Pünktlich zum Gedenkjahr 2014 hat auch das Bayerische Armeemuseum seinen Beitrag zur inzwischen kaum noch überschaubaren Fülle von Publikationen geleistet, die einhundert Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges auf den Buchmarkt kamen.
Der von Dieter Storz vorgelegte Band bildet zwar den 12. Band der Reihe „Kataloge des Bayerischen Armeemuseums Ingolstadt“. Doch obschon darin, wie in Katalogen üblich, Sammlungsstücke mit Inventarnummern verzeichnet sind, handelt es sich nicht um einen Ausstellungskatalog im üblichen Sinne. Stattdessen wurden aus den über 1.500 Exponaten der 1994 in den Kasematten der Reduit Tilly eröffneten Dauerausstellung zum Ersten Weltkrieg lediglich einhundert mehr oder weniger repräsentative Objekte ausgewählt und in einhundert kurzen, kenntnisreich geschriebenen und reich illustrierten Kapiteln erläutert. Der vorliegende Band trägt somit eher den Charakter einer kleinen Enzyklopädie.
Die ausgewählten Exponate spannen einen weiten Bogen vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 (Wilhelm I. reitet über das Schlachtfeld von Sedan) bis zum Versailler Vertrag 1919 (Extrablatt des Fränkischen Kurier) und dem Gedenken an die Opfer des Krieges (Erinnerungstafel für Ludwig Hackner (1894-1917)). Im Mittelpunkt stehen freilich die Jahre 1914 bis 1918 selbst. Waffen und Gerät sowie Uniform- und Ausrüstungsteile werden vorgestellt. Die schriftlichen Erläuterungen werden durch aussagekräftige Illustrationen aus den reichen Bildbeständen des Museums wirksam unterstützt. Der Leser gewinnt so einen lebendigen Eindruck von der praktischen Bedeutung, zuweilen aber auch der symbolischen Aufladung der einzelnen Artefakte.
Nicht selten werden die Exponate mit persönlichen Schicksalen verknüpft, etwa anhand der Erkennungsmarke des Malers Franz Marc (1880-1916). Andere Kapitel, beispielsweise zum Thema Verbandpäckchen oder zur 1915 eingeführten französischen Uniformfarbe „Bleu horizon“, halten höchst interessante – hier medizin- bzw. kulturgeschichtliche – Hintergrundinformationen bereit, welche die Lektüre des Bandes nie langweilig werden lassen. Die jedem Kapitel zugeordneten Literaturhinweise bieten Ansatzpunkte für die ergänzende Lektüre. Abgerundet wird der Band schließlich durch ein umfangreiches Glossar nebst Übersichten zur deutschen Dienstgrad- und Heeresstruktur (442-454).
Inhaltlich liegt der Focus des Bandes naturgemäß auf der bayerischen Armee, die hier nicht selten als pars pro toto für die deutschen Streitkräfte steht. Entsprechend dem Sammlungsprofil des Museum werden Exponate zur Entente nur punktuell herangezogen. Das gleiche trifft auch für die Entwicklungen an der sogenannten Heimatfront zu. Das ist nachvollziehbar.
Etwas verwunderlich ist jedoch die äußerst knapp gehaltene Behandlung von Kriegsende und unmittelbarer Nachkriegszeit. Über die Revolution und die Münchener Räterepublik erfährt der Leser so nur wenig, während der Verbleib der bayerischen Armee nach 1918 weitestgehend im Dunkeln bleibt. Hier hätte man dann doch gern etwas über die Rolle der Freikorps, die Probleme der Demobilisierung und die Überführung der bayerischen Truppenteile in die Reichswehr erfahren.
Diese Leerstellen können den Wert des Buches jedoch kaum schmälern. Anregend geschrieben und aufwändig gestaltet, lädt der Band immer wieder zum Blättern und nicht zuletzt dazu ein, das Bayerische Armeemuseum in Ingolstadt auch einmal selbst zu besuchen, um die 1.400 hier nicht behandelten Exponate in Augenschein zu nehmen.
Dieter Storz: Der Große Krieg. 100 Objekte aus dem Bayerischen Armeemuseum (= Kataloge des Bayerischen Armeemuseums Ingolstadt; Bd. 12), Essen: Klartext 2014, 459 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-8375-1174-1, EUR 22,95.