Geschichtsbewusstsein als Kernkompetenz - 60 Jahre historische Bildung in der Bundeswehr

Datum: 
Mittwoch, 23. September 2015 bis Freitag, 25. September 2015
Ort: 
Potsdam
Deadline: 
Sonntag, 1. März 2015

Moderne Militärgeschichte, in seinen Vorläufern vorrangig eine Generalstabswissenschaft, hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer anerkannten Subdisziplin der Geschichtswissenschaften entwickelt. Jüngere wissenschaftstheoretische Publikationen zur Militärgeschichte haben ihr akademisches Profil geschärft und sie in die Politik-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte integrieren können. Mittlerweile herrscht unter Historikerinnen und Historikern breiter Konsens darüber, dass es Aufgabe moderner Militärgeschichte ist, das Militär in seinen Facetten und in seinen historischen Rahmenbedingungen in Staat, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft wissenschaftlich zu erforschen und dabei "den Soldaten in allen seinen Lebensbereichen" (Rainer Wohlfeil) in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Notwendigkeit fundierter staatsbürgerlicher, d.h. historisch-politischer Bildung wird innerhalb der Bundeswehr seit ihrer Aufstellung anerkannt. Die geistige Auseinandersetzung mit der Geschichte und die intensive Beschäftigung mit Militärgeschichte werden in der Bundeswehr gefordert und gefördert. Ihre Bedeutung für die Streitkräfte wurde zuletzt vor 20 Jahren mit der "Weisung zur Intensivierung der historischen Bildung" durch den Generalinspekteur der Bundeswehr besonders hervorgehoben. Die Konzeption der Inneren Führung und ihr Leitbild des Staatsbürgers in Uniform begründen in der Bundeswehr den gesetzlich verankerten "Staatsbürgerlichen Unterricht", der auch geschichtliche Anteile enthält. Als Historisch-Politische Bildung ist er, sozusagen mit Gesetzesrang, vorgeschrieben.

Seit der Mitte der 1990er Jahre hat sich die Historische Bildung von der Politischen Bildung sukzessive emanzipiert. Sie wird nicht nur als Unterrichtsfach an den Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr vermittelt, sondern hat auch Bedeutung im täglichen Dienst. Doch welchem Zweck dient die historische Bildung in den Streitkräften? Welchen konkreten Nutzen soll Militärgeschichte für die Bundeswehr im 21. Jahrhundert entfalten und welche "militärischen Verwertungsinteressen" (Bernd Wegner) sind legitim?

Die historischen Bildungsziele der Bundeswehr unterscheiden sich normativ nicht wesentlich von denen öffentlicher Schulen, Universitäten oder anderer ziviler Bildungseinrichtungen. Bedeutet dies auch, dass Geschichte in der Bundeswehr einzig als Bildungsfaktor wirksam sein kann, da Kriegserfahrungen "im letzten weder gelehrt noch gelernt" werden könnten, wie Oberst Dr. Hans Meier-Welcker, der erste Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, postulierte?

Vertreter der "neuesten Militärgeschichte" erheben den Anspruch, ausgehend von der wissenschaftlichen Erforschung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, "Orientierungswissen für Soldaten" bereitstellen zu können. Die Frage, ob man aus der Geschichte lernen kann, steht dabei nicht im Vordergrund. Mittlerweile ist die Historische Bildung in der Bundeswehr vor allem ein wichtiges Instrument, deren Angehörige auf künftige Einsätze vorzubereiten, ihnen Kenntnisse über das Einsatzland zu vermitteln und ihre interkulturelle Kompetenz zu erhöhen.

Während die wissenschaftliche Profilierung der Militärgeschichte als historische Subdisziplin heute als weitgehend abgeschlossen gelten kann, ist eine vergleichbare inhaltliche Schärfung dessen, worin der "innere" Nutzen militärgeschichtlicher Bildung innerhalb und außerhalb der Bundeswehr bestehen soll, von wenigen Beiträgen abgesehen, bisher ausgeblieben. Unter der Leitfrage "Wozu Militärgeschichte?" wird die 56. Internationale Tagung für Militärgeschichte des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr daher Aufgaben, Nutzen und Gestaltungsfelder der militärgeschichtlichen Bildung hinterfragen. Sie soll sechs Jahrzehnte militärhistorischer Lehre und Ausbildung in der Bundeswehr nachzeichnen und diese in ihr ziviles und internationales Umfeld stellen. Einen besonderen thematischen Schwerpunkt bilden dabei die militärgeschichtlichen Sammlungen und das Militärhistorische Museum der Bundeswehr sowie Fragen nach einer zeitgemäßen Didaktik der militärgeschichtlichen Lehre und Ausbildung.

Folgende Aspekte sollen näher untersucht und diskutiert werden:

-  Bildungsauftrag Militärgeschichte (Verortung der Militärgeschichte in die Bildungs- und Erziehungskonzeption der Inneren Führung)

-  Nutzen der Militärgeschichte (Abgrenzung der Militärgeschichte zu anderen Disziplinen, Definition des "inneren Nutzens", verschiedene Rechtfertigungsansätze, internationaler Vergleich)

-  Museen und Sammlungen als Gestaltungsfelder militärhistorischer Bildung (Aufgaben und Nutzen der militärhistorischen Sammlungen und Museen für die Entwicklung eines Geschichtsverständnisses bei Soldaten)

-  Moderne Militärgeschichte – moderne Geschichtsdidaktik? (Das Lehrfach Militärgeschichte aus geschichtsdidaktischer Sicht – Bilanz und Perspektiven)

-  Militärgeschichte in Lehre und Ausbildung (Militärgeschichte als Lehrfach in der Erwachsenenausbildung sowie speziell in der Unteroffizier- und Offizierausbildung der Bundeswehr).

Leitfragen sollen sein:

-  Erziehung oder Bildung? Wozu dient militärhistorische Bildung?

-  Welche Funktion und Stellung hat die Historische Bildung im Dreiklang von politischer, historischer und ethischer Bildung in der Bundeswehr?

-  Welchen Nutzen hat die Beschäftigung mit Militärgeschichte in der Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten?

-  Welchen Zweck und welchen Nutzen haben die Militärgeschichtlichen Sammlungen und Museen der Bundeswehr?

-  Ist Geschichtsverständnis eine Kernkompetenz von (deutschen) Soldaten?

-  Was kann eine moderne Geschichtsdidaktik für die historische Bildung von Soldaten leisten?

-  Unterscheiden sich "zivile Geschichtsdidaktik" und militärgeschichtliche Unterrichtung in der Bundeswehr? Ergeben sich daraus Konsequenzen für die Lehre in der Bundeswehr?

-  Gibt es spezifische Besonderheiten der militärhistorischen Wissensvermittlung?

Die Tagung richtet sich insbesondere an junge (Militär-)Historikerinnen und Historiker, die sich mit der historisch-politischen Bildung in der Bundeswehr in Theorie und Praxis wissenschaftlich befassen, sowie an die militärischen und zivilen Verantwortungsträger in der Bundeswehr. Gleichzeitig ist die Veranstaltung auch für interessierte Soldaten geöffnet, deren Teilnahme im Rahmen der Politischen Bildung als "Lehrgang" erfolgen kann.

Die Organisatoren erbitten einen Abstract mit einer inhaltlichen und methodischen Erläuterung des Themas von max. 3.000 Zeichen.

Die Vorträge sind als Impulsreferate von 20 Minuten Dauer vorgesehen. Über die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse in einem Tagungsband wird noch entschieden.

Das ZMSBw übernimmt die Reise- und Hotelkosten für die Referentinnen sowie Referenten und bietet ein Vortragshonorar von 150,00 Euro an.

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Organistion | Kontakt:

Oberstleutnant Dr. Heiner Möllers

Bereichsleiter Medien

Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

Zeppelinstraße 127 / 128

14471 Potsdam

0331/9714-578

itmg@bundeswehr.org