Das "In Flanders Fields Museum", das seinen Namen dem englischsprachigen Gedicht aus dem Jahre 1915 von John McCrae zu verdanken hat, eröffnete im Juni 2012 neu. Im Mittelpunkt der multimedial gestalteten neuen Dauerausstellung stehen die Erfahrungen und persönlichen Geschichten der Zeitgenossen des Ersten Weltkrieges.
Bereits im Jahr 1998 wurde das "In Flanders Fields Museum" (IFFM)1 als Neukonzeption eines Vorgängermuseums gegründet und ist seitdem in der gotischen Tuchhalle der einstigen flämischen Stoffmetropole Ypern untergebracht. Laut eigenen Angaben distanziert sich das Museum, das im Jahr 2000 den Europäischen Museumspreis erhielt, von der Faszination des Militärischen. Es sieht sich als Schnittstelle zwischen Kriegs- und Nachfolgegenerationen. Am 11. Juni 2012 eröffnete das Museum nach einer Umbauphase neu. Schon lange – so eine Aussage des Museums selbst – war das IFFM chronisch zu klein. Daher erschien vor allem in Hinblick auf den zu erwartenden Besucheransturm ab 2014 ein Umbau notwendig. Zudem war das Museum vor die Herausforderung gestellt, dass die heutigen Besucher keine Möglichkeiten mehr haben, Menschen kennenzulernen, die den Ersten Weltkrieg selbst miterlebt haben. Das IFFM sah sich also in der Pflicht eine Ausstellung zu konzipieren, die zugeschnitten ist auf eine Generation, die zum Ersten Weltkrieg kaum noch eine persönliche Verbindung herstellen kann. Aufgrund dieser generationellen Veränderung muss in der neuen Ausstellung der Verbindung vom heutigen Besucher zu den Zeitgenossen, von Gegenwart zur Vergangenheit, eine große Bedeutung zukommen. Wie schon die Vorgängerausstellung legt auch das neueröffnete IFFM aus diesem Grund den Schwerpunkt auf die persönlichen Erfahrungen von Kriegsteilnehmern und Daheimgebliebenen sowie ihren Zeugnissen. Um eine Begegnung mit der Geschichte des Ersten Weltkrieges zu ermöglichen, gilt außerdem der (Kriegs-)Landschaft besondere Aufmerksamkeit. In der Ausstellung ist zudem die Repräsentation verschiedener Blickwinkel auf den Ersten Weltkriegs bedeutend: Gerade die Weltkriegsteilnahme von Menschen aus fünf Kontinenten und mehr als 50 Nationen stellt hier eine Herausforderung dar. Dabei wird der Blick auch auf den Umgang mit der Vergangenheit in den unterschiedlichen Ländern gerichtet.
Der Zugang zum Thema wird dem Zuschauer erleichtert, indem er eine persönliche Route durch das Museum wählen kann. Dazu muss er zu Beginn seines Rundgangs einige persönliche Daten eingeben, die auf einem Chip gespeichert werden. Dieser Chip ist in ein Armband eingearbeitet, das thematisch passend mit einer Mohnblume verziert ist. An vier Punkten in der Ausstellung gibt es sogenannte "Meeting Kiosk". In diesen wird der Besucher individuell mit Geschichten konfrontiert, die sich nach den persönlichen Daten richten. Jeder Besucher "trifft" dabei einen Menschen aus seiner Region, einen aus einer entfernteren Gegend und je eine Personen unterschiedlichen Geschlechts und Alters. Diese "Treffen" beziehen sich auf verschiedene Zeitpunkte (1914, 1915-1916, 1917-1918 und die Nachkriegszeit).
Eine weitere Form der Multimedialität im Museum ist die filmische Darstellung bekannter Charaktere durch Schauspieler. Die Schauspieler tragen keine Kostüme, sondern originale Kleidungsstücke derer, die sie darstellen sollen, und treffen überlieferte Aussagen der Personen. Vor den Bildschirmen, auf denen die Aufnahmen zu sehen sind, befindet sich immer ein authentisches Objekt der jeweiligen Person. Ähnlich wie diese Objekte dienen auch die "Personal Boxes" – kleine Vitrinen – dazu, elf Charaktere durch persönliche Gegenstände näher vorzustellen. In dieser Umgangsart mit den Exponaten zeigt sich ein deutlicher Unterschied zur Vorgängerausstellung. Im Gegensatz zur neuen Ausstellung verfügte diese über eine große Fülle an Objekten, die für den Besucher zum Teil nur schwer zu bewältigen waren. Ebenso stellte die Unterschiedlichkeit der einzelnen Vermittlungsmedien eine Schwierigkeit bei der Verarbeitung dar.2 Die im Juni 2012 neu eröffnete Ausstellung nutzt Ausstellungsobjekte weniger um ihrer selbst willen, sondern eher dazu, die Geschichten der Personen zu erzählen, die hinter den Objekten stehen.
Außerdem gibt es in der ganzen Ausstellung viele literarische Zeugnisse, die von der Beschäftigung mit den Ereignissen des Ersten Weltkriegs zeugen. Verweise auf Friedhöfe, Gedächtnisstätten und Monumente in der Umgebung schaffen eine Verbindung von heute und damals. Dies geschieht mit Mitteln der modernsten Technik: So wurden beispielsweise 21.000 Umgebungsfotos der Region Ypern zusammengetragen. Mittels dieser Fotos kann die heutige Landschaft mit ihrer Gestalt zur Zeit des Weltkrieges verglichen werden. Der Besucher kann auf speziellen Monitoren verschiedene Bilder übereinander legen, die Transparenz der Bilder verändern und so Ausschnitte ganz genau vergleichen sowie die zum Teil erschreckenden Veränderung betrachten. Die zerstörerische Dimension des Krieges, aber auch die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit wird dabei deutlich.
Besonders erwähnenswert ist eine weitere Installation der Ausstellung (siehe Foto): eine innovative dreidimensionale Karte, die auch dem Besucher mit wenigen Kenntnissen die geografischen Ausmaße des Krieges in der Region vorstellt. Dies wird durch Projektionen auf eine weiße Grundfläche ermöglicht. Neben Fixpunkten wie Städten, Gebirgen und Flüssen werden dem Besucher mit Hilfe dieser Karte durch unterschiedliche Farbgestaltung auch die Frontverläufe, Manöver einzelner Armeen oder Flutungen von Landschaftsbereichen näher gebracht. Taktische Stützpunkte werden aufgezeigt und dem Besucher wird durch den Blick auf die dargestellte Landschaft schnell deutlich, welche Aufgabe diese erfüllten. Eine besondere Atmosphäre im Museum stellt die Musik her, die in allen Räumen zu hören ist.
Die Rockband Tindersticks aus England hat zu diesem Zweck einen Song komponiert, der den Besucher emotional durch die Ausstellung begleiten soll. Zwar gab es auch in der alten Ausstellung eine akustische Begleitung mit Flugzeug- und Explosionslärm, aber diese wirkte zum Teil aufdringlich.3 Persönlich erschien mir auch die neue musikalische Untermalung etwas zu aufdringlich und nach einiger Zeit im Ausstellungsraum fühlte ich mich davon doch eher belästigt.
Abschließend ist ein Besuch im neuen IFFM in Ypern zu empfehlen. Zwar wird kein Interessierter neue Fakten über den Ersten Weltkrieg in Flandern erfahren, doch aufgrund der multimedialen Darstellung und der neuen Konzeption mit der Fokussierung auf persönliche Geschichten und die kulturellen Verarbeitungen des Ersten Weltkriegs verspricht der Besuch selbst für Experten des Ersten Weltkrieg spannend zu werden. Ein Katalog zur neuen Ausstellung wird ab Oktober diesen Jahres verfügbar sein und so auch Einblicke vom Schreibtisch aus ermöglichen.
Kontakt: In Flanders Fields Museum, Lakenhallen - Grote Markt 34, B - 8900 Ieper, flandersfields@ieper.be
Informationen zu Preisen und Öffnungszeiten unter: http://www.inflandersfields.be/de/praktisch-3
- 1. Alle Angaben des Museums beziehen sich auf die Pressemappe des IFFM. Ein Katalog zur neuen Ausstellung wird erst ab Oktober verfügbar sein.
- 2. Tobias Arand: Zwischen Emotion und Distanz –Zwei museale Wege der Annäherung an den Ersten Weltkrieg. In: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 31 (2003), S. 74-83, hier S. 76.
- 3. Ebd.