Wird über den Verlauf des Zweiten Weltkriegs gesprochen, so wird dabei oft die Geschichte der Frontenbewegungen thematisiert: Der Vernichtungskrieg der Wehrmacht im Osten, die Niederlage bei Stalingrad, die Landung der Alliierten in der Normandie und der Zusammenbruch der Ostfront sind hierbei häufig untersuchte Ereignisse. Doch der Zweite Weltkrieg verlief nicht nur an den Fronten und ebenso wenig waren Strategien und Taktiken der jeweiligen politischen und militärischen Befehlshaber die einzige Grundlage der Kriegsgeschehnisse.
Partisanen, die hinter den Fronten mit gezielten Manipulationen und Angriffen die gegnerische Armee zu schwächen versuchten, waren zwar kein Phänomen allein des Zweiten Weltkriegs. Jedoch ist ihre Rolle in diesem Konflikt nicht zu unterschätzen, auch wenn sie nicht kriegsentscheidend war. Der Slowakische Nationalaufstand 1944 ist ohne die Partisanen nicht zu erklären. Die Bad Wiesseer Jahrestagung des Collegium Carolinum (6.-9. November 2014), die gemeinsam mit dem Münchner Institut für Zeitgeschichte ausgerichtet wurde, widmete sich den Ursprüngen, Entwicklungen und der Rezeption der slowakischen Partisanenbewegung in vergleichender Perspektive. Die Tagung wurde dabei von Martin Zückert, Volker Zimmermann (beide Collegium Carolinum) und Jürgen Zarusky (Institut für Zeitgeschichte) konzipiert.
In ihren Begrüßungsansprachen betonten Martin Schulze Wessel (Collegium Carolinum) und Magnus Brechtken (Institut für Zeitgeschichte) die Relevanz des Themas für die Geschichtsforschung im Allgemeinen sowie für die Forschungen zu Ostmitteleuropa im Besonderen. Anschließend näherte sich Boris Barth (Konstanz) in seinem Einführungsreferat über „Das Phänomen ‚Partisanenkrieg‘“ dem Begriff des Partisanen aus verschiedenen Perspektiven an und stellte Kriterien für einen „Idealtypus“ des Partisanen auf. Diese sollten zwar ausdrücklich nicht alle Facetten des Themas abdecken, aber als inhaltliche Leitlinien für die Diskussion über den Charakter der europäischen Partisanenbewegungen im Zweiten Weltkrieg dienen. Barth griff dabei unter anderem auf den von Carl Schmitt geprägten Begriff des „tellurischen Charakters“ der Partisanen zurück, welcher die Begrenzung von Partisanenaktivitäten auf die Verteidigung des eigenen Territoriums und den durch die Kenntnis der geographischen Umgebung entstehenden Vorteil gegenüber der fremden Armee beschreibt.1 Bereits in der anschließenden Debatte zeichneten sich die Themen ab, die auch die Diskussionen der folgenden Panels bestimmten: Die Frage der Legitimität der Partisanen sowie die militärische und politische Dimension der Bewegungen.
Die weiteren Vorträge des ersten Tages fügten sich zu einer trichterartigen Perspektive zusammen, aus der man sich den slowakischen Partisanen immer weiter annäherte. Martin Zückert (München) beleuchtete in seinem Referat den „Slowakischen Nationalaufstand im Kontext der europäischen Partisanenbewegungen 1939-1945“. Dabei fasste er die Motive für den Aufstand zusammen und argumentierte, dass eine Betrachtungsweise aus einer ausschließlich militärhistorischen Perspektive heraus dem Phänomen der Partisanen aufgrund der vergleichsweise geringen militärischen Erfolge und der Entstehungsgeschichte nicht ausreichend sei. Die Partisanen seien auch keine rein aus der Sowjetunion gesteuerte Bewegung gewesen. Stattdessen zeigte er eine phänomenologisch-politische Perspektive auf, die der symbolischen Wirkung der Widerstandskämpfe gerechter werden sollte. Dieser Vortrag eröffnete eine neue Perspektive, die auch in den folgenden Debatten eine Rolle spielte: Die Auseinandersetzung mit dem „transitorischen Element“ der Partisanenbewegung, mit den Partisanen als Übergangsphänomen.
Marek Syrný und Juraj Lepiš (Banská Bystrica) widmeten sich der Rolle der slowakischen Kommunisten in der Partisanenbewegung. Anhand der Entwicklung der slowakischen Partisanen seit 1941 und der gescheiterten Versuche der Sowjetunion die Gruppen in eine umfassende Hierarchie- und Organisationsstruktur einzubinden, widerlegten sie die nach 1948 von der Sowjetunion propagierte Darstellung, dass die Partisanen eine kommunistisch motivierte Widerstandsbewegung gewesen seien. Zwar habe es unter den Partisanen Kommunisten gegeben, die jedoch nur eine Minderheit dargestellt hätten. Die Bewegung sei daher eher von Radikalismus als Kommunismus bestimmt gewesen. Die an das Referat anschließende Debatte war entsprechend von Fragen nach Gründen und Verlauf der Radikalisierung der Partisanen dominiert.
Das nächste Panel beschäftigte sich mit konkreten Fallbeispielen slowakischer Partisanengruppen. Die Arbeit Marian Uhrins (Banská Bystrica) demonstrierte am Beispiel der Gruppe um M. R. Štefánik die harten Bedingungen im Partisanenlager sowie die Konflikte unter den Kämpfern und warf zum ersten Mal die Frage auf, die auch in den kommenden Vorträgen diskutiert wurde: Waren die Aktivitäten der Partisanen politisch motiviert oder ging es ihnen nicht vielmehr um das bloße Überleben? Beide Aspekte müssten in der Partisanenforschung unbedingt berücksichtigt werden.
Martin Vitko (Brünn) erweiterte die Debatte um eine weitere Dimension: Anhand der Partisanenbrigade „Žiar“ zeigte er auf, dass nicht alle Partisanengruppen, die nach Kriegsende als solche deklariert wurden, auch tatsächlich existiert haben. Die Mitglieder der angeblichen Gruppe „Žiar“ hatten der Armee den Dienst verweigert und waren in die Wälder geflohen , wo sie aufgrund der Hilfe von Bewohnern der Region überlebten. Um später der Verfolgung zu entgehen, deklarierten sie sich im Nachhinein als Partisanen. De facto hatte diese Brigade also gar nicht existiert. Auch dieser Fall verdeutlichte, dass das Bild eines ideologisch oder politisch motivierten Partisanen häufig nicht viel mehr als ein Mythos war, der von den kommunistischen Machthabern der Nachkriegszeit aufgegriffen wurde. Die nachfolgende Debatte beschäftigte sich entsprechend mit der Rolle der kommunistischen Partei und den Beweggründen der Menschen, ihr beizutreten.
Der zweite Konferenztag stand im Zeichen der vergleichenden Perspektive: Das erste Panel widmete sich kommunistischen Partisanen im östlichen Europa. Olga Baranova (Florenz) widerlegte in ihrem Vortrag das gängige Bild Weißrusslands als einer kommunistischen Partisanenrepublik. Tatsächlich seien die deutschen Okkupanten zunächst als Befreier von der Sowjetunion gefeiert worden. Widerstand sei erst aufgekommen, als die Bevölkerung nach der „Kriegswende“ zunehmend desillusioniert war. Eine starke Motivation für die Unterstützung der Partisanen durch die Bevölkerung sei auch Kalkül gewesen, da man am Kriegsende aus Angst vor künftigen Repressionen nicht auf der Seite der Verlierer stehen wollte.
Ähnliche Motive konnte auch David Svoboda (Prag) für die Ukraine feststellen: So gewann die dortige Partisanenbewegung erst an Stärke, als mit der nahenden Schlacht bei Stalingrad eine klare Linie der Kommunisten sichtbar wurde und sich ein Gewinner abzeichnete, auf dessen Seite man sich stellen konnte. Auch die zunehmende Aggressivität der deutschen Besatzer habe den Zulauf zu den Partisanen gefördert. In der sich an die Debatten des Vortrags anschließenden Diskussion wurde schließlich erstmals die Frage nach der Rolle der Frauen aufgeworfen, die einen – noch weitgehend unerforschten – Teil der Partisanenbewegung bildet. Zudem wurde die Bedeutung des Jahres 1943 als Kriegswende für die Partisanenbewegungen hervorgehoben.
Die nächste Sektion beschäftige sich mit den „Antikommunistischen Partisanen im östlichen und südöstlichen Europa“. Ekaterina Makhotina (München) konnte auch für ihr Beispiel Litauen ein aus den vorangegangenen Referaten bekanntes Muster, nämlich die Divergenz zwischen den tatsächlichen Ereignissen und den Motiven der Partisanenbewegung einerseits und deren Stilisierung zum ideologischen Kampf durch die kommunistischen Machthaber nach dem Krieg andererseits, bestätigen. Auch in Litauen sei die Aufstandsbewegung zunächst gegen die stalinistische Gewalt gerichtet gewesen, während die Deutschen als Befreier gefeiert wurden. Die Referentin zeigte, dass die Partisanen zunächst relativ erfolgreich waren. Der Rückhalt, den sie in der Bevölkerung genossen, schwand jedoch aufgrund zunehmender Gewalt und Radikalisierung. Die Motivation der Partisanen – die Sicherung des eigenen Überlebens und der Kampf gegen Stalins Herrschaft – und die gewaltsamen Eskalationen standen im starken Kontrast zu ihrer ideologischen Stilisierung und Rezeption durch die Nachkriegsmachthaber, wobei sich deren Rhetorik nicht gänzlich durchgesetzt habe: Der Versuch, das in den Jahren nach 1948 verlorene Vertrauen zurückzugewinnen, sei gescheitert, sodass das heutige Bild der Partisanen zwischen Denkmalerrichtung und Delegitimation zerrissen sei.
In seinem Vortrag zeichnete Vaios Kalogrias (Nikosia) „Die antikommunistische Partisanenbewegung der „Nationalen Republikanischen Griechischen Liga“ (EDES2) nach. Am Beispiel der Gruppe um Napoleon Zervas wurde deutlich, welch große Rolle persönliche Verbindungen für die Entstehung von Partisanengruppen spielen konnten. Ebenso wurde hier der Einfluss der Alliierten auf die Abkehr der EDES von ihrem antiroyalistischen Kurs sichtbar und es zeigten sich die Auswirkungen der Konflikte zwischen einzelnen Gruppen, die sich zu einem Bürgerkrieg entwickelten. Die folgende Debatte befasste sich mit der Frage, ob die Partisanenbewegungen in Europa als Vorstufe des Kalten Krieges gesehen werden können, da sie bereits von der Auseinandersetzung zwischen Kommunisten und Antikommunisten geprägt waren. Ebenso wurden die persönlichen und machtpolitischen Motive der beteiligten Parteien in Griechenland hinterfragt.
Das folgende Panel widmete sich dem „Weg in den Partisanenkrieg“ und den persönlichen Motiven der Partisanen. Am Beispiel eines Kriegstagebuchs zeichnete Sven Deppisch (München) die Beweggründe eines sowjetischen Partisanen nach, sich den Partisanen anzuschließen. Die Absicht, das eigene, von der deutschen Wehrmacht überrannte Land zu verteidigen, sei schon bald und bedingt durch die katastrophale Versorgung mit dem Nötigsten dem reinen Überlebensinstinkt gewichen. Überfälle auf die eigene Bevölkerung sowie Spannungen unter den Partisanen hätten zu einer emotionalen Abstumpfung der Kämpfer geführt. Ein großer Teil der anschließenden Debatte kreiste um die Frage der Authentizität des vorgestellten Tagebuchs. Anlass zum Zweifel bietet der Umstand, dass das Buch noch während der NS-Diktatur ins Deutsche übersetzt und an die Polizei verteilt worden war. Aufgrund der Tatsache, dass die menschliche Perspektive jedoch den Versuchen der Nationalsozialisten, den Feind zu „entmenschlichen“, entgegenstünde, hielten einige Diskussionsteilnehmer eine Fälschung durch die Nationalsozialisten für unwahrscheinlich. Auch eine Fälschung durch die Sowjetunion scheine wegen fehlender ideologischer Berufung auf die sowjetische Führung äußerst zweifelhaft.
Einen ganz anderen Teil der europäischen Aufstandsbewegungen beleuchtete Franziska Bruder (Berlin) in ihrem Referat mit dem Titel „Die jüdischen Aufständischen des NS-Vernichtungslagers Sobibór und der Partisanenkampf“. Ihre Fallstudie zeigte die ideologischen Spannungen innerhalb der Partisanengruppen auf: Nachdem infolge des Aufstands in Sobibór etwa die Hälfte der Häftlinge fliehen konnte, verweigerten einige Gruppen den jüdischen Flüchtlingen aus antisemitischen Gründen die Aufnahme, obwohl Juden wie Partisanen den Kampf gegen die Deutschen zum Ziel hatten. Während es also für die Juden ums Überleben gegangen sei, hätten für viele Partisanengruppen ideologische Motive überwogen.
Die Rezeption der Partisanenbewegung nach 1945 stand im Mittelpunkt des nächsten Panels. Ulrike Lunow (München) richtete den Blick über Ostmitteleuropa hinaus und kontrastierte den Umgang mit Widerstandskämpfern in der Tschechoslowakei mit dem in Frankreich. In beiden Ländern habe die reale Versorgung der Widerstandskämpfer im krassen Gegensatz zur ihrer geschichtspolitischen Würdigung gestanden. Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Staatssysteme (Demokratie/Sozialismus) allein könne für den Prestigeverlust der Partisanen also nicht als ausreichende Erklärung herangezogen werden. Vielmehr müssten auch Faktoren wie Traditionen aus dem Ersten Weltkrieg, machtpolitische Kalkulationen und die Einstellung der Bevölkerung betrachtet werden.
Den Abschluss des zweiten Tages bildete Marína Zavackás (Bratislava) Vortrag „Freshly Painted. Image(s) of the Slovak National Uprising in the First Post-war Decade“. Am Beispiel zahlreicher Bücher für Kinder und Erwachsene aus der Nachkriegszeit verdeutlichte sie, wie sehr die Rezeption der Aufstandsbewegung vom politischen Willen der kommunistischen Machthaber beeinflusst war. In der Diskussion des Panels ging es einerseits um den Zusammenhang zwischen dem Wandel im Bild der Partisanen und der Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, insbesondere in Bezug auf das französische Vichy-Regime, andererseits um einzelne Motive in der slowakischen Partisanenerzählung und ihre Veränderung nach 1945/48.
Das letzte Panel der Tagung beschäftigte sich mit der „Erinnerung an den slowakischen Nationalaufstand vor und nach 1989“. Matteo Colombi (Leipzig) referierte über Leben und Werk des slowakischen Filmregisseurs František Čáp/Čap, der nach der negativen Rezeption seines zwar relativ ideologiekonformen, jedoch von der Arbeiterjury als „zu pessimistisch“ kritisierten Filmes „Bílá tma“ (Weiße Dunkelheit) die Tschechoslowakei 1952 verließ, um in Slowenien Filme zu drehen. Hier feierte er große Publikumserfolge, eckte aber mit seinem Werk über die slowenische Aufstandsbewegung erneut an. An diesem Beispiel zeigt sich die Komplexität der Partisanenrezeption, die nicht nur in der Politik, sondern auch in kultureller Hinsicht immer wieder Konfliktgegenstand war.
Ausgehend von den jährlichen Erinnerungszeremonien an den slowakischen Nationalaufstand vollzog Monika Vrzgulová (Bratislava) den geschichtspolitischen Umgang mit den Partisanen nach 1989 nach. Man konnte sehr gut erkennen, wie der Gedenktag immer wieder für die eigenen politischen Absichten der jeweiligen Regierung instrumentalisiert und von verschiedenen Interpretationsansätzen – Loslösung von der kommunistischen Sichtweise, europäischer Kontext des Aufstands, zivilgesellschaftliche Bedeutung – geprägt wurde.
In seinem Schlusskommentar forderte schließlich Jürgen Zarusky eine über die Tagung hinausgehende stärkere Beachtung des slowakischen Nationalaufstands in der Geschichtsforschung und Erinnerung. Daneben betonte er die Rolle der Partisanenforschung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg. Für die weitere Forschung wünschte er sich eine tiefergehende Beschäftigung mit dem sozialen Umfeld der Widerstandskämpfer. Er hob das hohe theoretische Niveau der Tagung und die Integration verschiedener Aspekte des Phänomens hervor. In der Abschlussdiskussion wurde vor allem noch einmal deutlich, wie komplex eine historische, politische und militärische Einordnung der Partisanen ist. So wurden die eingangs von Boris Barth aufgestellten Kriterien eines idealtypischen Partisanen im Lichte der präsentierten Vorträge erneut debattiert, wobei besonders das „transitorische Element“ und der von Carl Schmitt geprägte Begriff des „telurischen Charakters“ der Partisanen Anlass zur Diskussion und weiterführenden Gedanken gaben. Debattiert wurden auch die Dimensionen der juristischen, moralischen und persönlichen Legitimität der Partisanen. Viele Teilnehmer regten zu einer weiteren, breiter gefächerten Auseinandersetzung mit den Partisanen im Zweiten Weltkrieg an: Auch der Einfluss der Erwartungen und der Propaganda Dritter auf die Partisanengruppen müsse beachtet werden. Ebenso sei eine juristische Einordnung ein interessanter und weiter zu analysierender Aspekt. Nicht zuletzt könne die Frage, was mit den Gruppen selbst geschehen sei, Gegenstand weiterer Forschung sein. Insgesamt zeigten sich die Teilnehmer sehr zufrieden mit einer spannenden, thematisch sehr spezifischen und gerade deshalb äußerst lehrreichen Tagung, die viel Inspiration für weitere Forschungsvorhaben bot.