Monique Dobbert
Miszelle
Veröffentlicht am: 
15. Dezember 2014
DOI: 
10.15500/akm.15.12.2014

Aufgrund mangelnder Perspektiven, insbesondere in ostdeutschen Kleinstädten, entscheiden sich viele Jugendliche nach Abschluss des Abiturs dafür ins Ausland zu gehen, um dort Erfahrungen zu sammeln oder einem Studium nachzugehen. Ich war eine dieser Jugendlichen. Aufgewachsen in einer südöstlich von Berlin gelegenen Kleinstadt, entschied ich mich nach dem Abitur, im September 2008, nach Manchester zu gehen, um dort zunächst einer Tätigkeit als Au-Pair nachzugehen. Großbritannien ist eines der Länder, welches unter jungen Menschen sehr beliebt ist. Es ist wahrscheinlich deshalb so attraktiv, weil man zum Beispiel als Au-Pair oder Student die Möglichkeit bekommt, die englische Sprache aus erster Hand zu erlernen; ein Vorteil, der sich heutzutage bei der späteren Jobsuche als vorteilhaft erweisen kann.

In Greater Manchester, einem Bezirk im Nordwesten Englands, befinden sich insgesamt drei Universitäten.1 Die City of Manchester mit rund einer halben Million Einwohnern ist eine sehr junge und lebendige Stadt und lockt fortlaufend internationale Studenten aus aller Welt an. Unmittelbar an die City of Manchester grenzt die Stadt Salford, welche schon Friedrich Engels geprägt hat.2 Heute ist Salford eine moderne Stadt, die sich architektonisch an Manchester orientiert.

Fasziniert von der englischen Sprache, den Möglichkeiten und dem Charme Manchesters, entschied ich im Juni 2009 mich für ein Bachelorstudium an der University of Salford zu bewerben. Nach Auskünften einiger Freunde und Bekannten kann ich sagen, dass besonders Studiengänge, die sich mit Sprachwissenschaften und Literatur oder auch den Medien und Business befassten, bei ausländischen Studenten sehr gefragt waren. Ich jedoch entschied mich aus Eigeninteresse dafür Militärgeschichte zu studieren. Mit dieser Entscheidung zählte ich schon damals zu einer Minderheit. Der Grund dafür war nicht die Entscheidung, im Ausland zu studieren, sondern sich als Frau in einem militärgeschichtlichen Fach immatrikulieren zu können. Insgesamt habe ich vier Jahre lang, zunächst in Manchester und dann in Chester, Militärgeschichte in englischer Sprache studiert; eine Zeit, die mich auf menschlicher und gesellschaftlicher Ebene viel gelehrt hat.

Dieser Bericht befasst sich mit den Eindrücken und Erfahrungen, die ich als Frau während meines Studiums (von Juni 2009 bis Oktober 2013), in einer Disziplin, in welcher hauptsächlich Männer aktiv sind, sammelte. Darüber hinaus werde ich anhand persönlicher Erlebnisse darlegen, inwiefern die Geschlechterfrage bei der Zusammenarbeit und dem Umgang mit Kommilitonen und Dozenten eine Rolle spielte und welche Schwierigkeiten sich diesbezüglich auftaten. Des Weiteren möchte ich die Reaktionen von Verwandten und Bekannten bezüglich der Wahl meines Studienfaches beschreiben und auch auf die Unterschiede in der Akzeptanz von Frauen im Militärwesen in Deutschland und Großbritannien eingehen.

Bei der Wahl meines Studienfaches leitete mich vorrangig inhaltliches Interesse. Auf der Website der University of Salford war ich im Juni 2009 auf den Studiengang Contemporary Military and International History aufmerksam geworden.3 Für mich war sofort klar, dass ich mich an dieser Universität für genau dieses Fach immatrikulieren wollte. Ich muss eingestehen, dass ich anfangs weniger daran gedacht habe, welcher Berufsweg diesem Studium folgen könnte. Dennoch war mir bewusst, dass es ein Bereich ist, in dem nicht viele Frauen tätig sind, aber der für mich persönlich attraktiv und interessant war.

Das Interesse an diesem Studiengang wurde durch den Mangel an vergleichbaren Angeboten in besonderer Weise angeregt. Sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien gab es in jener Zeit eine Vielzahl von geisteswissenschaftlichen Standardstudiengängen, wie Alte Geschichte, Neuere und Neueste Geschichte und Europäische Geschichte, für die man sich hätte anmelden können. Sich hingegen für Militärgeschichte einzuschreiben war speziell und spezifisch und deshalb so interessant. Es war ein Fach, welches nicht jeder studierte, eine besondere Möglichkeit.

Hinzu kam, dass die Module die Möglichkeit boten, sich zu spezialisieren und weiterzuentwickeln. Schon aus der Studienordnung wurde deutlich, dass dieser Studiengang nicht nur trockene Theorie über Strategie und Taktik beinhaltet oder sich vorrangig mit Panzern und Kriegsschiffen befasst. Viele Module behandelten kulturelle, soziale, politische und mediale Themenstellungen zur Kriegsgeschichte. Eventuell sind sie auch deshalb für Frauen interessant. Da ich selbst eine der Frauen bin, die ihren Schwerpunkt auf Kultur- und Sozialgeschichte legte, kann ich sagen, dass ein Studiengang mit dem Namen „Militärgeschichte“ zunächst etwas abschreckend wirken kann und daher doch eher die Männerwelt begeistert. Aus diesem Grund ist es ratsam, sich im Vorfeld ausreichend zu informieren. Denn wer sich als Frau allgemein für Geschichte interessiert, kommt bei diesem Fach ausreichend auf seine Kosten.

Die Erwartungen zu Beginn waren durchwachsen. Dies lag großenteils daran, dass es nicht nur ein sehr spezifischer Studiengang war, sondern auch, dass dieser in englischer Sprache absolviert werden sollte. Zum einen war die Vorfreude auf die Mitstudenten und die Lehrveranstaltungen groß, aber zum anderen war die Sorge, dass sich Sprachbarrieren auftun könnten, in den ersten Wochen stets präsent. Trotzdem die Gefühle gemischt waren, verflog die Angst vor der ersten Vorlesung schnell.

Als Erstes fiel mir auf, dass von den rund einhundert Studenten in meinem Jahrgang nur zwei weitere weiblich waren. In den darauffolgenden Tagen stellte sich auch heraus, dass ich nicht nur eine der wenigen Frauen, sondern auch die einzige internationale Studentin war. Ich erinnere mich, dass ich instinktiv zuerst Kontakt zu den zwei anderen Frauen aufnahm. Dies war sicherlich der Fall, weil ich doch irgendwie das Gefühl hatte, als Frau in der Minderheit zu sein und ich mich daher zu den weiblichen Studenten hingezogen fühlte. Zudem spielte der Austausch von Eindrücken anfangs eine wichtige Rolle. So fanden wir uns in der kleinen Frauengruppe zusammen und unterhielten uns zum Beispiel über die Motive zur Studiengangswahl. Aus den Gesprächen ging hervor, dass die anderen beiden Frauen hauptsächlich aus fachlichem Interesse an der Militärgeschichte dieses Studium aufgenommen hatten, wobei eine der beiden einen militärischen Hintergrund aufwies.

Dennoch konnten wir uns als Frauen leicht in den Kreis der Männer integrieren. Spätestens als das Studium dann im Gange war und wir gemeinsam angeregt über das Programm und die Inhalte der Kurse diskutierten, geschah dies auf einer Ebene, in welcher das Geschlecht keine Rolle spielte. Jeder war in erster Linie Student, ganz gleich ob weiblich oder männlich, und so verhielten wir uns auch. Wenn es während des Studiums zur Gruppenbildung kam, dann hatte dies andere Ursachen und kann in keiner Weise auf das Geschlecht zurückgeführt werden. So fanden sich zum Beispiel die fortgeschrittenen Studenten oft in einer Gruppe zusammen, in der aber auch junge Studenten keineswegs ausgeschlossen waren. Ich glaube, dass, wie wahrscheinlich bei jedem anderen Studium, die verschiedenen Persönlichkeiten und Interessen ausschlaggebend für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe waren. Wir Frauen hatten das Gefühl, auch intellektuell integriert zu sein und dass auf unsere Meinung viel Wert gelegt wurde. Auch schwächere Studenten oder jene, die Probleme in einigen Bereichen hatten, wurden nicht ausgeschlossen. Besonders die Seminare waren ein Beweis für einen starken Zusammenhalt und eine hohe Achtsamkeit untereinander.

Die Lehrkräfte waren überwiegend männlich und der Umgang mit ihnen war durchwegs professionell. Geschlechtsspezifische Unterschiede oder gar Vorurteile habe ich nicht erfahren. Wie es an einer solchen Institution der Fall sein sollte, gab es keinerlei Bevorzugungen. Im Vordergrund standen bei jedem einzelnen Studenten stets die Leistung, das Engagement und das eigene Interesse an der Geschichtswissenschaft, und es hing von jedem individuell ab, wie das Studium gemeistert wurde. Wie in der Einleitung angemerkt, zielt das Gesellschaftsbild darauf ab, dass mit dieser Disziplin hauptsächlich Männer assoziiert werden. Obwohl ich mit keinerlei Problemen zu kämpfen hatte, sollten Frauen, die sich dafür entscheiden, dieses Studium aufzunehmen, eine gewisse Menge an Durchsetzungsvermögen und eine starke Persönlichkeit mitbringen.

Eine ähnliche Akzeptanz erfuhr ich auch während des Masterstudiums. Der gesamte Jahrgang bestand nur aus acht Studenten; ich war die einzige Frau. Besonders auffällig war, dass die Atmosphäre in diesem kleinen Kreis eine ganz andere war, als es noch beim Bachelorstudium der Fall war. Diesbezüglich erinnere ich mich, dass die Kennenlernphase kurz war und die Frage “Warum Militärgeschichte?“ nicht aufkam.

Ganz anders als an der Universität erlebte ich den Umgang in der Öffentlichkeit und in meinem privaten Umfeld mit der Tatsache, dass ich als Frau Militärgeschichte studierte. Im direkten Vergleich gab es diesbezüglich in Deutschland und Großbritannien unterschiedliche Reaktionen, die sich aufgrund der verschiedenen Wertesysteme herauskristallisierten.

In vielen Ländern ist die Präsenz von Frauen in diversen Bereichen im Militärwesen nichts Ungewöhnliches mehr. So werden in Österreich Frauen verstärkt für den Wehrdienst geworben, der Einsatz von Frauen in Kampftruppen soll in den USA für mehr Gleichberechtigung sorgen und auch die British Army bietet verschiedene Karrieremöglichkeiten für Frauen.4 Man könnte meinen, dass sich die Frau weltweit vollständig im Militär etabliert hat.

Leider gibt es in Deutschland diesbezüglich Missstände, und es scheint, als würden Frauen in solchen Berufen geringfügiger akzeptiert. Um ein persönliches Beispiel zu nennen, habe ich selbst oft erlebt, dass die meisten Menschen, denen ich von meinem Studium erzählte, eher überrascht und irritiert wirkten. In meinem Bekannten- und Freundeskreis habe ich oft den Satz gehört: „Was studierst du? Militärgeschichte, als Frau?“ Diese Reaktion zielte wahrscheinlich nicht auf gewollte Diskriminierung ab. Sie wurde hervorgerufen durch die in Deutschland immer noch vorherrschenden konservativen Wertevorstellungen und durch die Schwierigkeiten in der Gesellschaft, Frauen im Militärwesen, genauso wie in Berufen, die hauptsächlich Männern zugeschrieben werden, zu tolerieren. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Frau überwiegend als physisch schwächer angesehen wird. Dies führt dazu, dass es der Mehrheit der Gesellschaft wesentlich leichter fällt, sich Männer panzerfahrend und mit schwerem Gerät hantierend im Militär vorzustellen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Frauen, die in irgendeiner Form im Militärwesen tätig sind oder es noch sein wollen, in Großbritannien eine höhere Akzeptanz und Toleranz in der Gesellschaft genießen. So hatte eine Bekannte, die mit mir das Bachelorstudium absolvierte, den Wunsch, eine Offizierslaufbahn bei der British Army einzuschlagen. Aus Gesprächen ging hervor, dass die Mehrheit der Männer in unserem Jahrgang darauf gelassen und wenig überrascht reagierte. In Deutschland hätte so etwas wahrscheinlich Erstaunen ausgelöst. Auch meine eigene Erfahrung ist, dass meine britischen Bekannten und Freunde außerhalb des Studiums eher mit Interesse als mit sexistischen Kommentaren regierten.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Briten mit gesellschaftlichen Minderheiten toleranter umgehen und man sich dementsprechend auch gut integrieren und durchsetzen kann. Auch wenn sich Deutschland diesbezüglich auf einem positiven Weg befindet, kommt es doch viel zu oft vor, dass Minderheiten ausgegrenzt oder mit mangelndem Sozialverhalten konfrontiert werden. Man bekommt in Großbritannien hingegen das Gefühl, dass es viel mehr auf die eigene Persönlichkeit als auf das Geschlecht, die sexuelle Orientierung oder die Herkunft ankommt. Während des gesamten Aufenthaltes in Manchester hatte ich weder als Frau noch als ausländische Studentin Schwierigkeiten und konnte allein durch Leistung und Charakterstärke überzeugen; zwei Eigenschaften, die viel häufiger die Basis für beruflichen Erfolg in jeder Fachrichtung darstellen sollten. Leider ist es heutzutage noch viel zu oft so, dass es Frauen schwer fällt, in einigen Berufsfeldern Fuß zu fassen. Persönlich kann ich jeder geisteswissenschaftlich interessierten Frau empfehlen, Militärgeschichte zu studieren und gegen den Strom zu schwimmen. Es ist eine Fachrichtung, die interessant und zudem vielseitiger ist, als der Name des Studiengangs auf den ersten Blick preisgibt.

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