Ein Workshop der Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, veranstaltet im Warburg-Haus Hamburg am 23./24. Februar 2018.
Kai Lohsträter und Sebastian Pranghofer
Tagungsbericht
Veröffentlicht am: 
07. Dezember 2024

Am 23. und 24. Februar 2018 fand der von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Workshop Administration, Logistik und Infrastrukturen des Krieges in der Frühen Neuzeit im Warburg-Haus Hamburg statt. Bei der von der Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg (Jutta NOWOSADTKO) organisierten Veranstaltung wurden in drei Sektionen Fragen zu Ressourcengenerierung und -management, zur Verwaltung des Krieges sowie zu den logistischen und infrastrukturellen Voraussetzungen der Kriegführung vom 16. bis zum beginnenden 19. Jahrhundert diskutiert.

In ihrer Einführung umrissen Sebastian PRANGHOFER und Kai LOHSTRÄTER (beide Hamburg) die Forschungslandschaft zu Verwaltung, Logistik und Infrastrukturen frühneuzeitlicher Kriegführung. Dabei wiesen sie darauf hin, dass diese Gegenstände zwar nicht völliges Neuland darstellen, in Bezug auf Fragen der Alltagspraktiken, der genauen organisatorischen Ausgestaltung sowie der handelnden Personen aber nach wie vor nur wenig erforscht sind. Überdies wiesen sie auf die auffällige thematische und geographische Engführung des grundsätzlich sehr weiten Untersuchungsfeldes hin. So konzentriere sich die vorliegende Literatur im Großen und Ganzen auf bestimmte Kriegsschauplätze, auf wenige (west-)europäische Großmächte sowie auf spezifische Probleme wie die ‚staatliche’ Kriegsfinanzierung (fiscal-military state), die Lebensmittelversorgung der See- und Landstreitkräfte oder die Beziehung von Logistik und Kriegstaktik. Vor diesem Hintergrund formulierten die Organisatoren vier Hauptzielrichtungen des Workshops: Erstens die empirische Basis der Forschung zu erweitern und dabei die strukturellen zeitgenössischen Handlungsrahmen genauer und differenzierter zu fassen. Zweitens den Alltag und die Praktiken der zeitgenössischen Akteure und die aus ihrem Handeln erwachsenden Strukturen in den Blick zu nehmen. Drittens den Krieg und seine Übergangsphasen (Mobilisierung/Demobilisierung) und nicht ‚das Militär’ in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Dadurch sollen zum einen die Besonderheiten dieses ‚Aggregatszustandes’ gesellschaftlichen Lebens genauer erfasst werden. Zum anderen geht es darum, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich Krieg und Kriegführung nicht auf das Militär beschränkten. Als vierte Zielrichtung wiederum wurde formuliert, die Begrifflichkeiten zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Staat, Militär und ‚(Zivil-)Gesellschaft’ zu hinterfragen und sich von den in der Literatur häufig unreflektiert anzutreffenden modernen Kategorisierungen (z. B. Funktionalität und Effizienz) bei der Bewertung der Administration, Logistik und Infrastrukturen der frühneuzeitlichen Kriegführung zu lösen.

 

Die Vorträge der ersten Sektion beschäftigten sich vor allem mit Fragen der Kriegsfinanzierung und des Ressourcenmanagements. Tim NEU (Bochum) wandte sich am Beispiel des Spanischen Erbfolgekrieges den Zahlmeistern und Kaufmannsbankiers, das heißt den Akteuren der britischen Finanzlogistik zu. Er zeigte, dass es bei den Kaufkrafttransfers von London zu den Kriegsschauplätzen neben der Lösung materieller Probleme, die sich aus der zeitgenössischen Währungsvielfalt ergaben, vor allem um das Management komplexer zeitlicher, räumlicher und sozialer Settings ging. Bei den durch Konversionen, Wechsel und andere Mittel vorgenommenen Transaktionen spielte Vertrauen eine zentrale Rolle – ein Gut, das in der Frühen Neuzeit nicht zuletzt ständisch konnotiert war. Neu plädierte daher dafür, die vormoderne Kriegsfinanzlogistik nicht allein aus funktionaler Perspektive zu betrachten, sondern Elemente wie Ehre oder persönlichen Kredit in die Betrachtung einzubeziehen.

Mit seiner semantischen Analyse von Verwaltungsakten aus der südböhmischen Herrschaft Krumau um 1700 zeigte Stefan SANDER-FAES (Zürich) aus einem Blickwinkel von unten, wie der Umfang von bereitgestellten oder zu bereitstellenden Ressourcen zur Kriegsfinanzierung – in diesem Fall für den Krieg gegen das Osmanische Reich – begründet und legitimiert wurden. Auch an diesem Beispiel wurde die Bedeutung der „Vertrauensökonomie“ in der Frühen Neuzeit offenkundig. Überdies führte Sander-Faes vor Augen, dass der Kriegsfall stets spezifische Problemlösungsstrategien erforderte. In der detaillierten Auseinandersetzung mit den Quellenbeständen wurde aber auch sehr deutlich, dass die in den frühneuzeitlichen Etats festgehaltenen Zahlen weniger der Projektion und Berechnung realer Einnahmen und Ausgaben dienten, als der Formulierung von Herrschaftsansprüchen der Stände und der Zentralregierung.

Andreas FLURSCHÜTZ DA CRUZ (Bamberg) illustrierte in seinem Beitrag anhand von Subsidienverträgen zwischen der Republik Venedig und deutschen Fürsten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einerseits, dass der Handel mit kriegsbezogenen Hilfsleistungen ein viel breiteres europäisches Phänomen war als gemeinhin angenommen. Andererseits machte er klar, dass sich wirtschaftlicher Profit nur bedingt als Maßstab zur retrospektiven Bewertung der frühneuzeitlichen Subsidien eignet. Nicht selten wurden sie nämlich langfristig als Instrumente der diplomatischen und dynastischen Interessenspolitik eingesetzt. In der Praxis ermöglichten die Subsidien vielfältige, enge europäische Kooperationen, bei denen die Kriegsunternehmer als Makler in Erscheinung traten. Dies spiegelt sich nicht zuletzt im Wissenstransfer zur Ausgestaltung der Vertragswerke, die fortlaufend angepasst und immer differenzierter wurden.

Während es sich bei den ersten Beiträgen um Präsentationen von Fallstudien handelte, näherte sich Peter WILSON (Oxford) dem Thema des frühneuzeitlichen Kriegsressourcenmanagements zeitlich und geographisch aus der Makroperspektive. Angesichts der Ausweitung des Krieges und der Armeen in Europa seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts charakterisierte er die Generierung und den Austausch von Personal, Expertise, Informationen, Finanzen, Materialien und Dienstleistungen als gesamteuropäische Erscheinung. Die militärischen Auseinandersetzungen im vornationalen Zeitalter, das seiner Darstellung nach bis in die 1870er Jahre reichte, seien somit nicht als staatliche Konflikte zu sehen. Aus diesem Grund wäre auch das gebräuchliche Konzept des fiscal-military state für die Erklärung der Verhältnisse in Alteuropa nicht angemessen. Treffender sei dagegen das Modell eines europaweiten fiscal-military system, das darüber hinaus auch erkennbare Parallelen zur postnationalen Kriegführung der Gegenwart aufweise.

In der zweiten Tagungssektion ging es schwerpunktmäßig um Fragen zur konkreten Verwaltungspraxis von Krieg und Militär sowie um die vielfältigen Verflechtungen zwischen „militärischer“ und „ziviler“ Administration. Marius MUTZ (Augsburg) untersuchte am Beispiel des Dresdner Hauszeugmeisters Paul Buchner zeitgenössische Handlungsebenen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dessen Beziehung zum sächsischen Kurfürsten sowie die sich institutionalisierenden Militärverwaltungsstrukturen. Dabei wurde deutlich, dass der mit vielfältigen Aufgaben am Hof betraute bürgerliche Handwerker Buchner seine herausgehobene Stellung nicht nur seiner Fachkompetenz und Verlässlichkeit verdankte, sondern auch seinem besonders guten persönlichen Verhältnis zum Fürsten.

Welch große Bedeutung persönliche Bindungen im Bereich der Verwaltung und Versorgung von Armeen noch im Dreißigjährigen Krieg hatten, machte der folgende Vortrag Astrid ACKERMANNS (Jena) zu Bernhard von Weimar klar. Dieser sicherte die europaweit organisierte Finanzierung und Verpflegung seiner Soldaten ausschließlich über bewährte Vertrauensleute, das heißt über konfessionell und/oder ideologisch nahestehende Personen, die häufig zugleich als Lieferanten und Kreditgeber (sogenannte Kaufmannsbankiers) in Erscheinung traten. Das System besaß eine gewisse Tragfähigkeit – bei allen logistischen Problemen der Zeit, die insbesondere die Bereiche Beschaffung und Transport betrafen. Langfristig erwies es sich aber als wenig affirmativ gegenüber zeitgenössischen Rationalisierungsbestrebungen.

Ebenfalls im Dreißigjährigen Krieg war der nachfolgende Beitrag Keita SAITOS (Kyoto) verortet. Allerdings widmete er sich mit Blick auf die Doppelrolle der Kriegskommissare einem ganz anderen Aspekt der Militärversorgungs- und Militärverwaltungssysteme der Zeit sowie einem bisher in Bezug auf die Praxis wenig beachteten Akteur. Anhand des bayerischen Kommissars Hans Christoph Ruepp, der zugleich als Regimentschef und fürstlicher Controller fungierte, wies Saito auf das Konfliktpotential solcher Doppelfunktionen hin. Dabei war diese Konstellation symptomatisch für eine noch kaum systematisch ausgestaltete Administration, hier der bayerisch-ligistischen Armee, deren Versorgung oft ad hoc bewerkstelligt wurde. Dennoch lassen sich laut Saito im Dreißigjährigen Krieg wichtige Ansätze der (Re-)Strukturierung der Militärverwaltung erkennen. So stellte die beschriebene Problemlage in den 1630er Jahren in Bayern den Ausgangspunkt eines langfristigen Prozesses dar, der zur Ausbildung eines neuen Amtsadels und des Kommissariats als fürstliche Behörde geführt habe.

Die spezifische Verschränkung von zivilen und militärischen Verwaltungsstrukturen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war im Anschluss daran das Thema Sabine JESNERS (Graz), die mit dem Banat ein Gebiet im östlichen Teil Europas in den Blick nahm. Im Mittelpunkt ihres Vortrags stand die Beteiligung der habsburgischen Armee beim Wiederaufbau herrschaftlicher Strukturen nach dem Abzug der Osmanen. Jesner führte dabei nicht nur vor Augen, dass Militärs über mehrere Jahrzehnte hinweg, genauer bis in die 1750er Jahre, für die lokale beziehungsweise regionale Verwaltung und die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen unverzichtbar waren, sondern auch, dass viele vermeintlich „zivile“ Beamtenlaufbahnen der Zeit über Stationen im Militär verliefen.

In der dritten Sektion des Workshops ging es in erster Linie um die infrastrukturellen und logistischen Probleme der Bewegung und Versorgung von frühneuzeitlichen Armeen im Kriegseinsatz. Den Anfang machte Johannes KRAUS (Frankfurt a. M.), der sich mit der Verpflegung und Unterbringung von Truppen im eigenen Territorium, hier in der Oberpfalz, während des Dreißigjährigen Krieges befasste. Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Praxis der Erhebung von Kontributionen, die sich im Rahmen eines fürstlich etablierten formalen Verfahrens als komplexer Aushandlungsprozess darstellte, der von beidseitigen Beschwerden, Betrugsfällen und Gewaltandrohungen begleitet wurde.

Wie Fragen der Quartiernahmen und der Verpflegung beim Marsch von Truppen durch fremdes, gleichwohl aber nicht feindliches Gebiet gehandhabt wurden, damit beschäftigte sich der Vortrag Martin SCHRÖDERS (Duisburg-Essen). Am Beispiel der komplexen Organisation des Zuges braunschweig-lüneburgischer Kontingente nach Böhmen 1685 untersuchte er das Zusammenwirken zwischen hannoverischer Administration und Militär, der kursächsischen Landesverwaltung und sonstigen, zum Teil lokalen Akteuren, welche die Durchzugskonditionen aushandelten und den konkreten Bedürfnissen anpassten.

Daran unmittelbar anknüpfend stellte Alexander QUERENGÄSSER (Leipzig) eindrücklich die alltäglichen Widrigkeiten eines verlässlichen Transports von Truppen und ihrer Verpflegung um 1700 dar. Anhand des Einsatzes der kursächsischen Armee im Großen Nordischen Krieg illustrierte er die gängigen Praktiken, auf traditionelle Spanndienste und Privatunternehmer bei der Beförderung und die Selbstversorgung durch Marketender im Heerestross zurückzugreifen. Obwohl man angesichts dieses stark von persönlichen Fähigkeiten abhängigen Systems mit einiger Berechtigung von einer „halbherzigen Verstaatlichung“ des stehenden sächsischen Heeres sprechen könne, wies Querengässer auch auf den Umstand hin, dass die Zeitgenossen den beschriebenen Lösungen trotz aller wiederholt aufgetretener Ausfälle und Engpässe sehr viel unkritischer gegenüberstanden als die auf „moderne Staatsbildung“ fokussierte (meist ältere) Geschichtswissenschaft.

Um die zentrale Rolle von Privatunternehmern als Kriegslieferanten ging es ebenfalls in Michaela SCHMÖLZ-HÄBERLEINS (Bamberg) Vortrag zur Versorgungspraxis der fränkischen Kreistruppen zwischen dem pfälzischen Erbfolgekrieg und dem Ende des Siebenjährigen Krieges. Sie machte darauf aufmerksam, dass es vor allem jüdische „Admoniateure“ waren, die mit ihren weit über die Kreis- und mitunter auch Reichsgrenzen reichenden Geschäfts- und Verwandtschaftsbeziehungen diesen Bereich trugen – trotz finanzieller Ausfallrisiken. Sie waren in der Regel schneller, flexibler und auch bei der Warenqualität zuverlässiger als ihre christlichen Wettbewerber. Dass diese dennoch häufig als Zwischenhändler an der Armeeversorgung mitverdienten, war dabei typischer Ausdruck der alltäglichen Diskriminierung, der jüdische Händler in der Frühen Neuzeit ausgesetzt waren.

Im Beitrag von Sabrina FRÖHLICH (Siegen) über die englische Schießpulvermühle von Waltham Abbey ging es zum Ende des Workshops hinsichtlich der Wendezeit zum 19. Jahrhundert nochmals um das Verhältnis von privaten und staatlichen Akteuren bei der Bereitstellung von Kriegsmaterial. Nachgezeichnet wurden die Entwicklung der Produktionsstätte zu einem staatlichen Großunternehmen und die diesen Weg begleitenden Debatten im britischen Parlament in den 1780er Jahren. Die Verstaatlichung der Schießpulverproduktion stellte Fröhlich als vielschichtigen Prozess dar, in dem es um Fragen der Rationalisierung, der ökonomischen Monopolisierung, der Qualitätssicherung und Produktionsstandardisierung ging.

Bezogen auf die eingangs formulierten Ziele des Workshops zeichneten die Vorträge und durchweg intensiven Diskussionen ein sehr viel differenzierteres Bild von der Administration, Logistik und Infrastrukturen des Krieges zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, als in der bisherigen Forschung dargestellt. Zu Tage traten in der mehrheitlich mikrohistorischen Sicht neben konkreten Praktiken vor allem die tiefen Verflechtungen der unterschiedlichen Akteure und Institutionen, in denen militärische und zivile soziale Sphären kaum mehr als distinkte Bereiche greifbar wurden. Die kriegerischen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit waren nicht nur hinsichtlich ihrer oft verheerenden Auswirkungen immer gesamtgesellschaftliche Vorgänge. Die Hybridität wurde in den Bündelungen von Rollen und Funktionen einzelner Personen, in den personalen (Vertrauens-)Netzwerken, oder an der ständischen Logik greifbar, die als Rahmen über die gesamte Epoche hinweg erhalten blieb. Hierdurch lieferten die Beiträge zahlreiche Anknüpfungspunkte, um neu auf die etablierten Konzepte zu den Korrelationen von Krieg und Staatsbildung zu blicken und moderne Kategorien wie Effizienz und Funktionalität auf ihre Tragweite für die Bewertung frühneuzeitlicher Handlungen und Strategien hin zu überprüfen.

Der Eindruck, dass sich die akteurszentrierte, auf den Alltag gerichtete Perspektive als fruchtbarer Forschungsansatz abzeichnete, wurde im ersten Sektionskommentar von Jürgen ELVERT (Köln) nachdrücklich unterstrichen. Im Rückgriff auf Wilsons Referat insistierte er allerdings darauf, deswegen die globalen Verkettungen der historischen Phänomene nicht außer Acht zu lassen. Er hob das ergänzende Potential beider Betrachtungsweisen hervor, die gleichermaßen als Korrektive wie als heuristische Orientierungspunkte fungieren könnten. Bemerkenswert erschien Elvert überdies, wie fließend und zuweilen wenig an den klassischen Epochengrenzen ausgerichtet sich die historische Entwicklung der praktischen Organisation des Krieges vollzog – eine Beobachtung, die neue Fragen zur Periodisierung aufwirft. Ferner sprach er sich angesichts der Tagungsvorträge dafür aus, die ökonomische Janusköpfigkeit des Krieges (Krieg als Kostenfaktor und Bereicherungsmöglichkeit) stärker zu würdigen.

Stefan BRAKENSIEK (Duisburg-Essen) stellte in Anbetracht der Beiträge und Diskussionen des Workshops in seinem Kommentar fest, dass die neuere Forschung zur Verwaltungsgeschichte bisher wohl zu stark von der Prämisse des Friedenszustandes ausgegangen sei. Künftig müsse daher eher der Krieg als Normalfall frühneuzeitlicher Verhältnisse zugrunde gelegt werden, was neue Fragen zu den Strukturen und Praktiken der alteuropäischen Adelsgesellschaft als territorienübergreifender Kriegsgesellschaft evoziere. Als weiteres interessantes Forschungsgebiet innerhalb der Thematik stellte Brakensiek die Formen und den Wandel des Zeit- und Risikomanagements sowie der Zeithorizonte im Krieg heraus. Diese könnten und müssten auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden, zum Beispiel aus Sicht des Militärs, der bäuerlichen Landbevölkerung oder der Händler, Kaufleute und Bankiers. Einzubeziehen seien in diesem Zusammenhang die Vulnerabilität der agrarisch geprägten frühneuzeitlichen Gesellschaft, ihre ständischen Ordnungsmuster und die kriegsbedingten strukturellen Überforderungserscheinungen, aber auch die durch die militärischen Auseinandersetzungen angestoßenen Beschleunigungsprozesse, die sich in radikalen Umleitungen von Ressourcenströmen äußern konnten.

Jutta NOWOSADTKO reflektierte schließlich zum Ende der Tagung nochmals darüber, was die vorgestellten handlungsorientierten Fallstudien und die sich in ihnen spiegelnde Ungleichzeitigkeit von Strategien und Strukturbildung für die etablierte historiographische Chronologie bedeuteten und welche Forschungsoptionen sich daraus ergäben. Auf der einen Seite verwies sie auf die größer werdende Skepsis gegenüber dem herkömmlichen Narrativ, nach dem sich erst Ende des 17. Jahrhunderts „proaktive Formen staatlichen Handelns“, das heißt, zukunftsgerichtetes Ressourcenmanagement herausgebildet hätten, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit der Umwandlung von Untertanenpflichten in monetäre Leistungen einhergegangen und dann in eine umfassende, „moderne“ staatliche Bemächtigung der organisatorischen Strukturen der Kriegführung gemündet wären. Auf der anderen Seite formulierte Nowosadtko als Desiderat, mehr über die auslösenden Faktoren der Handlungen zu erfahren, kurzum die Motive zu ergründen, die die frühneuzeitlichen Akteure zu den strukturbildenden Maßnahmen der Ressourcenschonung, Qualitätssicherung, Gewinnabschöpfung, Planungssicherheit und Konfliktvermeidung inspirierte.

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