Gewaltmassen - Selbstorganisation und Eigendynamik kollektiver Gewalt

Datum: 
Donnerstag, 26. September 2013 bis Samstag, 28. September 2013
Ort: 
Basel

Massen sind ein sozialer Aggregatzustand eigenen Typs. In ihnen verhalten Menschen sich anders als in Kleingruppen, Organisationen oder Netzwerken. Dies gilt auch für gewalttätiges Handeln. So einseitig die klassische Massenpsychologie "Masse und Gewalt" zum stehenden Begriffspaar assoziiert hatte, so richtig bleibt dennoch ihre Feststellung, dass Gewalthandlungen in Massensituationen andere und ganz eigene Dynamiken entfalten als in sonstigen Kontexten.

Kollektive, die zu gewaltförmiger Aktion schreiten - jüngst zu beobachten an den französischen Banlieue-Unruhen, den "London Riots" oder dem "arabischen Frühling", aber auch an den marodierenden Gewaltmilizen der afrikanischen "failed states" -, werden aus Sicht des politischen Systems und der Medien in aller Regel als anarchische und destruktive, gesellschaftliche Ordnungsformen auflösende Kräfte dargestellt und verurteilt. Mehr noch als individuelle Gewalttätigkeiten fordern kollektive Gewalthandlungen das moderne Selbstverständnis einer zivilisierten, durch Alltagsroutinen pazifizierten Gesellschaft von Grund auf heraus.

Mitten im exzessiven Strudel offensichtlich destruktiver Massengewalt lassen sich ebenso regelmäßig aber auch Prozesse spontaner Ordnungsbildung beobachten. Wo Massen zur Gewalt schreiten, entstehen neue und eigene Ordnungsmuster, die sich als situative Eigendynamiken der Kontrolle und zum Teil auch dem Bewusstsein der Beteiligten entziehen - und vielleicht eben darum wirksam sind. Die interdisziplinäre Tagung erforscht diese situativen Prozesse kollektiver Gewalt im Spannungsfeld zwischen destruktivem Gewaltexzess und produktiver Selbstorganisation und beleuchtet sie an Fallbeispielen aus Geschichte und Gegenwart.

Die Tagung richtet sich an ein breites wissenschaftliches Publikum und steht allen interessierten Hörern und Hörerinnen offen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Veranstaltungsort: Universität Basel, Hörsaal der Musikwissenschaften (Parterre), Petersgraben 27, CH-4051 Basel

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Programm:

Donnerstag, 26.09.

18:00-18:30  Axel Paul: Begrüßung und Einführung

18:30-19:30  Paul Richards: Rites, riots, and jokes: effervescent social events in analytical perspective

Freitag, 27.09.

10:00-11:00  Stephen Reicher: Violent masses or violent clashes? Elaborating the Elaborated Social Identity Model of crowd action (ESIM)

11:00-12:00  Anne Nassauer: How situational interaction dynamics lead to protest violence - A comparative analysis

12:00-13:30  Mittag

13:30-14:30  Ferdinand Sutterlüty: Bürgerstatus und kollektive Gewalt: Die verborgene Moral der französischen Émeutes 2005 und der englischen Riots 2011

14:30-15:30  Thomas Klatetzki: Hang 'em high: Die Organisation des Lynchens

15:30-16:00  Kaffee

16:00-17:00  Lee Ann Fujii: Putting on a show: Investigating the logic of violent display

17:00-18:00  Günther Ortmann: Verwaltung und Gewalt: circuli vitiosi

Samstag, 28.09.

10:00-11:00  Anthony King: Mass attack: infantry tactics in the twentieth century

11:00-12:00  Bernd Greiner: Der "Disposable Soldier": Soldatische Selbstorganisation und Gewaltexzesse am Beispiel des Vietnamkrieges

12:00-13:00  Felix Schnell: Militante Vergemeinschaftung im Bürgerkrieg

13:00-13:30  Abschluss

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Kontakt:

Benjamin Schwalb

Seminar für Soziologie

Petersgraben 27

CH-4051 Basel

benjamin.schwalb@unibas.ch