Irina Renz
Miszelle
Veröffentlicht am: 
07. Juli 2014
Schwerpunktherausgeber: 
DOI: 
10.15500/akm.07.07.2014

Plakate erlangten im Ersten Weltkrieg eine bis dahin ungekannte Bedeutung als Kommunikationsmedium der Kriegsgesellschaft. Die Bibliothek für Zeitgeschichte (BfZ) verfügt über eine umfangreiche Sammlung von politischen Plakaten des 20. Jahrhunderts, die teilweise über eine Plakat-Datenbank erschlossen sind. Den Schwerpunkt des Bestandes zum Ersten Weltkrieg bilden Plakate aus Deutschland. Daneben sind Exemplare aus Österreich-Ungarn, Bulgarien, Belgien, Frankreich, Russland und den USA enthalten.

Zum Weltkriegsgedenkjahr 2014 wurde aus der Online-Datenbank der Plakatsammlung ein spezieller Ausschnitt angefertigt, der den direkten Zugriff auf ca. 1.600 Plakate aus der Zeit des Ersten Weltkriegs ermöglicht.1 Diejenigen illustrierten Plakate, die urheberrechtlich nicht mehr geschützt sind, sowie sämtliche Schriftplakate werden mit Abbildungen in der Datenbank angezeigt. Recherchiert werden kann – neben der Volltextsuche – gezielt nach dem Auftraggeber/Herausgeber, dem entwerfenden Künstler, dem Titel sowie nach Drucker, Erscheinungsjahr oder nach Sachgruppen, Schlagworten und Bildinhalten.

Zur Geschichte der Sammlung

„Der Historiker der Zukunft, der der ganzen Verkettung der gegenwärtigen Vorgänge gerecht werden will, wird an unseren graphischen Archiven nicht mit einem flüchtigen Blick vorübergehen können.“2

Die Gründer der Kriegssammlung „Weltkriegsbücherei“ hatten ein umfassendes und kulturgeschichtlich anspruchsvolles, transnationales Konzept. Sie wollten den Krieg in allen Facetten dokumentieren. Gesammelt wurden daher „in tunlichster Vollständigkeit“ alle Arten von „Denkwürdigkeiten“.3 Vor allem galt das Interesse den Anstrengungen der deutschen Propaganda, denen die Produktionen der „Feinde“ gegenübergestellt werden sollten. „Es kommen alle Sachen in Betracht, die aus der Not der Zeit heraus geboren sind“, erklärte 1915 der Initiator der Bibliothek, der Kaffeemittelproduzent Richard Franck, in seinem ersten Sammelaufruf.4 Für ihn zählten die Plakate, auf deren Werbewirkung er auch als Unternehmer setzte, zu den wichtigsten Sammelobjekten. Bis 1923 konnten 15.000 Bildplakate und 20.000 „Maueranschläge“ internationaler Provenienz zusammengetragen werden.5

Nach dem Ersten Weltkrieg kamen neue Themen zum bisherigen Sammelauftrag hinzu: die Bekanntmachungen der Revolutionären Gremien, die politischen Plakate der Weimarer Republik und des Dritten Reichs bis hin zu den Plakaten mit Bezug auf den Zweiten Weltkrieg. Im September 1944 erlitt die Sammeltätigkeit einen schweren Rückschlag: Die komplette Plakatsammlung der Weltkriegsbücherei wurde bei einem Bombenangriff auf Stuttgart vernichtet. Durch kontinuierliche Nachkäufe konnte die Plakatsammlung jedoch nach 1945 in Teilen rekonstruiert werden.  

Der Bestand

Schriftplakate

Das erste deutsche Kriegs-Plakat erschien bereits am 6. August 1914 und verbreitete die Rede des Kaisers vom 4. August (Abb. 2) – eines der letzten dürfte das Kölner Plakat sein, auf dem der Oberbürgermeister, Konrad Adenauer, am 7. November 1918 die Bürger zu „Ruhe und Ordnung“ ermahnt (Abb. 3).

Plakate waren zu Beginn des Krieges überwiegend reine Schriftplakate. Lucian Bernhard, der für die Gestaltung der Werbekampagne der fünften Kriegsanleihe verantwortlich war, hatte bereits vor dem Krieg Schriften für Werbeplakate entworfen. Von seinen künstlerisch gestalteten Schriftplakaten sind in der Sammlung aus allen Kriegsjahren Beispiele vorhanden. Sie zeigen deutlich die Entwicklung der Schriftkunst während des Krieges.

Zeitgenössisch wurde für die zahlreichen Bekanntmachungen der Behörden, die als Aushang publiziert wurden, der Begriff „Maueranschlag“ verwendet. Die Texte entsprechen in vielen Fällen den in Amtsblättern veröffentlichten Verordnungen, die so in die Öffentlichkeit transportiert wurden. Die Sammlung der BfZ weist vor allem Maueranschläge aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten des Russischen Reiches auf. Insbesondere aus den besetzten baltischen Gebieten, in denen Erich Ludendorff den Militärstaat „Ober Ost“ schuf, liegen zahlreiche Exemplare vor (Abb. 4). Diese bis zu fünfsprachigen Aushänge sind augenfällige Dokumente der überbordenden Bürokratie und der Ausbeutung der lokalen Bevölkerung. Eine zweite umfangreiche Gruppe bilden die Bekanntmachungen und Erlasse des deutschen Generalgouverneurs im besetzten Belgien. Weitere auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen entstehende Plakate der militärischen Behörden richten sich an die eigenen Truppen. Auch hier spiegeln die Veranstaltungshinweise (Abb. 5) und Verhaltensregeln für Soldaten die Verhältnisse vor Ort.

Bildplakate

Illustrierte Plakate waren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in der Gewerbe- und Produktwerbung verwendet worden. Besonders für Ausstellungen kamen seit der Jahrhundertwende Bildplakate zum Einsatz, die nicht mehr nur von Typographen, sondern von Bild-Künstlern gestaltet waren. Parteien und Organisationen versahen ihre Plakate ebenfalls mit Bildern. Dass der Staat nun im Krieg für eigene Werbezwecke Illustrationen einsetzte, war aber ein absolutes Novum.

Eine zentrale Zensur- oder Propagandastelle existierte in Deutschland lange Zeit nicht – im Gegensatz beispielsweise zu Frankreich. Ab 1916 konkurrierten verschiedene zivile und militärische Stellen bei der „Aufklärungsarbeit“. Es fehlten aber nach wie vor Programme sowohl für die Inlands- wie für die Auslandspropaganda. Bildplakate entstanden in erster Linie für die Kriegsanleihewerbung, für Spendensammlungen sowie für die inländische Durchhalte- und Motivationspropaganda. In die Plakate der Produktwerbung wiederum hielten Kriegsthemen Einzug, und auch die Attraktivität der Veranstaltungsplakate für Soldaten wie Zivilisten versuchte man durch Bilder zu erhöhen.

Kriegsanleiheplakate

Zur Finanzierung des Krieges gaben nahezu sämtliche kriegführenden Nationen Kriegsanleihen aus. In Deutschland wurden die ersten fünf Kriegsanleihen noch ohne Bilder beworben. Als jedoch der Ertrag der vierten Anleihe recht mäßig ausfiel, entschloss sich das Reichsschatzamt mit der Gestaltung der Plakate renommierte „Reklamekünstler“ zu beauftragen. Ab der sechsten Kriegsanleihe wurden erstmals Bildplakate eingesetzt. Die Sammlung der BfZ enthält viele dieser berühmt gewordenen und in hohen Auflagen gedruckten Entwürfe für die deutsche Kriegsanleihe-Werbung etwa von Lucian Bernhard, Fritz Erler, Louis Oppenheim oder Bruno Paul. Einer der heute bekanntesten ist der Entwurf von Fritz Erler „Helft uns siegen“ für die sechste Kriegsanleihe von Anfang 1917 (Abb. 6).

Erler, der selbst an der Westfront gewesen war, zeigt hier den „gemeinen“ Frontsoldaten – versehen mit den Attributen Stacheldraht, Stahlhelm, Handgranate und Gasmaske, mit ernstem Gesichtsausdruck über den Betrachter hinweg in die Ferne blickend. Er steht für den neuen Typ des Kämpfers. Vergleicht man diesen Entwurf mit dem ebenfalls 1917 entstandenen Plakat des Wiener Künstlers Wilhelm Dachauer für die sechste österreichische Kriegsanleihe, wird die Bandbreite der verwendeten Bildsprachen deutlich (Abb. 7). Dachauer arbeitet hier ausschließlich mit ornamentalen Allegorien. Unter den österreich-ungarischen Anleihe-Plakaten, die einen großen Teil der k.u.k Plakate in der BfZ-Sammlung ausmachen, finden sich auch die besonders farbenprächtigen Exemplare nach den Entwürfen der ungarischer Künstler Mihály Biró, Dezsö Bér und Jenö Haranghy.

Heute weniger bekannte Kriegsanleiheplakate gehen teilweise auf die von verschiedenen Bankhäusern ausgelobten Wettbewerbe zurück, sie wurden nur in kleineren Auflagen gedruckt und sind entsprechend selten in Plakatsammlungen zu finden. Den Wettbewerb einer Stuttgarter Bank für die siebte Kriegsanleihe gewann ein Entwurf von Karl Sigrist, der den Zeitgenossen offensichtlich besonders gelungen erschien (Abb. 8).

Plakate zu Spendensammlungen

Ein weiteres, wichtiges Betätigungsfeld für die noch junge Zunft der Plakatkünstler diente ebenfalls der Finanzierung des Krieges. Die Heimat-Bevölkerung sollte zu Geld- und Materialspenden motiviert und gleichzeitig in die Kriegsanstrengungen eingebunden werden. Die BfZ verfügt über mehr als hundert Plakate dieser Themengruppe, darunter sind Künstlerplakate hoher Qualität von Julius Gipkens, Ludwig Hohlwein, Louis Oppenheim, Lina von Schauroth, Julius Diez (Abb. 9) und Olaf Gulbransson. Auch hier kamen die Entwerfer oft aus der Werbung und übernahmen den Plakatstil der Produktwerbung.

Propagandaplakate

Die im engeren Sinne der Kriegspropaganda zuzurechnenden Bildplakate der Sammlung befassen sich mit den Themen Durchhalten, dem Schulterschluss von Heimat und Front, Land- und Stadtbevölkerung sowie dem „richtigen“ Verhalten im Krieg. Auch die Verunglimpfung der Feinde und die Hervorhebung deutscher Siege und Überlegenheit sind Sujets der teils humoristisch, teils seriös angelegten Bildplakate. Die deutsche Plakat-Antwort auf den „Barbaren“-Vorwurf der Entente beispeilsweise kam von Louis Oppenheim (Abb. 10): Auf zwei Plakaten, die sich in der Sammlung befinden, hält er der ausdrucksstarken französischen Monster-Bilderwelt (Abb. 11) illustrierte Statistiken entgegen.

Werbung für Ausstellungen und Filme

Eindrucksvolle Beispiele der Plakatkunst der Kriegszeit haben sich unter den Ausstellungs- und Filmplakaten der Sammlung erhalten. Die ersten Kriegsausstellungen wurden bereits 1915 zusammengestellt und entwickelten sich im Verlauf des Krieges zu einem Publikumserfolg (Abb. 12). Das Rote Kreuz, das verschiedene Wanderausstellungen zusammenstellte, bewarb auch diese – wie schon seine Spendenaufrufe und Nagelungsaktionen – mit Bildplakaten namhafter Künstler.

Auch das Medium Film wurde früh zur patriotischen Mobilisierung der Bevölkerung und der kämpfenden Truppe eingesetzt. Von den Plakaten zu Kriegsfilmen sind in der BfZ-Sammlung fünf von Hans Rudi Erdts Entwürfen für das Bild- und Filmamt zu finden (Abb. 13).

Kommunikationsmedium Plakat

Plakate zielen auf die Aufmerksamkeit der Passanten. Die Wirkung eines bestimmten Plakats kann aber selten bemessen werden. Die Auflagenhöhe gibt in manchen Fällen Hinweise auf die zeitgenössische Einschätzung, war aber wiederum abhängig von Anlass und Auftraggeber des Plakats. So wird den Kriegsanleiheplakaten des angesehenen Werbefachmanns Lucian Bernhard das Verdienst zugesprochen, den Erfolg der späteren Kriegsanleihen befördert zu haben. Der Einsatz von ansprechenden Plakaten mit „schlagkräftigen“ Texten und Bildern war aber nur einer von mehreren möglichen Faktoren. Auch die Beurteilung durch die Kunstkritik erlaubt nur ausnahmsweise Rückschlüsse auf die Wirkung in der Öffentlichkeit. Nach Jeffrey Verhey lässt sich die Wirkung der Plakate an der politischen Bildersprache der Weimarer Republik ablesen, diese sei „maßgeblich von der Bildersprache des Ersten Weltkrieges beeinflusst worden“.6 Die Bibliothek für Zeitgeschichte ist in der glücklichen Lage, auch zur Weimarer Republik eine stattliche Plakatsammlung aufweisen zu können.

  • 1. http://avanti.wlb-stuttgart.de/bfz/wk1plakat/index.php.
  • 2. Hermine C. Schützinger: Kriegsanleiheplakate bei Freund und Feind, in: Das Plakat 9 (1918), H. 2, S. 74-77. Schützinger war die erste Sammlungsleiterin der Plakatsammlung der Weltkriegsbücherei.
  • 3. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel,85 (1917), Nr. 186, 11.8.1917, S. 689; Albert Buddecke, Die Kriegssammlungen. Ein Nachweis ihrer Einrichtung und ihres Bestandes, Oldenburg 1917, S. 12.
  • 4. Richard Franck, Eine Bitte, in: Mitteilungen von Ihrer Firma und Ihren Kollegen, Nr. 52, 13. November 1915.
  • 5. Berichte der Weltkriegsbücherei, 1924, H. 2 (Februar), S. 8.
  • 6. Jeffrey Verhey, „Helft uns siegen“ – die Bildersprache des Plakates im Ersten Weltkrieg, in: Rolf Spilker/Bernd Ulrich (Hrsg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914-1918, Bramsche 1998, S. 164-175, hier S. 173.
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Abb. 2: Das erste Kriegs-Plakat vom 6. August 1914, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.0/25
Abb. 3: Mahnende Worte der letzten Kriegstage von Konrad Adenauer, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.0/235
Abb. 4: „Verordnung betreffend Kuchenbackverbot“ des Oberbefehlshaber Ost von 1917, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.13/18
Abb. 5: Plakat zu einer Veranstaltung für deutsche Soldaten in der Etappe, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.22/21
Abb. 6: Die Ikone der Kriegsanleihe-Werbung: „Helft uns siegen!“ von Fritz Erler, 1917, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.5/5
Abb. 7: Plakat für die sechste k. u. k. Kriegsanleihe von Wilhelm Dachauer, 1917, Bibliothek für Zeitgeschichte, 6.2/7
Abb. 8: Der preisgekrönte Entwurf von Karl Sigrist für den Stuttgarter Plakatwettbewerb von 1917, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.5/19
Abb. 9: Plakat nach einem Entwurf von Julius Diez, 1918, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.4/23
Abb. 10: Plakat von Louis Oppenheim „Sind wir die Barbaren?“, vermutlich 1915, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.3/5
Abb. 11: Französische Darstellung des deutschen „Barbaren“. Karikatur von Guillaume Morinet von 1915
Abb. 12: Plakat des ungarischen Malers  Pál Suján für die Kriegsfürsorge-Ausstellung in Bratislava, 1917, Bibliothek für Zeitgeschichte, 6.3/11
Abb. 13: Filmplakat von Hans Rudi Erdt, 1918, Bibliothek für Zeitgeschichte, 2.6/20
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