Vom Krieg berichten
Vom modernen Kriegsberichterstatter schrieb Joseph Roth 1924, er sei ein Barde in Telegrammen, im Pressequartier und als "General-Interviewer", zudem erwünscht als "Siegesprophet": "weit genug vom Schützengraben, um in Stimmung zu bleiben, nahe genug um den Jammer zu sehen, und klug genug, um ihn zu verschweigen".
Heute berichten Fotojournalisten und Reporter im Minutentakt der Liveschaltung von vorderster Front: embedded und damit kontrolliert wie in Afghanistan und im zweiten Irakkrieg oder unter widrigen Umständen, in äußerster Lebensgefahr wie in Libyen oder im syrischen Bürgerkrieg, wo der Tod von Marie Calvin, der Kriegsreporterin der Londoner Sunday Times, im Februar 2012 Anlass war, die reporting community zusammen zu bringen, um ihre immer bedrohlicher werdende Arbeit und Lebenslage zu überdenken.
Kriegsberichterstattung gibt es seit dem Siebenjährigen Krieg. Sie gibt Aufschluss über den Wandel der Rolle des 'Augenzeugen'. Die Geschichte der Kriegsberichte ist immer auch die Geschichte der Medien. In jüngster Zeit hat die totale Medialisierung und Virtualisierung des Kriegsgeschehens - die elektronische Kriegsführung mit ferngesteuerten Waffen und die Tätigkeit der Geheimdienste wie auch die lokale Präsenz der social media – die Kriegsberichterstattung grundlegend verändert. Schon seit dem Ersten Weltkrieg hat eine bemerkenswerte Zahl von Frauen aus den Kriegs- und Krisengebieten berichtet oder in der Form des investigating journalism den militärischen Komplex kommentiert. "I went from covering the story to being the story", schrieb die amerikanische Fotojournalistin Molly Bingham mit wachsender Skepsis.
In den Mosse-Lectures kommen nach einem einführenden Vortrag der Sozialhistorikerin Ute Daniel und dem Beitrag der Literatur- und Filmwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen zur Kriegsreportage im Film Journalistinnen und Autorinnen zu Worte, die unter den heutigen Bedingungen des militärischen Einsatzes gelebt und gearbeitet haben.
Veranstalter: Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für deutsche Literatur - verantwortlich: Prof. a. D. Dr. Klaus R. Scherpe | Prof. Dr. Joseph Vogl | Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart | Prof. Dr. Ethel Matala de Mazza | Prof. Dr. Ulrike Vedder | Dr. Hendrik Blumenrath | Dr. Elisabeth Wagner | Dr. Burkhardt Wolf
Veranstaltungsort: Humboldt-Universität zu Berlin, Senatssaal (1. Stock), Unter den Linden 6, D-10117 Berlin
Termin: jeweils donnerstags, 19.oo Uhr c.t.
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Programm:
(bereits absolviert) Ute Daniel: Krieg in den Medien – Medien in Kriegs- und Nichtkriegszeiten
Dr. Ute Daniel ist Universitätsprofessorin für neuere Geschichte an der Technischen Universität Braunschweig. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen: Höfe und Hoftheater (17.-19. Jahrhundert), Mediengeschichte, Sozial- und Kulturgeschichte der Kriege und Theorie und Methodologie der Geschichtswissenschaft. Sie ist u.a. Mitglied der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
08. Mai 2014 Antonia Rados: Die Fronten des 21. Jahrhunderts. Kriegsberichterstattung im Nahen Osten
Dr. Antonia Rados ist Fernsehjournalistin und Autorin, Reporterin in Kriegs- und Krisengebieten für den ORF und RTL u.a. in Bosnien, Somalia, Iran, Irak, Afghanistan und zuletzt in Ägypten und in Syrien. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 2003 den Hanns-Joachim-Friedrich-Preis, 2012 den Hildegard-von-Bingen-Preis.
15. Mai 2014 Janine di Giovanni: Second Thoughts – Life and Work of a War Correspondent
Janine di Giovanni ist Autorin und Kriegsreporterin aus zahlreichen Ländern u.a. Tschetschenien, Syrien, Bosnien, Somalia, Libyen und Süd Sudan, u.a. für die Londoner Sunday Times, The Guardian, New York Times sowie Middle East Editor des Nachrichtenmagazins Newsweek. Sie wurde ausgezeichnet durch zahlreiche Preise und Ehrungen;
12. Juni 2014 Elisabeth Bronfen: Ein eigener Blick - Amerikas Kriegskorrespondentinnen
Elisabeth Bronfen ist Professorin für englische und amerikanische Literatur an der Universität Zürich
19. Juni 2014 Anja Niedringhaus (†) : [Krieg vor der Kamera]
Am 19. Juni wollte die Kriegsberichterstatterin Anja Niedringhaus eine Mosse-Lecture zum Thema "Krieg vor der Kamera" halten. Am 4. April wurde sie in Afghanistan erschossen. Die Reihe soll nun ihrem Gedenken gewidmet sein – am 19. Juni werden Freunde und Kolleginnen ihre journalistische Arbeit, ihre Bilder würdigen. Wir trauern um Anja Niedringhaus.
26. Juni 2014 Carolin Emcke: Krieg erzählen – Von den Schwellen und Grenzen der Zeugenschaft
Carolin Emcke ist freie Journalistin und Autorin
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Kontakt:
Dr. Elisabeth Wagner
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