Christian Westerhoff
Miszelle
Veröffentlicht am: 
03. März 2014
Schwerpunktherausgeber: 
DOI: 
10.15500/akm.03.03.2014

Der Erste Weltkrieg war nicht nur der erste industrialisierte Krieg, sondern auch der erste weltumspannende Konflikt, der umfassend fotografisch dokumentiert wurde. Bereits während des Krieges begannen verschiedene Institutionen, Fotos aus dem Weltkrieg zu sammeln. Auch die Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek (BfZ)1 sammelt seit ihrer Gründung als „Weltkriegsbücherei“ im Jahr 1915 Fotografien und andere Bilddokumente. Sie besitzt heute eine umfangreiche Fotosammlung zu beiden Weltkriegen sowie zur Marine und bildet insbesondere wegen der internationalen Provenienz ihrer Bildbestände eine wichtige Anlaufstelle für Forscher und Publizisten.

Geschichte und Bestände der Fotosammlungen

Die Weltkriegsbücherei bemühte sich bereits während des Krieges darum, eine Fotosammlung aufzubauen. Durch die intensive Sammeltätigkeit war die Sammlung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs auf ca. 20 000 Fotos und 10 000 Negative angewachsen.

Im September 1944 wurde das Gebäude der Weltkriegsbücherei in Stuttgart bei einem Luftangriff von zahlreichen Brandbomben getroffen und großflächig zerstört. Da Teile der Sammlungen zuvor ausgelagert worden waren, überstanden die Bildbestände zum Ersten Weltkrieg die Brandkatastrophe weitgehend unbeschädigt.

Nach dem Krieg gelang es der 1948 in „Bibliothek für Zeitgeschichte“ (BfZ) umbenannten ehemaligen Weltkriegsbücherei, die erhaltenen Fotobestände um wertvolle Neuerwerbungen zu ergänzen. Kontinuierlich übernimmt die Bibliothek z.B. als Teil von Nachlässen immer wieder neue Fotoalben. Allein seit dem Jahr 2000 sind über 7000 Fotos aus Privatbesitz hinzugekommen.

An bedeutenden Neuerwerbungen ist zunächst einmal das Marine-Archiv2 zu nennen. Mit mehr als 500 000 Fotos von Kriegs- und Handelsschiffen aus der Zeit von 1850 bis 1989 besitzt die BfZ heute die größte Marine-Fotosammlung der Welt. In den 1960er Jahren erwarb die BfZ zudem Sammlungen zur Entwicklung deutscher Flugzeugtypen sowie zur Luftschifffahrt im Ersten Weltkrieg.

1964 ging ein ganz besonderer Fotobestand in den Besitz der BfZ über: das sogenannte Zarenarchiv (Abb. 2). Es besteht aus über 10 000 Fotos in 70 Alben sowie zahlreichen Einzelbildern. Das Archiv enthält insbesondere Bilder aus der Regierungszeit des letzten russischen Zaren. Neben einer größeren Zahl von Bildern aus dem engsten Umfeld der Familie von Nikolaus II. finden sich in großem Umfang Darstellungen des Offizierslebens in der zaristischen Armee. Der einzigartige Bestand an Bildquellen dokumentiert sowohl militärisches Leben der Vorkriegszeit als auch die Zeit des Weltkriegs.

Die Fotosammlungen der BfZ gliedern sich heute in vier Teilbereiche:

a) Thematisch abgelegte Einzelfotos

b) Fotoalben

c) Spezialbestände: Marinearchiv, Zarenarchiv

d) Foto-Postkarten-Sammlung

Motive und Themen der Fotos

An der Motiv- und Themenwahl der Fotos in den Sammlungen der BfZ lassen sich viele Trends der Fotografie des Ersten Weltkrieges ablesen. So ist bei den Motiven der Postkarten und Agenturfotos im Lauf des Krieges eine Tendenz zu realistischeren Darstellungen festzustellen. Anfänglich weit verbreitete Kitschpostkarten wurden vermehrt durch Fotos von Schlachtfeldern, Gegenständen und Kriegsalltag ersetzt.

Die grausame Realität bildeten diese Aufnahmen jedoch in der Regel weiterhin nicht ab, da sich das Kampfgeschehen mit den technischen Mitteln der Zeit kaum fotografieren ließ. Außerdem unterlagen Bilder von toten und schwerverwundeten deutschen Soldaten der Zensur. So wurde der Tod häufig nur in Form von Gräbern und Friedhöfen angedeutet. Solche Darstellungen sollten überdies suggerieren, dass die Gefallenen ein würdiges Begräbnis erhielten. Waren dennoch Leichen zu sehen, handelte es sich in der Regel um die Toten der Gegenseite. Ebenso verfuhren die Pressebilddienste beispielsweise der Italiener. Auch auf diesen offiziellen Bildern wurden die Kämpfe an der Piave durch die Bilder von toten Österreichern illustriert.

Um die Moral der Bevölkerung aufrecht zu erhalten und die Angehörigen nicht zu sehr zu verstören, wählte man Motive, die den Eindruck vermitteln sollten, dass der Krieg insgesamt erfolgreich verlaufe, an der Front alles gut organisiert und die Versorgung der Soldaten gesichert sei.

Typische Darstellungen zeigen das angeblich vorbildliche Sanitätswesen, aufgeräumte Soldatenunterkünfte und gemütliches Treiben in den „bombensicheren“ Unterständen. Solche Szenen wurden auch gern von privaten „Knipsern“ gewählt und auf Gruppenfotos aus dem Kameradenkreis festgehalten. (Abb. 3)

Technische Erfindungen und neue Waffen waren ebenfalls populäre Motive der Kriegsfotografie. So besitzt die BfZ umfangreiche Bestände zur Luftschifffahrt und zur Entwicklung deutscher Flugzeuge während des Ersten Weltkrieges.

Aufnahmen eroberter Orte, Kriegsgefangener sowie erbeuteten oder zerstörten feindlichen Kriegsgeräts sollten militärische Erfolge demonstrieren. Porträts bekannter Persönlichkeiten wie der Monarchen, Heerführer oder Kriegshelden waren sehr beliebt und sollten ebenfalls Siegeswillen ausstrahlen.

Den geografischen Schwerpunkt der Fotosammlungen der BfZ bilden Darstellungen von der Westfront. Hier finden sich auch besonders viele Pressebilder ausländischer Pressedienste. Insbesondere das Jahr 1918 ist stark vertreten. Die Sammlungen enthalten jedoch auch viele Fotos von der Ost- und Balkanfront, den vielfach „vergessenen Fronten“ des Ersten Weltkrieges.

Auf den Fotografien von diesen Fronten herrscht der touristische Blick vor: Bilder der einheimischen Bevölkerung, am liebsten in ihrer landestypischen Tracht vor ihrem Haus bzw. ihrer Hütte, illustrieren die exotische Seite des Kriegserlebnisses (Abb. 4). Der Blick auf das Fremde zeigt sich auch bei den zahlreichen Abbildungen außereuropäischer Kriegsgefangener (Abb. 5).

Die Postkarten vermitteln in der Regel den Eindruck, die deutschen Soldaten hätten einen heiteren und freundlichen Umgang mit der einheimischen Bevölkerung besetzter Gebiete gepflegt. Außerdem sollte durch die Darstellung von Straßen- und Brückenbauarbeiten sowie der Feldarbeit die vermeintliche deutsche Aufbauleistung demonstriert werden. Durch solche Aufnahmen wollte man unter anderem dem Barbaren-Vorwurf begegnen, den die alliierte Presse nach den Kriegsgräueln im Jahr 1914 gegen die Deutschen erhob.

Seltener hingegen sind Darstellungen der sogenannten Heimatfront. Es finden sich jedoch in den Sammlungen der BfZ durchaus auch Wiedergaben des Kriegsalltags abseits der Front. Neben Landschaftsaufnahmen ist der vermehrte Einsatz von Frauen in der Kriegswirtschaft, die Versorgungskrise und die Landwirtschaft während des Krieges zu sehen. Ausmarschierende Truppen waren ebenso ein beliebtes Thema wie der Besuch hochrangiger Persönlichkeiten.

Zugänglichkeit für die Forschung

Die Fotosammlungen der BfZ können nach Voranmeldung (Irina Renz, 0711-212-4493, renz@wlb-stuttgart.de) im Lesesaal der Sondersammlungen eingesehen werden. Für die Recherche stehen vor Ort verschiedene Hilfsmittel bereit. Digitalisate können in der Digitalisierungswerkstatt der WLB bestellt werden.

Online-Findmittel, mit deren Hilfe die Nutzer ihren Besuch in der BfZ vorbereiten könnten, sowie online zugängliche Digitalisate aus den Fotosammlungen bietet die BfZ bisher noch nicht an. Dies soll sich in Zukunft ändern, damit die Fotosammlungen der BfZ auch im digitalen Zeitalter präsent und der Forschung sowie interessierten Benutzergruppen zugänglich sind. Geplant ist der Aufbau einer online zugänglichen Bilddatenbank.

Abb. 2: Zar Nikolaus II besucht gemeinsam mit dem Zarewitsch die Front. Quelle. BfZ/WLB, RA R46
Abb. 3: Offiziersunterstand in den Vogesen. Quelle: BfZ/WLB, WK1, Nr.92
Abb. 4: „Fotoshooting“ in Makedonien. Quelle: BfZ/WLB, IAH 75-3
Abb. 5: Kriegsgefangene der Somme-Front. Quelle: BfZ/WLB, WK1,Nr.107
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