Die Oberste Heeresleitung und der Weg zum Waffenstillstand 1918
Christian Stachelbeck
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
11. Mai 2020
DOI: 
https://doi.org/10.15500/akm.11.05.2020

Im Mittelpunkt des nachfolgenden Beitrages1 stehen die Ereignisse, die zum Waffenstillstand im November 1918 führten, und zwar aus der Perspektive der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL) im Großen Hauptquartier Kaiser Wilhelms II. im belgischen Spa. Die OHL war de facto der Generalstab des Feldheeres mit seinem Chef an der Spitze. Ende August 1916 berief Wilhelm II. den bisherigen Oberbefehlshaber Ost (Ober Ost) Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Beneckendorff zum Chef des Generalstabes des Feldheeres. General der Infanterie Erich Ludendorff, bislang Chef des Generalstabes bei Ober Ost, übernahm die eigens für ihn neu eingerichtete Dienststellung des Ersten Generalquartiermeisters. Die Verantwortung für alle Handlungen der 3. OHL war gleichermaßen auf Hindenburg und Ludendorff aufgeteilt, "ein in der neueren deutschen Militärgeschichte einmaliger Vorgang".2 Unter dem Feldherrenduo Hindenburg/Ludendorff avancierte der Generalstab des Feldheeres zur bestimmenden Militärbehörde des Kaiserreichs. Wie agierte die einflussreichste militärische Führungsinstanz in dem komplexen politisch-militärischen Machtgefüge des Kaiserreichs zum Ende des Krieges und welche Rolle spielte sie auf dem Weg zum Waffenstillstand am 11. November 1918?

 

Eine Frage von Ansehen und Prestige

Am Morgen des 1. Oktober 1918 trat Erich Ludendorff vor seine Abteilungschefs und hielt in offensichtlich deprimiertem Zustand eine Ansprache. Nach den Aufzeichnungen Oberst Albrecht von Thaers, Chef des Stabs des Generalquartiermeisters in der OHL, wählte er in etwa folgende Worte:

Er sei verpflichtet, uns zu sagen, dass unsere militärische Lage furchtbar sei. Täglich könne unsere Westfront durchbrochen werden. [...] Die OHL und das deutsche Heer seien am Ende; der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen, vielmehr stehe die unmittelbare Niederlage wohl unvermeidbar bevor. Bulgarien sei abgefallen, Österreich und die Türkei am Ende ihrer Kräfte, würden bald folgen. Unsere eigene Armee sei leider schon schwer verseucht durch das Gift spartakistisch-sozialistischer Ideen. Auf die Truppen sei kein Verlass mehr […] Die Wirkung dieser Worte auf die Hörer war unbeschreiblich. Während L. sprach, hörte man leises Söhnen und Schluchzen, vielen, wohl den meisten, liefen unwillkürlich die Tränen über die Backen. […] Nach seinen letzten Worten neigte L. langsam das Haupt, machte kehrt und ging in sein anstoßendes Zimmer.3

Deutsche Offiziere sind nicht gerade bekannt für diese Art offener Gefühlsausbrüche. Insofern ist die hier von Oberst Thaer am 1. Oktober 1918 geschilderte Szenerie bemerkenswert. Die Tragik dieses Augenblicks für die verantwortlichen Zeitgenossen in der deutschen Heeresführung des Ersten Weltkriegs liegt auf der Hand. Major Joachim von Stülpnagel, einer der Abteilungschefs in der Operationsabteilung, hielt später in seinen Erinnerungen prägnant fest: "Die Tragödie des deutschen Zusammenbruchs begann."4 Und tatsächlich: Das Spiel war für die deutsche Seite endgültig aus, die militärische Lage "aussichtslos",5 der Krieg unwiederbringlich verloren. Erst diese bittere Erkenntnis gab den Impuls für die Entscheidung der wichtigsten militärischen Führungsinstanz des Kaiserreichs, die Bildung einer parlamentarischen Regierung zu initiieren und gleichzeitig auf ein Waffenstillstandsgesuch zu drängen. Ludendorff ergriff die Initiative und traf die Entscheidung am 28. September aus eigenem Entschluss, reagierte dabei aber wohl auch auf Vorschläge einiger Abteilungschefs der OHL.6

Der Kaiser hatte den gemeinsam mit dem Staatssekretär des Äußeren, Paul von Hintze, zuvor abgestimmten Vorschlag – Hintze sprach von einer "Revolution von oben" – am 29. September 1918 im Kreis des Kronrates gebilligt. Noch am Abend dieses für den Fortgang des Krieges schicksalhaften Tages hatte Ludendorff seinen engsten Führungskreis in einer ersten Aussprache informiert.7 Am 1. Oktober sprach er dann vor seinen Offizieren deutlich aus, wen er für die "furchtbare Lage" offiziell verantwortlich machte: "Ich habe aber S.M. gebeten, jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen, denen wir es in der Hauptsache zu danken haben, daß wir so weit gekommen sind. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben."8 Hier deutete sich an, was in der Dolchstoßlegende und dem Mythos vom "im Felde unbesiegten Heer" zu Tage trat: die Ablenkung von eigenen Fehlern und die infame Zuweisung der Schuld für die Niederlage an die verachteten Parlamentarier in der Heimat. Den Boden für eine solche Argumentation hatten bereits Äußerungen der OHL im Sommer 1918 bereitet. Nach der verheerenden Niederlage am 8. August bei Amiens mahnte die OHL bei einer Besprechung im Großen Hauptquartier in Richtung Politik, dass das Feldheer sich nur bei intakter Heimatfront weiter auf feindlichem Boden behaupten könne.9 Nun wurden Politik und Heimat zielgerichtet zu den Sündenböcken gemacht, die Hindenburg und Ludendorff mit den militärischen Rückschlägen des Sommers 1918 zunächst noch armeeintern in den eigenen Reihen gesucht hatten.10

Schließlich ging es um das Prestige und den Ruf zweier erfolgreicher Feldherren. Der Feldmarschall und sein Gehilfe hatten seit dem Sieg von Tannenberg im August 1914 lange Zeit ein nahezu sakrosanktes Vertrauen in Armee und Öffentlichkeit genossen. Auf dieser Grundlage hatten sie nach ihrer Berufung zur 3. OHL durch Kaiser Wilhelm II. Ende August 1916 kontinuierlich eine Suprematiestellung11 im komplexen zivil-militärischen Machtgefüge des Kaiserreichs ausgebaut. Ihr Einfluss erstreckte sich über die reine Kriegführung hinaus auf die Politik und Kriegswirtschaft des Landes. Dahinter verbarg sich als treibende Kraft Ludendorff, ein zweifelhafter und von persönlichem Ehrgeiz zerfressener Charakter, wie Wilhelm II. den ihm zutiefst suspekten General einmal bezeichnete.12 "Der empfindsamen weichen Natur des Kaisers war der Typ des rücksichtslosen Willensmenschen unheimlich und wesensfremd, er hasst die schroffen, formlosen Temperamentsausbrüche des Generals, sie verletzen sein monarchisches Selbstbewußtsein", hielt bezeichnenderweise ein dem Kaiser zugeteilter Generalstabsoffizier der OHL in einem Bericht fest.13 Ludendorffs Machtfülle beruhte im Wesentlichen auf der charismatischen Autorität des deutlich lebensälteren Feldmarschalls.14 Der in der Literatur noch häufig verwendete Begriff der Militärdiktatur geht mir hier gleichwohl zu weit.15 Denn die verfassungsgemäße Vielzahl konkurrierender zivil-militärischer Machtzentren unterhalb des Kaisers als Inhaber der obersten politischen und militärischen Gewalt blieb bis in den Oktober 1918 hinein bestehen. Und trotz seiner Zurückdrängung durch die 3. OHL entschied immer noch der Monarch über die personelle Besetzung der militärischen und zivilen Führung des Reiches.16 Über Rücktrittsdrohungen als freilich schärfste Waffe gegenüber ihrem Obersten Kriegsherrn sind Hindenburg und Ludendorff nicht hinausgegangen.17

Zum Image des siegreichen Feldherrn passte kein verlorener Krieg.18 Hindenburg hatte noch im Sommer 1918 gegenüber Offizieren eine nahezu unerschütterliche Selbstgewissheit an den Tag gelegt. So schlimm werde die Lage schon nicht sein, es sei doch bis zum Winter noch Zeit genug, um die Sache militärisch noch zu schaffen.19 Und auch für Ludendorff galt, was sein enger Mitarbeiter Major Joachim von Stülpnagel in seinen Erinnerungen festhielt: "So lange noch eine Hoffnung besteht, wird ein Feldherr von der Mentalität Ludendorffs nicht zugeben, daß er geschlagen ist."20 Gegenüber dem k.u.k Außenminister Graf Czernin erklärte Ludendorff bezeichnenderweise: "Ich will nicht enden, daß man Steine nach mir wirft."21 So kann auch nicht verwundern, dass Ludendorff sich später heftig gegen jegliche Kritik an seiner Person wie etwa in den Darstellungen des vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Weißbuchs zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes schriftlich zur Wehr setzte. Dies gipfelte in wüsten Beschimpfungen und Verdächtigungen bis hin zu Gerichtsverfahren.22 Darüber hinaus versuchten auch ehemalige Weggefährten und Ludendorffanhänger, den Nimbus des großen Feldherrn zu bewahren.23

Auch von Hindenburg wissen wir seit Wolfram Pytas erhellender Biografie des Feldmarschalls, dass dieser vor allem daran interessiert war, sehr ambitioniert seinen eigenen Mythos als militärischer Sieger von Tannenberg und zugleich politische Symbolfigur der nationalen Einheit Deutschlands zu pflegen.24 Wie empfindlich auch Hindenburg später noch auf Vorwürfe gegen die OHL reagierte, belegt ein Vorgang aus dem Jahre 1933. So bat Reichspräsident Hindenburg den Präsidenten des Reichsarchivs Hans von Haeften, der seit Ende September 1918 als Oberst Vertreter der OHL beim Reichskanzler gewesen war, um eine Gegendarstellung zu Äußerungen in der Presse, die der OHL die Verantwortung für den Abschluss des Waffenstillstandes am 11. November auferlegten. Das sei doch Sache der Regierung in Berlin gewesen, so Hindenburg, der jede Schuld von sich wies. Haeften verfasste einen Entwurf, den Hindenburg billigte. Der von Haeften gleichzeitig zu Rate gezogene ehemalige preußische Kriegsminister, General der Infanterie a.D. Heinrich Scheüch, riet jedoch dringend von einer Veröffentlichung ab, da zwar die Regierung "staatsrechtlich", die OHL aber "sachlich und moralisch" verantwortlich gewesen sei. Der Waffenstillstand sei schließlich nur auf Empfehlung der OHL abgeschlossen worden. Haeftens Entwurf würde auf erheblichen Gegenwind noch lebender ehemaliger Regierungsmitglieder stoßen. Haeften besprach die Angelegenheit mit Hindenburg, zu einer Veröffentlichung ist es nie gekommen. Nur zu vermuten ist, dass Hindenburg wohl wegen des drohenden größeren Imageschadens einen Rückzieher machte.25

Nachdem bereits im Sommer 1918 das Vertrauen in die OHL in einigen Bevölkerungsteilen zusehends verloren gegangen war, sorgte das Waffenstillstandsangebot im Oktober 1918 dann für eine rasante Beschleunigung des Vertrauensverlustes. Das zog in zunehmender Auseinandersetzung mit der Regierung auch den schleichenden Verlust der Suprematiestellung der OHL nach sich. Hindenburg überlebte allein dank seiner Zugkraft als militärisch-politischer Symbolfigur. Diese Rolle vermochte er mit hoher Anpassungsfähigkeit auch im neuen politischen Umfeld zu spielen. Ludendorff als die eigentlich treibende Kraft der Kriegführung und damit auch Hauptschuldiger an der militärischen Niederlage musste hingegen tief enttäuscht am 26. Oktober 1918 gehen.26 Die mangelnde Rückendeckung Hindenburgs am Tage seiner Entlassung durch den Kaiser verbitterte Ludendorff. Das einstige Erfolgsduo ging künftig getrennte Wege.27 Beide blieben indes weiterhin ungeniert ihrer Linie treu, den verlorenen Krieg einer zersetzenden Wirkung aus der Heimat auf das doch "im Felde unbesiegte Heer" zuzuschreiben.28 Die Dolchstoßlegende war die logische und zugleich fatale Hinterlassenschaft einer selbstherrlichen und prestigeorientierten Militärelite an die junge Republik, mit deren Hilfe dann konservative und nationalistische Kreise Front gegen die Demokratie machten. Sie wurde zum Trauma einer ganzen Nachkriegsgeneration, das noch bis in den Zweiten Weltkrieg hinein wirken sollte.29

 

Konnte das Heer weiterkämpfen?

Vor diesem Hintergrund wird man sich rückblickend zunächst fragen, wie es am 29. September 1918 überhaupt zu dem bitteren Eingeständnis der bislang nach außen hin doch stets ungebrochenen Optimismus verbreitenden OHL kommen konnte? Die Nachricht des Waffenstillstandsgesuchs überraschte nicht nur das unmittelbare Umfeld Ludendorffs im Großen Hauptquartier. Sie schlug vor allem in der medialen Öffentlichkeit und Politik sprichwörtlich wie eine Bombe ein.30 Noch einen Monat zuvor hatte etwa der sozialdemokratische "Vorwärts" von der Möglichkeit eines triumphalen Sieges im Westen gesprochen. Und selbst die Pessimisten in Deutschland, die zwar am Sieg zweifelten, glaubten nicht an eine Niederlage, sondern die Fortsetzung des Krieges.31 Wohlwissend um die öffentliche Wirkung eines Waffenstillstandsangebotes, bedurfte es nachhaltiger Überzeugungsarbeit seitens der OHL und nicht zuletzt des Kaisers, um den sich widerstrebenden neuen Reichskanzler Prinz Max von Baden zu diesem Schritt zu bewegen.32

Auslösendes Moment für Ludendorffs Offenbarungseid war die im September 1918 zunehmende Verschlechterung der militärischen Gesamtlage für die Mittelmächte an allen Fronten, vor allem aber der Zusammenbruch Bulgariens. Angesichts der ebenso schwächelnden anderen Bündnispartner konnte der Balkan innerhalb kürzester Zeit zum Einfallstor alliierter Offensiven in Richtung der deutschen Grenzen werden.33 "Das können wir nicht durchhalten" […] "Der Feldzug ist durch die Ereignisse auf dem Balkan verloren", gestand Ludendorff gegenüber General Hermann von Kuhl, dem Generalstabschef der Heeresgruppe des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, ein.34 An der Westfront klammerte sich Ludendorff verzweifelt an ein Wunder, als ihm durch den Generalstabsarzt der Armee gemeldet wurde, dass sich unter den französischen Truppen die Lungengrippe ausgebreitet habe.35 Was im Frühjahr 1918 noch mit Siegeszuversicht und Euphorie im Zeichen großer Offensiven begonnen worden war, führte nach den erfolgreichen alliierten Gegenoffensiven am 18. Juli bei Soissons und am 8. August bei Amiens zu weitgehender Ernüchterung und Niedergeschlagenheit. Denn nun drohte dem in die Defensive gedrängten deutschen Heer im Westen jederzeit ein kriegsentscheidender alliierter Durchbruch, der zu einer unkontrollierbaren Flucht der eigenen Truppen und im Inneren Deutschlands zur Revolution führen würde, so Ludendorffs größte Besorgnis.36

Doch noch hoffte die bislang übermächtige OHL, den Gang der Ereignisse nach ihren eigenen Vorstellungen beeinflussen zu können. Der schnelle Waffenstillstand sollte der Armee zunächst eine Atempause verschaffen und den geordneten Rückzug ermöglichen.37 Im Falle erfolgreicher Friedensverhandlungen, so das Kalkül der OHL, könne man sogar wieder zu einem autoritären System zurückkehren. Statthalter und Scharnier eines solchen "Rollback" sollte die seit 2. Oktober amtierende neue parlamentarische Regierung unter Prinz Max von Baden sein.38 Dass sich damit auch eine Möglichkeit eröffnete, die eigene Machtstellung irgendwie zu erhalten, liegt auf der Hand. Als sich diese Vorstellungen im Verlauf des Notenwechsels mit US-Präsident Woodrow Wilson aber zunehmend als Illusion herausstellten, lavierte die OHL gegenüber der Regierung mit diffusen, wechselhaften militärischen Lagebeurteilungen über den Zustand und die Fähigkeiten des Heeres zur Fortsetzung des Kampfes. Genau daraus nährte sich später auch der Mythos vom "im Felde unbesiegten Heer". Obwohl die OHL die militärische Situation zunächst desaströs dargestellt hatte, betonten Ludendorff und Hindenburg dann wiederholt gegenüber der Regierung den unbedingten Willen, den Kampf bei zu ungünstigen bzw. "unehrenhaften" Friedensbedingungen unnachgiebig bis zum Äußersten fortsetzen zu wollen.39 Die Kraft des Heeres sei ungebrochen.40 Auch Prinz Max von Baden hielt lange an der Vorstellung vom Endkampf als Option fest.41

Die von anderen Endkampffantasten wie Walter Rathenau öffentlich geforderte levée en masse verwarf Ludendorff allerdings. Davon versprach er sich trotz der katastrophalen Personalersatzlage des Heeres keinen effektiven Kräftezuwachs für die Front.42 Es kann freilich wenig überraschen, wenn der neue Staatssekretär des Äußeren, Wilhelm Solf, nach Ludendorffs erstaunlich optimistischen Einlassungen im Kabinett am 17. Oktober wie vor einem Rätsel stand und sich fragte, weshalb nun etwas gehe, was der General vorher noch für unmöglich erklärt hatte?43 Ludendorff spreche jetzt wieder, so auch Kronprinz Rupprecht in seinem Tagebuch, "wie wenn wir den Krieg noch lange fortsetzen könnten". Hinzu fügte er deutlich, was sich hinter Ludendorffs Verhalten verbarg: wenn dies nicht geschehe und wir den Krieg verlören, dann treffe eben die jetzige Reichsleitung die Schuld.44 Auf der anderen Seite hätte ein "heroischer Endkampf" für Ludendorff vielleicht noch eine Möglichkeit geboten, das eigene Ansehen und Prestige in die Nachwelt zu retten.45

Die Hoffnung der Endkampfprotagonisten, den Gegner, von dem man annahm, dass er durch den langen Krieg selbst geschwächt war, mit Drohungen zu beeindrucken und ihm "ehrenvolle" Friedensbedingungen abtrotzen zu können, erwies sich als Wunschtraum. Zweifelsohne hatten auch die alliierten Truppen dem langen und verlustreichen Krieg Tribut zollen müssen. Zwar gab es auf alliierter Seite eine gewisse Scheu vor einem deutschen Kampf bis zum Äußersten und auch hier wollte man eine Chance zum Waffenstillstand nutzen. Doch zu Konzessionen unterhalb eines vollständigen Sieges war der Gegner angesichts der sich immer deutlicher abzeichnenden deutschen Niederlage nicht bereit. Obwohl ein weiterer Vormarsch wegen der überdehnten Nachschublinien im bisherigen Tempo nicht möglich war,46 blieb der Druck auf die ersatzgeschwächten, zermürbten und schrittweise zurückgehenden deutschen Truppen hoch.47 Insofern war es überaus fraglich, ob sich diese Truppen an der Front oder die kriegsmüde Heimat noch für die Endkampffantasien und das Prestigegehabe einiger Eliten opfern würden.48 Bei den zur Revolution führenden Meutereien in der Marine zeigte sich jedenfalls, dass die Führung hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte.

Auch das Heer, von dem die Vertreter der Dolchstoßlegende später behaupteten, es sei "im Felde unbesiegt" gewesen, war im Oktober 1918 alles andere als ein willfähriges und voll intaktes Instrument in den Händen seiner militärischen Führung. "Das ganze Heer hat den Krieg satt und ist erschöpft, jedermann, abgesehen von einigen Starrköpfen, sieht ein, daß es nutzlos wäre, den Krieg weiterzuführen", hielt Kronprinz Rupprecht in seinem Tagebuch fest. Ähnlich äußerten sich auch andere führende Offiziere.49 Schuld daran war vor allem die Kriegführung einer frontfernen OHL, die die Kräfte der eigenen Truppen im Jahre 1918 aus Prestigegründen und Realitätsverweigerung maßlos überspannt hatte: zunächst mit immer neuen Offensiven, dann mit Abwehrkämpfen um jeden Fußbreit eroberten Bodens im besetzten Gebiet.50 Die daraus resultierenden immensen personellen Verluste waren nicht mehr zu ersetzen. Sie führten zu einer weitgehenden Erschöpfung der Fronttruppen, die unter permanentem Druck der allliierten Offensiven standen.51 Kein Wunder, dass viele Soldaten nach Bekanntwerden des Waffenstillstandsangebotes nur noch wenig Lust verspürten, sich jetzt noch "totschießen zu lassen", wie ein Bataillonskommandeur berichtete.52 Einige Fronteinheiten ergaben sich relativ schnell dem Gegner, hinter den Fronten stieg die Zahl der sogenannten "Drückeberger" sprunghaft an; Phänomene eines heeresweiten Zerfallsprozesses, den Wilhelm Deist treffend als "verdeckten Militärstreik" bezeichnet hat.53

Zweifelsohne speist sich ein gewisser wahrer Kern des Mythos von dem "im Felde unbesiegten Heer" aus dem stellenweise heftigen Widerstand, den ein die Front noch haltendes "Spinnwebennetz von Kämpfern", so ein deutscher Generalstabsoffizier, noch leistete.54 Vielleicht hätte das Heer, wie etwa General von Kuhl nach dem Krieg spekulierte, unter Heranziehung letzter Personalreserven55 den Kampf noch einige Monate fortsetzen können.56 Gerd Krumeich hat hier jüngst sogar von einer "realistischen Variante" des Dolchstoßes gesprochen.57 Die von Ludendorff am 23. Oktober 1918 mitunterzeichnete Anweisung an die Waffenstillstandskommission enthielt eine andere Bewertung: Demnach reichten die Kräfte des Feldheeres zu einem sicheren Halten der Stellung nicht mehr aus. Und weiter hieß es: "Ein schnelles Aufhören des Kampfes liegt im dringendsten Interesse des deutschen Heeres."58 Mehr als fragwürdig erschien auch, ob sich mit einer Fortsetzung des Kampfes günstigere Friedensbedingungen hätten erzwingen lassen, zumal das alliierte Oberkommando unter Marschall Ferdinand Foch angesichts der sichtbar zunehmenden militärischen Schwäche der Deutschen die Waffenstillstandsbedingungen fortlaufend verschärfte.59 Diese Zweifel teilte nun auch Reichskanzler Prinz Max von Baden.60 An der deutschen Niederlage jedenfalls, das räumte auch Kuhl ein,61 änderten alle Spekulationen über ein Weiterkämpfen nichts. Diese Illusion zerplatzte vollends mit dem Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie Ende Oktober, der den Alliierten militärisch endgültig das Tor für einen Einmarsch nach Deutschland öffnete.62 Hinzu trat im Inneren der Ausbruch der Revolution.63

 

Ludendorffs Abtritt

Zu diesem Zeitpunkt war Ludendorff bereits abgetreten.64 An die Seite Hindenburgs setzte der Kaiser den als politisch flexibler geltenden württembergischen Generalleutnant Wilhelm Groener. Anlass der Entlassung durch Wilhelm II. war ein nicht mit der Regierung abgestimmter Heeresbefehl, der in unmittelbarer Reaktion auf die am 24. Oktober 1918 bekanntgewordene 3. Antwortnote des US-Präsidenten erfolgt war.65 Wilson bestand auf der Abdankung des Kaisers mitsamt der "militärischen Beherrscher" und "monarchischen Autokraten". Sollte dies nicht geschehen, verlangte er die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Die OHL reagierte empört und forderte in ihrem Heeresbefehl den Kampf bis zum Äußersten. Initiiert hatte diesen Befehl einschließlich einer gleichlautenden Erklärung gegenüber der Presse der Chef der Abteilung für Nachrichtendienst, Abwehr, Presse und Aufklärung (IIIb) der OHL, Oberstleutnant Walter Nicolai. Nach einer Meldung des Berliner Kriegspresseamtes glaubte Nicolai, im Einklang mit der Regierung zu handeln. Eine Fehleinschätzung, wie er sich dann eingestehen musste. Die Verteilung des Befehls innerhalb des Heeres wurde daraufhin angehalten, die Presseerklärung war gleichwohl durch den Leiter des Kriegspresseamtes, Major Emil Würtz, bereits abgegeben worden.66

Nachdem die Regierung dem lavierenden Spiel der OHL im Oktober immer mehr misstraut hatte, so zwischenzeitlich sehr zum Missfallen der OHL auch andere Frontbefehlshaber zur militärischen Lage befragt hatte, nahm sie nun den Vorfall zum Anlass, um die Militärführung endgültig in die Schranken zu weisen. Mit Ludendorffs Abgang konnte hier ein deutliches Zeichen gesetzt und zugleich ein völliger Abbruch der Kommunikation mit Wilson vermieden werden.67 Zwar war damit der schwelende Konflikt zwischen OHL und Regierung zugunsten der politischen Führung entschieden worden. Die Kontrolle über die weiteren innen – und außenpolitischen – Geschehnisse gewann die Regierung aber nicht.68 Das bedeutete zudem keineswegs eine völlige Entmachtung der OHL, da sie trotz der nachfolgenden Verfassungsreform auch in Zukunft nur Kommandoakte "von politischer Bedeutung" mit dem Reichskanzler abzustimmen hatte.69 Die Waffenstillstandsverhandlungen, die eigentlich Aufgabe der Militärs waren, legte die OHL – wohlwissend, welch schwerer Gang der Kommission bevorstand – recht bereitwillig in die Hände der Politiker.70 Dahinter verbarg sich, wie die Erinnerungen des Generals Groener verraten, ein altbekanntes Kalkül: "Mir konnte es nur lieb sein", so Groener in seinen Erinnerungen, "wenn bei diesen unglückseligen Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieben."71 Mit einer schmachvollen Niederlage wollte die OHL nichts zu tun haben.

 

Fazit

Wenn ich nun am Ende Rolle und Verhalten der OHL auf dem Weg zum Waffenstillstand zusammenfassend bewerten möchte, dann rückt für mich der Blick auf den Menschen in den Vordergrund, insofern also die zentralen Akteure Ludendorff und Hindenburg. Persönliche Ehre und damit eng verbunden vor allem das eigene Prestige waren Ideale, die für die Militärelite in ihrer gesellschaftlichen Spitzenstellung im Kaiserreich von alles überragender Bedeutung waren. Das hatte man schon als junger Offizier, der als militärischer Führer stets Stärke und Optimismus auszustrahlen hatte, gelernt und auch gelebt. Nun stand für beide Offiziere in den letzten unsicheren und in die Niederlage mündenden Wochen des Krieges ihr Ansehen als erfolgreiches und nervenstarkes Feldherrenduo auf dem Spiel. Hindenburg war darüber hinaus kometenhaft zu einer mythischen nationalen Identifikationsfigur emporgestiegen. Es ist also wenig überraschend, sogar durchaus menschlich, wenn beide mit allen Mitteln versuchten, ihre Stellung und ihren Ruf im Rahmen der OHL zu bewahren. Dies reichte von einer lavierenden Verschleierungstaktik im Machtspiel mit der Regierung über bloßes Wunschdenken perfider Endkampffantasien bis hin zur Lancierung der Dolchstoßlegende. Die alte Ordnung und eigene Machtstellung unverändert fortzuführen, war illusionär. Hindenburg gelang es in einem politischen Balanceakt, sein Ansehen zu sichern. Er wurde zum festen Bestandteil des Bündnisses der alten Militärelite mit der neuen politischen Führung der Republik. Das führte ihn noch bis in das Amt des Reichspräsidenten. Sein ehemaliger Intimus Ludendorff hingegen kämpfte als "Heerführer ohne Sieg"72 und Bauernopfer für die militärische Niederlage73 umso heftiger um seine Reputation und scheute sich dabei nicht, Rang und Stellung im Bündnis mit den Feinden der Republik auch gewaltsam wiederzugewinnen. Zum Totengräber der ersten Demokratie in Deutschland wurde bekanntlich am Ende aber nicht Ludendorff, sondern ausgerechnet der greise Feldmarschall.

  • 1. Der Beitrag fußt auf Vorträgen, die der Verfasser auf internationalen Konferenzen in Belgrad (The End of the Great War: Military Operations and Peace Treaties, 25./26.9.2018) und Vincennes (Cease fire, to cease hostilities? Since modern time to the present day, 27./28.11.2018) gehalten hat. Der Beitrag wird in den jeweiligen Tagungsbänden in englischer Sprache veröffentlicht.
  • 2. Wilhelm Deist, Militär, Staat und Gesellschaft, Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte, München 1991, S. 145.
  • 3. Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915-1919, hrsg. von Siegfried A. Kaehler, Göttingen 1958, S. 234f.
  • 4. Joachim von Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens, unveröffentlichtes Manuskript, Oberaudorf 1955, S. 139.
  • 5. Nachlass (NL) Walter Nicolai, Rossiiskii Gosudarstvenni Voennyi Arkhiv (Moskau; im Folgenden abgekürzt RGVA), 1414-1-16, Blatt (Bl.) 327, so die Einschätzung des Chefs der Operationsabteilung der OHL, Oberst Wilhelm Heye.
  • 6. Vgl. Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14, Die Kriegführung an der Westfront im Jahre 1918, hrsg. von der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres, Berlin 1944, S. 629; Eberhard Kessel, Ludendorffs Waffenstillstandsforderung vom 29. September 1918. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Bd. 4 (2/2014), Neudruck des Originals vom 1.12.1968, S. 67-88, hier S. 72, 84f. Ludendorff erlitt trotz seiner zuvor unverkennbaren Nervosität keinen Nervenzusammenbruch, wie oft behauptet. Vgl. Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens (wie Anm. 4), S. 137f. Seinen Erinnerungen zufolge hat Stülpnagel offenbar mit Billigung des Chefs der Operationsabteilung, Oberst Wilhelm Heye, und auch im Interesse anderer "Kollegen" Ludendorff bereits am 25.9. in einem persönlichen Gespräch vorgeschlagen, "Kaiser und Regierung offen über den Ernst der Lage zu unterrichten und diese sofort zur Einleitung von Friedensverhandlungen aufzufordern".
  • 7. Siehe zu den Ereignissen an diesem Tag ausführlich Bernhard Schwertfeger, Das Weltkriegsende. Gedanken über die deutsche Kriegführung 1918, Berlin 1937, S. 119-126; Manfred Nebelin, Ludendorff. Diktator im Ersten Weltkrieg, München 2010, S. 462-464.
  • 8. Thaer, Generalstabsdienst (wie Anm. 3), S. 235.
  • 9. Wolfram Pyta, Hindenburg, Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, Berlin 2007, S. 331f.
  • 10. Persönliches Kriegstagebuch (TB) des Generals der Infanterie a.D. Hermann von Kuhl, Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg i.Br. (BArch), RH 61/970, Einträge 28.8., 6.9., 20.9.1918; Fritz von Loßberg, Meine Tätigkeit im Weltkrieg 1914-1918, Berlin 1939, S. 357. Siehe ausführlich hierzu auch Kessel, Ludendorffs Waffenstillstandsforderung (wie. Anm. 6).
  • 11. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band V - Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung, Stuttgart [et.al.] 1978, S. 214.
  • 12. Vgl. Holger Afflerbach, Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich, 2. Aufl., München 1996 (=Beiträge zur Militärgeschichte, 42), S. 222.
  • 13. Bericht (Abschrift) des zum Kaiser abkommandierten Generalstabsoffiziers Major Niemann zu Ludendorffs Entlassung vom 11.12.1918, Nachlass (NL) Walter Nicolai, RGVA 1414-1-16, Bl. 435.
  • 14. Roger Chickering, Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, 2. Aufl. 2005, S. 92. Zum Aspekt einer charismatischen Herrschaft (Max Weber) Hindenburgs siehe Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9).
  • 15. Zuletzt etwa bei Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7).
  • 16. Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9), S. 288.
  • 17. Vgl. Aufzeichnung Walter Nicolai, 8.5.1917, NL Walter Nicolai, RGVA 1414-1-14, Bl.178 sowie Aufzeichnung Walter Nicolai, 27.10.1918, RGVA 14-1-16, Bl. 413. Ludendorff verhielt sich wie Walter Nicolais Aufzeichnungen belegen, Vorschlägen aus seiner Umgebung zur Ergreifung der Macht eher ausweichend, es müsse doch vorläufig "beim Alten bleiben". Dafür sei auch der Feldmarschall, wie er Nicolai nach dem Krieg eingestand, "niemals zu haben gewesen".
  • 18. TB Kuhl, BArch RH 61/970, Einträge 28.8. und 1.9. 1918. General Kuhl hielt dazu bezeichnenderweise in seinem Tagebuch am 28.8.1918 fest: "Das ist die Operation eines Spielers. Ich fürchte, daß der Ehrgeiz Ludendorff dazu verleitet. Er will sein Prestige nicht aufgeben und setzt das Letzte daran…" Vgl. auch Eintrag vom 1.9.: "Die O.H.L spricht sich nicht aus über weitere Absichten, große operative – rückwärtige Linien, sie scheut dies, will ihr Prestige behaupten".
  • 19. Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9), S. 329.
  • 20. Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens (wie Anm. 4), S. 137.
  • 21. Zit. nach Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7), S. 472.
  • 22. Kessel, Ludendorffs Waffenstillstandsforderung (wie Anm. 6), S. 66f.
  • 23. Vgl. hier mit Blick auf die amtliche Militärgeschichtsschreibung Markus Pöhlmann, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik: Der Erste Weltkrieg. Die amtliche deutsche Militärgeschichtsschreibung1914-1956, Paderborn [et.al.] 2002 (=Krieg in der Geschichte,12), S. 259-267.
  • 24. Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9).
  • 25. Schriftwechsel des Präsidenten des Reichsarchivs Hans von Haeften mit dem preußischen Kriegsminister a.D. Scheüch über die Verantwortlichkeit für den Abschluss des Waffenstillstandes 1918 (Abschriften 1933), BArch RH 61/554. Vgl. hierzu auch Pöhlmann, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik (wie Anm. 23), S. 258f.
  • 26. Vgl. Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9), S. 335, 344, 348-353; Holger Afflerbach, Auf Messers Schneide. Wie das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg verlor, München 2018, S. 500.
  • 27. Vgl. Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens (wie Anm. 4), S. 142f.
  • 28. Vgl. Pyta, Hindenburg (wie Anm. 9), S. 341 und Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7), S. 519.
  • 29. Zu den unterschiedlichen Varianten der Dolchstoßlegende siehe Boris Barth, Dolchstoßlegenden und politische Desintegration. Das Trauma der deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg 1914-1933, Düsseldorf 2003. Wesentliche Denkfiguren und Formulierungen der Dolchstoßlegende lassen sich in Briefen zwischen Front und Heimat bereits seit 1915 nachweisen, als es zu sozialen Streiks von Frauen kam. Verratsvorstellungen basierten auf dem ideologischen Antagonismus von männlich-stark gedeuteter Front und weiblich-schwach konnotierter Heimat. Vgl. Wencke Meteling, Ehre – Einheit – Ordnung. Preußische und französische Regimenter und ihre Städte im Krieg, 1870/71 und 1914-1919, Baden-Baden 2010, S. 365-370. Im offiziellen militärinternen Diskurs verfestigte sich der Verratsvorwurf gegenüber der Heimat 1917/18. Daran konnte die OHL anknüpfen. Vgl. Anne Lipp. Meinungslenkung im Krieg. Kriegserfahrungen deutscher Soldaten und ihre Deutung 1914-1918, Göttingen 2003, S. 297-306 und 311-313.
  • 30. Vgl. Nebelin Ludendorff (wie Anm. 7), S. 470.
  • 31. Vgl. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 476f.
  • 32. Vgl. Lothar Machtan, Der Endzeitkanzler. Prinz Max von Baden und der Untergang des Kaiserreichs, Frankfurt a.M. 2018, S. 382. Der Kaiser setzte den Prinzen am 2. Oktober massiv mit den Worten "Du hast dich nicht angeboten, um der Obersten Heeresleitung Schwierigkeiten zu machen" unter Druck.
  • 33. Vgl. Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 660. Der Waffenstillstand mit Bulgarien vom 28. September 1918 räumte den Alliierten das Durchmarschrecht ein. Vgl. David Stevenson, With our backs to the Wall. Victory and Defeat in 1918, Cambridge 2011, S. 510.
  • 34. TB Kuhl, BArch, RH 61/970, Einträge 30.9. und 3.10.1918.
  • 35. Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie. Anm. 6), S. 629.
  • 36. Thaer, Generalstabsdienst (wie Anm. 3), S. 234.
  • 37. Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7), S. 468.
  • 38. Machtan, der Endzeitkanzler (wie Anm. 32), S. 383.
  • 39. Für die Deutschen gebe es nur zwei Wege, ehrenvoller Friede oder Kampf bis zum Äußersten, betonte Hindenburg gegenüber der Regierung am 14. Oktober 1918. Vgl. Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7), S. 477.
  • 40. Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 661. Siehe zu den Aussprachen zwischen OHL und Regierung die Protokolle in: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18, hrsg. von Erich Ludendorff, 2. Aufl, Berlin 1921, S. 546-581. Vgl. hierzu auch Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens (wie Anm. 4), S.141f.
  • 41. Vgl. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 491f. Siehe auch Michael Geyer, Endkampf 1918 and 1945. German Nationalism, Annihilation, and Self-Destruction. In: No Man’s Land of Violence. Extreme Wars in the 20th Century, hrsg. von Alf Lüdtke und Bernd Weisbrod, Göttingen 2006, S. 35-67.
  • 42. Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 662. Vgl. auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V (wie Anm. 11), S. 561.
  • 43. Machtan, Der Endzeitkanzler (wie. Anm. 32), S. 418 sowie Urkunden der Obersten Heeresleitung (wie Anm. 40), S. 570. Vgl. auch Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 662 hinsichtlich der Eindrücke des Reichskanzlers. Vgl. hierzu auch den Bericht (Abschrift) des zum Kaiser abkommandierten Generalstabsoffiziers Major Niemann über Ludendorffs Entlassung vom 11.12.1918, Bl. 430-436, hier Bl. 432, NL Nicolai, RGVA, 14-1-16. Auch intern in der OHL war man wenig später erstaunt darüber, wie "rosig" Ludendorff die militärische Lage wieder angesehen habe. Tatsächlich sei diese noch "ebenso kritisch" gewesen wie am 29.9.
  • 44. Kronprinz Rupprecht von Bayern. Mein Kriegstagebuch, hrsg. von Eugen von Frauenholz, 2. Bd, München 1929, S. 465, Eintrag 22.10.1918.
  • 45. Vgl. Machtan, Der Endzeitkanzler (wie Anm. 32), S. 420.
  • 46. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 481.
  • 47. Siehe hierzu: Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 639-649. Bezeichnend auch die Meldungen der Heeresgruppen und Armeen, dass die Kampfkraft der Truppen zur Abwehr nicht feindlicher Angriffe nicht mehr ausreiche (S. 644f). Vgl. auch Der Erste Weltkrieg. Kriegstagebuch des Generals Nikolaus Ritter von Endres, hrsg. von Elisabeth Haug, Hamburg 2012, Einträge 1. bis 31.10. 1918.
  • 48. Vgl. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 489f, 496f. Siehe beispielhaft auch Feldpostbrief Unteroffizier Wilhelm Kaisen, 7.11.1918. In: Vom Augusterlebnis zur Novemberrevolution. Briefe aus dem Weltkrieg 1914-1918, hrsg. von Jens Ebert, Göttingen 2014, S. 301-303. Zu den Vorstellungen der Alliierten vgl. auch Stevenson, With our backs (wie Anm. 33), S. 520-528.
  • 49. Zit. nach Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 489f.
  • 50. Vgl. TB Kuhl, BArch, RH 61/970, Einträge 30.8 und 1.9.1918; Der Weltkrieg 1914-1918, Bd. 14 (wie Anm. 6), S. 688. Siehe hierzu auch Kriegstagebuch Endres (wie Anm. 47), Eintrag 27.10.1918, der hier von einer verhängnisvollen Unterschätzung des Gegners und Überschätzung der eigenen Kräfte spricht sowie die Nachträge über Eindrücke in der Schlacht, S. 523f. Zum "Kleben am Geländebesitz" siehe auch Christian Stachelbeck, Lessons Learned in WW1: The German Army, Vimy Ridge and the Elastic Defense in Depth 1917, https://jmss.org/article/view/58298/43851, download 6.12.2018. Siehe zu den Abwehrkämpfen zuletzt auch Gerhard P. Groß, Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Dolchstoßlegende, Ditzingen 2018 (=Kriege der Moderne, Bd. 1).
  • 51. Vgl. zum Zustand der Truppen die Untersuchung von Hermann Cron, Konnte das deutsche Heer im November 1918 weiterkämpfen? BArch, RH 61/2247.
  • 52. Kriegstagebuch Endres (wie Anm. 47), Eintrag 15.10.1918.
  • 53. Deist, Studien (wie Anm. 2), S. 231. Über die genauen Zahlen der bereits seit Sommer 1918 verstärkt einsetzenden Drückebergerei kann bis heute wegen der fehlenden Akten nur spekuliert werden. Vgl. Hermann von Kuhl, Entstehung, Durchführung und Zusammenbruch der Offensive im Jahre 1918, Zweiter Teil, Berlin 1925, S. 90-238, hier S. 212 (=Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919-1928, Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, 4. Reihe im Werk des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, 3. Band, hrsg. von Albrecht Philipp). Kuhl spricht in seinem Gutachten von Hunderttausenden.
  • 54. Major Ludwig Beck, Ia der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, zit. nach Deist, Studien (wie Anm. 2), S. 229.
  • 55. Vgl. Hermann von Kuhl, Entstehung, Durchführung und Zusammenbruch der Offensive von 1918, Erster Teil, S. 1-89, hier S.71f (=Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919-1928, Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, 4. Reihe im Werk des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, 3. Band, hrsg. von Albrecht Philipp). Großzügigen Berechnungen des Kriegsministeriums Mitte Oktober 1918 zufolge hätten noch einmal rund 600.000 Mann mobilisiert werden können. Ludendorffs Nachfolger Generalleutnant Wilhelm Groener hielt diese Zahlen wenig später allerdings für völlig unrealistisch. Vgl. Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen. Jugend – Generalstab – Weltkrieg, Göttingen, 1957, S. 448. Auch Kronprinz Rupprecht bemerkte hierzu nur kurz: "Ich bezweifle dies". Vgl. Kronprinz Rupprecht von Bayern. Mein Kriegstagebuch (wie Anm. 44), S. 463, Eintrag 17.10.1918.
  • 56. Hermann von Kuhl, Der Dolchstoß, Berlin 1928, S. 3-39 (=Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919-1928, Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, 4. Reihe im Werk des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, 6. Band, hrsg. von Albrecht Philipp) sowie Hermann Cron, Konnte das deutsche Heer im November 1918 weiterkämpfen? BArch RH 61/2247, sowie Kriegstagebuch Endres, Nachtrag Eindrücke der Schlacht (wie Anm. 47), S. 526.
  • 57. Gerd Krumeich, Der Dolchstoß war nicht bloß Legende. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.7.2017), S. 13.
  • 58. Zit. nach Nebelin, Ludendorff (wie Anm. 7), S. 487.
  • 59. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 497.
  • 60. Vgl. Machtan, Der Endzeitkanzler (wie Anm. 32), S. 422f.
  • 61. Kuhl, Der Dolchstoß (wie Anm. 56), S. 27 sowie Cron, Konnte das deutsche Heer im November 1918 weiterkämpfen?, BArch RH 61/2247, S. 25f: "Unter solchen Umständen muß eine Fortsetzung des Kampfes als aussichtslos bezeichnet werden und hätte wohl nur zum heldischen Untergange, nicht aber mehr zur Wendung des Geschickes geführt".
  • 62. Siehe hierzu vor allem die Operationsplanungen des 3e Bureau des französischen Generalstabs, Etat-Major Général de l’Armée, Groupe de l’Avant, 3e Bureau, Note sur le plan d’action de l’Entente, 2.11.1918, Service historique de la Défense (Vincennes), GR 6 N 73. Vgl. auch Kriegstagebuch Endres (wie Anm. 47), Eintrag 5.11.1918.
  • 63. Vgl. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 495.
  • 64. Vgl. hierzu auch den Bericht (Abschrift) des zum Kaiser abkommandierten Generalstabsoffiziers Major Alfred Niemann über Ludendorffs Entlassung vom 11.12.1918, NL Nicolai, RGVA, 14-1-16, Bl. 430-436.
  • 65. Vgl. Entwurf Hans von Haeften "Die Oberste Heeresleitung und die Waffenstillstandsverhandlungen im Wald von Compiégne, Nov. 1918", 20.5.1933, BArch RH 61/554, Bl. 007. Bereits am 21. Oktober war die Vereinbarung getroffen worden, dass die Reichsleitung für die Politik alleinige Verantwortung trage.
  • 66. Aufzeichnungen Walter Nicolai, Einträge 24. und 25.10.1918, NL Nicolai, RGVA, 14-1-16, Bl. 405-408. Vgl. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 499.
  • 67. Vgl. Machtan, Der Endzeitkanzler (wie Anm. 32), S. 419-425. Treibende Kraft hinter der Entlassung Ludendorffs war vor allem der Staatssekretär des Äußeren, Wilhelm Solf, während sich Max von Baden nur zögerlich von Ludendorff abgewendet hatte.
  • 68. Afflerbach, Auf Messers Schneide (wie Anm. 26), S. 500.
  • 69. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V (wie Anm. 11), S. 601. Einer Gegenzeichnung bedurften selbst solche Akte nicht. Das betraf ebenso die Seekriegsleitung. Die problematische Neuregelung trat hier am geplanten letzten Flottenvorstoß Ende Oktober besonders deutlich zutage.
  • 70. Matthias Erzberger, Erlebnisse im Weltkrieg, Berlin 1920, S. 326f. Erzberger setzte den Führungsanspruch der Politik gegenüber der OHL auch durch, indem er die militärischen Teilnehmer der Kommission selbst aussuchte und strikt begrenzte. Hindenburg war völlig einverstanden. Vgl. Entwurf Hans von Haeften "Die Oberste Heeresleitung und die Waffenstillstandsverhandlungen im Wald von Compiégne, Nov. 1918", 20.5.1933, BArch RH 61/554, Bl. 010 sowie Bl. 001-003. Hindenburg bestritt letzteres später, vielmehr habe er sich damit abfinden müssen. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V (wie Anm. 11), S. 412f. Friedensverhandlungen lagen dagegen nach der im Januar 1918 erfolgten Erklärung über "Staatsrechtliche Verantwortlichkeit" allein in der Verantwortung der politischen Führung. Den obersten Militärs räumte die Erklärung das Recht und die Pflicht zur Beratung in militärischen Fragen zu.
  • 71. Groener, Lebenserinnerungen (wie Anm. 55), S. 449.
  • 72. Stülpnagel, 75 Jahre meines Lebens (wie Anm. 4), S. 141.
  • 73. Vgl. Machtan, Der Endzeitkanzler (wie Anm. 32), S. 424.