Jahrestagung 2017 des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V., Münster, 19. bis 21. Oktober 2017.
Organisatoren: Prof. Dr. Martin Clauss (Technische Universität Chemnitz), Prof. Dr. Martin Kintzinger (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Dr. Christoph Nübel (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam), Dr. habil. Markus Pöhlmann (Universität Potsdam)
Militärisches Handeln ist, so suggerieren Quellen und Historiographie, vor allem Entscheidungshandeln. In der Forschung ist häufig von "militärischen Entscheidungsträgern" die Rede, die in historische Prozesse eingreifen und damit sprichwörtlich Geschichte machen. Auf diese Weise werden Entscheidungen zu Schlüsselereignissen in der Kriegführung, die über Sieg und Niederlage bestimmen. Solchen Beschreibungen liegt ein Modell rationaler Akteure und Verfahren zugrunde, die auf Basis der verfügbaren Informationen kühl wägend ihre Entschlüsse fassen. Niklas Luhmann hingegen regt an, Konstitution, Gegenstände und Zeitlichkeit des Entscheidungshandelns zu beleuchten. Andere Autoren betonen im Kontext der Spieltheorie oder des Gruppendenkens die Variabilität von Entscheidungen im Zusammenwirken mehrerer Akteure. Der Sonderforschungsbereich 1150 "Kulturen des Entscheidens" in Münster, der Gastgeber der Jahrestagung ist, versteht Entscheiden beispielsweise als kommunikativen Prozess, der in seinen spezifischen historischen Konstitutionsbedingungen untersucht werden muss. Weiterhin weist die neuere Organisationssoziologie auf Faktoren wie Mitgliedschaft, Zweck und Verfahren hin, welche Entscheiden als soziale Praxis beeinflussen.
Die Konferenz will solche Entscheidungstheorien auf das Feld der Militärgeschichte wenden und fragt danach, ob es spezifisch militärische Entscheidungskulturen gibt. Mit dieser Problemstellung zielt sie auf eine epochenübergreifende Historisierung militärischen Entscheidens und damit auf eine Dekonstruktion eines häufig unkritisch übernommenen historiographischen Konzepts. Damit stehen die Strukturen des Entscheidens im Mittelpunkt der Analyse, nicht die einzelne Entscheidung. Themenvorschläge zu allen historischen Epochen, europäischen und außereuropäischen Räumen sollen sich konkret auf einen oder mehrere der folgenden Aspekte beziehen:
1) Voraussetzungen des Entscheidens: Welche Rolle spielen militärisches Wissen und Ausbildung bei Entscheidungen und welche Folgen hat dies für die Verwissenschaftlichung militärischer Institutionen bzw. militärischen Handelns? Welche Formen der Wissensvermittlung werden in diesem Kontext angewandt (schriftliche, mündliche, praktische Unterrichtung)? Welche Felder werden als Gegenstand militärischen Entscheidens betrachtet?
2) Rahmen des Entscheidens: Lassen sich spezifisch antike, mittelalterliche und (früh-) neuzeitliche Modi militärischen Entscheidens ausfindig machen? Welche Folgen hat die Institutionalisierung militärischer Führung (z.B. Stäbe) auf das Entscheiden? Welche Rolle haben demgegenüber Individuen oder informelle Prozesse?
3) Prozesse des Entscheidens: Welchen Regeln und welchen Institutionalisierungsformen folgen die Entscheidungsprozesse, wie reagieren sie auf Konflikte? Welchen Einfluss hat dabei die Verregelung militärischen Handelns (Vorschriften, Kriegsvölkerrecht)? Wie wird Entscheiden im Frieden für den Krieg eingeübt und welche Systeme interferieren mit dem Militärischen?
4) Repräsentationen des Entscheidens: Mit welchen Riten, Symbolen und Narrativen ist das Finden von Entscheidungen verbunden? Wie wird die Rationalität des Entscheidens dargestellt? Mit welchen räumlichen Darstellungen und Ordnungen sind Entscheidungen verbunden und kommunizierbar (beispielsweise Karten, Architektur, Besprechungsraum)?
5) Welche Bedeutung haben die Referenzrahmen "Krieg" und "Frieden" für das Entscheiden? Unterliegt militärisches Entscheiden in der Ausnahmesituation des Krieges einer anderen Logik als im Frieden? Oder bestimmt die Logik des Entscheidens im Krieg bereits das militärische Entscheiden im Frieden?
6) Gewalt und Entscheiden: Die Tagung thematisiert insbesondere das zentrale Spezifikum militärischer Entscheidungsprozesse: Sie zielen auf die Herstellung von Möglichkeiten institutionalisierten Gewalthandelns. Welche Beziehung besteht zwischen dem prinzipiellen Gewaltgehalt militärischen Handelns und Entscheidungen? Bedürfen Entscheidungen in diesem Kontext einer erhöhten Legitimation und Begründung? Oder werden die Zumutungen der Gewalt im Zuge von formalisierten Entscheidungsprozessen eingehegt?
Für die Vorträge ist eine Länge von 20 Minuten vorgesehen. Bitte schicken Sie Ihr Exposé (max. 2500 Zeichen) zusammen mit einem kurzen cv bis spätestens zum 19. März an das Sekretariat der Professur Europa im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Chemnitz: Gabriele Wagner. Beiträge von Nachwuchswissenschaftlern sind ausdrücklich willkommen. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Reisekosten (bis zur Höhe des Vollpreises Deutsche Bahn, 2. Klasse) und Unterkunft der Referentinnen und Referenten werden vom Veranstalter übernommen.
Kontakt: Einreichungen an: gabriele.wagner@phil.tu-chemnitz.de
Inhaltliche Nachfragen an: christoph1nuebel@bundeswehr.org