische Heeresreformen, 1807-1870. Militärische Innovation und der Mythos von der "Roonschen Reform", Paderborn 2003.
  • 8. Stig Förster, The First World War. Global Dimensions of Warfare in the Age of Revolutions, 1775-1814. In: Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.), War in an Age of Revolution, 1775-1815, Cambridge 2010, S. 101-115.
  • 9. Jean Tulard, Napoleon. The Myth of the Saviour, London 1977, S. 231-240; J. Steven Watson, The Reign of George III, 1760-1815, Oxford 1960, S. 356-360, S. 372f; Asa Briggs, The Age of Improvement, 1783-1867, 3. Aufl., London 1983, S. 129-182; Edward P. Thompson, The Making of the English Working Class, London 1963, S. 111-205; Jürgen Heideking, Geschichte der USA, Tübingen 1996, S. 77-101; Stig Förster, Rechtsstaat und Krieg. Eine Skizze. In: Rolf Kappel/Hans Werner Tobler/Peter Waldmann (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit im Zeitalter der Globalisierung, Freiburg 2005, S. 235-253. Donald R. Hickey, The War of 1812. A Forgotten Conflict, Urbana 1989.
  • 10. Tim C. W. Blanning, The French Revolutionary Wars, 1787-1802, London 1990; Rafe Blaufarb, The French Army, 1750-1820. Careers, Talents, Merit, Manchester 2002; Daniel Moran/Arthur Waldron (Hrsg.), The People in Arms. Military Myth and National Mobilization since the French Revolution, Cambridge 2003.
  • 11. Vgl. etwa für Spanien John Lawrence Toon, The Fatal Knot. The Guerilla War in Navarre and the Defeat of Napoleon in Spain, Chapel Hill 1994.
  • 12. Für eine faszinierende Analyse siehe Dominic Lieven, Russland gegen Napoleon. Die Schlacht um Europa, München 2011.
  • 13. David A. Bell, The First Total War. Napoleon's Europe and the Birth of Modern Warfare, London 2007.
  • 14. Ebenda. Die Analyse dieser schrecklichen Vorgänge zählt zu den stärksten Abschnitten in Bells Buch.
  • 15. Rede Helmuth von Moltkes vor dem Deutschen Reichstag, 14. 5. 1890, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 1890/91, Bd. 1, S. 76f.
  • 16. Günther Kronenbitter, "The Most Terrible World War". Friedrich Gentz and the Lessons of Revolutionary War. In: Chickering/Förster (Hrsg.), War (wie Anm. 8), S. 117-135.
  • 17. Best, War (wie Anm. 7), S. 191-307.
  • 18. James M. McPherson, From Limited War to Total War in America. In: Stig Förster/Jörg Nagler (Hrsg.), On the Road to Total War. The American Civil War and the German Wars of Unification, 1861-1871, Cambridge 1997, S. 295-309.
  • 19. Daniel Marc Segesser, Recht statt Rache oder Rache durch Recht? Die Ahndung von Kriegsverbrechen in der internationalen wissenschaftlichen Debatte, 1872-1945, Paderborn 2010, S. 79-86.
  • 20. James M. McPherson, Battle Cry of Freedom. The Civil War Era, Oxford 1988; Mark E. Neely, Jr., The Fate of Liberty. Abraham Lincoln and Civil Liberties, Oxford 1991; Jörg Nagler, Loyalty and Dissent. The Home Front in the American Civil War. In: Förster/Nagler (Hrsg.), On the Road (wie Anm. 18), S. 329-355.
  • 21. Abgedruckt in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, hrsg. vom Institut für Marxismus/Leninismus beim ZK der SED, 39 Bde., Berlin 1965, Bd. 31, S. 424.
  • 22. Der Guerillakrieg und die brutale Reaktion regulärer Truppen war ein wesentlicher Bestandteil des Bürgerkriegs. Siehe Virgil Carrington Jones, Gray Ghosts and Rebel Raiders, McLean 1956; Michael Fellman, At the Nihilist Edge. Reflections on Guerilla Warfare during the American Civil War. In: Förster/Nagler (Hrsg.), On the Road (wie Anm. 18), S. 519-539.
  • 23. Zu diesem Komplex siehe Walter, Preußische Heeresreformen (wie Anm. 7).
  • 24. Vgl. zu all dem die in ihren Ansichten durchaus divergierenden Darstellungen bei Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte, 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 749-767 und Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: 1849-1914, München 1995, S. 251-300.
  • 25. Vgl. Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär, Frankfurt a.M. 1980, S. 199-457 und Ernst Engelberg, Bismarck, 2 Bde., München 1985 und 1990, Bd. 1, S. 525-762.
  • 26. Heinz Helmert und Hansjürgen Usczeck, Preußischdeutsche Kriege von 1864 bis 1871, 5. Aufl., Berlin 1984, S. 43-144; Geoffrey Wawro, The Austro-Prussian War. Austria's War with Prussia and Italy in 1866, Cambridge 1996.
  • 27. Zu den Kriegsursachen vgl. die exzellente Analyse und Quellensammlung bei Josef Becker, Bismarcks spanische "Diversion" 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg, 3 Bde., Paderborn 2003-2007.
  • 28. Michael Howard, The Franco-Prussian War. The German Invasion of France, 1870-1871, 4. Aufl., London 1979; Dennis Showalter, The Wars of German Unification, London 2004, S. 240-340.
  • 29. Colmar Freiherr von der Goltz, Léon Gambetta und seine Armeen, Berlin 1877.
  • 30. Robert Tombs, The War against Paris 1871, Cambridge 1981.
  • 31. Zum Unterschied zwischen Vernichtungskrieg und Vernichtungsfeldzug siehe Stig Förster, Der Vernichtungsgedanke in der militärischen Tradition des Deutschen Kaiserreiches. Überlegungen zum Problem historischer Kontinuität. In: Christoph Dipper/Andreas Gestrich/Lutz Raphael (Hrsg.), Krieg, Frieden und Demokratie. Festschrift für Martin Vogt zum 65. Geburtstag, Frankfurt a.M. 2001, S. 253-265.
  • 32. Für eine detaillierte Analyse der Auseinandersetzungen innerhalb der preußischen Führung während des Deutsch-Französischen Krieges siehe Stig Förster, The Prussian Triangle of Leadership in the Face of a People's War. A Re-Assessment of the Conflict between Bismarck and Moltke, 1870/71. In: Förster/Nagler (Hrsg.), On the Road (wie Anm. 18), S. 115-140.
  • 33. Denkschrift vom 27.04.1871: Aufmarsch gegen Frankreich und Russland, abgedruckt in: Stig Förster (Hrsg.), Moltke. Vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg. Eine Werkauswahl, Bonn 1992, S. 598-609, Zitat S. 603.
  • 34. Michael Schmid, Der "Eiserne Kanzler" und die Generäle. Deutsche Rüstungspolitik in der Ära Bismarck, 1871-1890, Paderborn 2003, S. 273-583. Siehe auch Stig Förster, Optionen der Kriegführung im Zeitalter des "Volkskrieges". Zu Helmuth von Moltkes militärisch-politischen Überlegungen nach den Erfahrungen der Einigungskriege. In: Detlef Bald (Hrsg.), Militärische Verantwortung in Staat und Gesellschaft. 175 Jahre Generalstabsausbildung in Deutschland, Koblenz 1986, S. 83-107.
  • 35. Vgl. Hans Ehlert/Michael Epkenhans/Gerhard P. Groß (Hrsg.), Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente, Paderborn 2006; Gerhard Ritter, Der Schlieffenplan. Kritik eines Mythos, München 1956; Arden Bucholz, Moltke, Schlieffen, and Prussian War Planning, New York 1991; Stig Förster, Der deutsche Generalstab und die Illusion des kurzen Krieges. Metakritik eines Mythos. In: Johannes Burkhardt/Josef Becker/Stig Förster/Günther Kronenbitter, Lange und kurze Wege in den Ersten Weltkrieg. Vier Augsburger Beiträge zur Kriegsursachenforschung, München 1996, S. 115-158.
  • 36. Paul Kennedy, The Rise of the Anglo-German Antagonism, 1860-1914, London 1980; Volker R. Berghahn, Der Tirpitz-Plan. Genesis und Verfall einer innenpolitischen Krisenstrategie und Wilhelm II., Düsseldorf 1971; Michael Epkenhans, Die wilhelminische Flottenrüstung, 1908-1914. Weltmachtstreben, industrieller Fortschritt, soziale Integration, München 1991; Rolf Hobson, Maritimer Imperialismus. Seemachtideologie, seestrategisches Denken und der Tirpitzplan, 1875-1914, München 2004.
  • 37. Stig Förster, Der doppelte Militarismus. Die deutsche Heeresrüstungspolitik zwischen Status-quo-Sicherung und Aggression, 1890-1913, Stuttgart 1985; David Stevenson, Armaments and the Coming of War. Europe 1904-1914, Oxford 1996; Eric Dorn Brose, The kaiser's Army. The Politics of Military Technology in Germany during the Machine Age, 1870-1918, Oxford 2001.
  • 38. Moltkes Bericht an seine Frau vom 29. 1. 1905 über eine Unterredung mit Wilhelm II., abgedruckt in: Eliza von Moltke (Hrsg.), Generaloberst Helmuth von Moltke, Chef des Generalstabes der Armee 1906-1914. Erinnerungen, Briefe, Dokumente, 1877-1916, Stuttgart 1922, S. 308.
  • 39. Förster, Der deutsche Generalstab (wie Anm. 35); Annika Mombauer, Helmuth von Moltke and the Origins of the First World War, Cambridge 2001.
  • 40. Förster, Der doppelte Militarismus (wie Anm. 37), S. 208-297.
  • 41. Stig Förster, Im Reich des Absurden. Die Ursachen des Ersten Weltkrieges. In: Bernd Wegner (Hrsg.), Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten, Paderborn 2000, S. 211-252.
  • 42. Rede Joseph Goebbels' am 18.02.1943, abgedruckt in: Helmut Heiber (Hrsg.), Goebbels Reden, 2 Bde., Düsseldorf 1971 und 1972, Bd. 2, S. 172-208, Zitat S. 204
  • 43. Erich Ludendorff, Der totale Krieg, München 1935; Ernst Jünger, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg 1932. Für Interpretationen dieser Texte und ihres Umfeldes siehe: Roger Chickering, Ludendorff's Total War. In: Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.), The Shadows of Total War. Europe, East Asia, and the United States, 1919-1939, Cambridge 2003, S. 151-177; Thomas Rohkrämer, Strangelove, or how Ernst Jünger Learned to Love Total War. In: Chickering/Förster (Hrsg.), Shadows, S. 179-195. Zur internationalen Diskussion über den totalen Krieg siehe: Stig Förster (Hrsg.), An der Schwelle zum Totalen Krieg. Die militärische Debatte über den Krieg der Zukunft, 1919-1939, Paderborn 2002.
  • 44. Die Konferenzbeiträge sind inzwischen vollständig veröffentlich worden. Siehe: Förster/Nagler (Hrsg.), On the Road (wie Anm. 18); Manfred F. Boemeke/Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.), Anticipating Total War. The German and American Experiences, 1871-1914, Cambridge 1999; Roger Chickering/Stig Förster (Hrsg.), Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914-1918, Cambridge 2000; Chickering/Förster (Hrsg.), Shadows (wie Anm. 42); Roger Chickering/Stig Förster/Bernd Greiner (Hrsg.), A World at Total War. Global Conflict and the Politics of Destruction, 1937-1945, Cambridge 2005. Die folgende Analyse beruht auf den Ergebnissen der Konferenzserie und hinsichtlich des Zweiten Weltkrieges zudem auf der hervorragenden Darstellung von Gerhard L. Weinberg, A World at Arms. A Global History of World War II, Cambridge 1994.
  • 45. Vgl. hierzu ausführlich: Stig Förster, Das Zeitalter des totalen Krieges, 1861-1945. Konzeptionelle Überlungen für einen historischen Strukturvergleich. In: Mittelweg 36 8 (1999), S. 12-29.
  • 46. Eine neue ausgezeichnete Studie zeigt allerdings auf der Grundlage umfangreichen empirischen Materials, dass fern aller zeitgenössischen Rhetorik und trotz aller institutionellen Grabenkämpfe die finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Kriegsanstrengungen des Deutschen Reiches schon bald nach Kriegsbeginn an die Grenzen der Belastbarkeit gingen und schließlich zur Überforderung der vorhandenen Möglichkeiten führte. Siehe: Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007.
  • 47. Zum Terror als Herrschaftsmethode im Nationalsozialismus und im Stalinismus siehe Jörg Baberowski/Anselm Doering-Manteuffel, Ordnung durch Terror. Gewaltexzesse und Vernichtung im nationalsozialistischen und im stalinistischen Imperium, Bonn 2006. Verstärkter Terror war auch einer der wesentlichen Bestandteile der Machtausübung, mit der das NS-Regime die Masse der deutschen Bevölkerung zwang, bis zum bitteren Ende durchzuhalten. Siehe Ian Kershaw, Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45, München 2011.
  • 48. Vgl. etwa Francis L. Carsten, War against War. British and German Radical Movements in the First World War, London 1982; Daniel Marc Segesser, Empire und Totaler Krieg. Australien 1905-1918, Paderborn 2002, S. 403-435; Jörg Nagler, Nationale Minoritäten im Krieg. "Feindliche Ausländer" und die amerikanische Heimatfront während des Ersten Weltkrieges, Hamburg 2000.
  • 49. Zum Problem der britischen Seeblockade in Ersten Weltkrieg siehe Avner Offer, The First World War. An Agrarian Interpretation, Oxford 1989. Zu den strategischen Bombardements siehe etwa das umstrittene Buch von Jörg Friedrich, Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg, 1940-1945, Stuttgart 2002. Für eine kritische Auseinandersetzung mit Friedrichs Buch siehe Lothar Kettenacker (Hrsg.), Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg, 1940-1945, Berlin 2003. Vgl. außerdem die sachliche Analyse bei Horst Boog, Der anglo-amerikanische strategische Luftkrieg über Europa und die deutsche Luftverteidigung. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, 10 Bde., Stuttgart und München 1979-2008, Bd. 6: Der globale Krieg, Stuttgart 1990, S. 429-565. Zum Einsatz der Atombomben siehe Gar Alperovitz, The Decision to Use the Atomic Bomb and the Architecture of an American Myth, New York 1995.
  • 50. Christian Streit, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen, 1941-1945, Stuttgart 1978.
  • 51. Siehe hierzu etwa Rolf-Dieter Müller, Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik, Frankfurt a.M. 1991 und Helmut Krausnick, Hans-Heinrich Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, 1938-1942, Stuttgart 1981. Ebenso Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland, 1941 bis 1944, Hamburg 1999.
  • 52. Jörg Ganzenmüller, Das belagerte Leningrad, 1941-1944. Die Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern, Paderborn 2005.
  • 53. Vgl. hierzu etwa Götz Aly, "Endlösung". Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1995.
  • 54. Siehe hierzu die beeindruckenden Studien von Ian Kershaw, Hitler, 2 Bde., London 1998 und 2000; sowie von Peter Longerich, Heinrich Himmler. Biographie, München 2008 und zuletzt Robert Gerwarth, Reinhard Heydrich. Biographie, München 2011.
  • 55. Christian Gerlach, Die Wannsee-Konferenz, das Schicksal der deutschen Juden und Hitlers politische Grundentscheidung, alle Juden Europas zu ermorden. In: Werkstatt Geschichte 18 (1997), S. 7-44.
  • 56. Zu dem ganzen Komplex siehe auch Stig Förster, Total War and Genocide. Reflections on the Second World War. In: Australian Journal of Politics and History 53 (2007), S. 68-83.
  • 57. Richard F. Hamilton, Holger H. Herwig, World Wars: Definition and Causes. In: dies. (Hrsg.), The Origins of World War I, Cambridge 2003, S. 1-43.
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